Problem von Geli - 57 Jahre

Ausgeschlossen

Hallo liebes Kummerkastenteam!
In den letzten Jahren fühle ich mich immer fremder mit meiner Familie. Ich habe eine Zwillingsschwester und eine 5 Jahre jüngere Schwester. Die jüngere war immer die schönste, die Beste. Sie hat ihr Leben im Griff, Alleskönner wie es sich gehört. Heirat, Kind, Haus, jetzt lebt sie in Spanien und hat noch hier ein Haus mit Unterstützung der Schwiegereltern . Ich war unverheiratet, alleinerziehend, immer Vollzeitjob, suchend, erschöpft, krank durch eine Bluttransfusion ( Hep.C). Inzwischen bin ich seit 23 Jahren mit meinem jetzigen Mann zusammen, viele Krisen, aber wir leben jetzt nicht schlecht auf dem Land mit großem Garten. Ich arbeite z. Zt. un der Altenpflege. Meine Eltern haben wir zu uns genommen. Weil ich ganz tief erhoffte das irgendwie etwas für mich geklärt werden könnte. Klären konnte ich nichts, meine Mutter leugnet sexuelle Übergriffe ( zwischen die Beine langen, Busen angrabschen, verbale sexistische Sprüche), Schläge, Demütigungen. Ich habe gedacht ich würde es schaffen zu vergeben. Nun ist meine Tochter 33 J. schwanger, von einem illegal arbeitenden Albaner, der sich aber auf das Kind freut und arbeitet. Über die andere Mentalität braucht man nicht zu streiten. Frauen sind da nicht viel wert. Aber meine Tochter hat diese Wahl getroffen und mit der Konsequenz muss sie leben und wenn die Hilfe braucht bin ich da! Nun war es letztes Jahr so das mein Vater achtzig wurde, große Familienfeier stand an. Meine Tochter war da seitfast einem halben Jahr mit dem Mann zusammen und wir hatten uns kennengelernt. Meine Eltern wollten ihn nicht kennenlernen, denn die sind aggressiv und tragen Messer bei sich und wollen alle nur abschlachten. So ihre Meinung. Als es dann zur Einladung ging fragte ich ob der junge Mann meine Tochter begleiten dürfte, es wäre doch schön wenn sie , wie ihre Cousine auch, ihren Freund mitbringen dürfte. Meine Mutter sagte dann: Nee, wenn DER kommt dann kommen 4 andere nicht, Dein Vater, Deine jüngere Schwester, die Nichte und ihr Freund auch nicht! Die haben Angst vor ihm!
Es war so das ich nicht zur Feier gegangen bin, aus Solidarität zu meiner Tochter. Sie war so traurig und wütend, weil sie eine so innige Beziehung zu ihr hatte. Was mich trifft ist das meine jüngere Schwester noch nicht mal mit mir darüber geredet hat. Für Ihre Ängste hätte ich Verständnis gehabt. Meine Zwillingsschwester war auch da. Und ich bin so traurig, weil meine Eltern immer die anderen Schwestern besuchen, ganz zufrieden wie es so ist. Ich hätte den Anspruch als Eltern alle an einen Tisch zu bringen. Und von meiner Zwillingsschwester fühle ich mich auch verraten. Das schwierige Thema Zwillingsschwester ist ja eh bekannt, aber ich habe sie immer auch finanziell unterstützt als ich noch gut verdient habe, wenn andere etwas für sie machen bringt sie sich um vor Freunde und teilt es allen mit auf fb, nur zu mir ist sie sehr kühl. Sie hatte mir vor2 Jahren versprochen meine verstorbene Hündin zu malen, ich habe das Bild nie erhalten. Bei meiner jüngeren Schwester hat sie es sofort gemacht, als deren Hündin starb. Ich habe für fast alle Bilder von ihr Geld bezahlt , meine jüngere Schwester und deren Tochter bekommen die umsonst. Ich bin so tieftraurig, fühle mich wertlos. Es macht sehr an mir.

Nuala Anwort von Nuala

Liebe Geli,

du hast viel geleistet und geschultert, und das mit chronischer Krankheit. Hut ab!
Dass deine Zwillingsschwester mehr Glück hatte und sich dadurch andere Wege ergeben haben, ist logisch. Vielleicht steckt aber noch mehr dahinter, was fest in eurer Familiengeschichte verborgen liegt.

Das alles klingt alles nach jeder Menge Redebedarf in eurer Familie - und obendrein ziemlich kompliziert. Themen wie Neid, Wut, Missgunst, Ungerechtigkeit, Gewalt, Vernachlässigung etc. scheinen hier eine Rolle zu spielen.
Nur leider scheinst du mit deinem Anliegen gegen eine Wand zu prallen.
Es klingt wirklich sehr verfahren. Eine Möglichkeit wäre, dass du versuchen könntest, statt die gesamte Situation verändern zu wollen, den Einzelkontakt z.B. zu deiner Zwillingsschwester zu verbessern. Du kannst sie um entsprechende klärende Gespräche bitten, in denen du ihr von deiner Traurigkeit und Enttäuschung erzählst (ohne anklagend zu sein, einfach aus deiner Perspektive, wie du dich seit vielen Jahren fühlst). Frage sie, wie sie euer Verhältnis wahrnimmt, was ihr auffällt. Auch, was sie stört. Versuche, dich in sie hineinzuversetzen und nachzufühlen, warum sie bestimmte Dinge anders handhabt, als du es dir vorstellst. Es kann ja sogar sein, dass sie bisher gar kein Problem wahrgenommen hat!
Ehrliche Gespräche können im besten Fall zu Verbesserungen führen, allerdings müssten deine Verwandten bzw. deine Zwillingsschwester eine echte Motivation haben, sich auf diese Themen einzulassen und dir richtig zuzuhören. Sollte das gegeben sein, habt einfach Geduld und versucht, euch in kleinen Schritten aufeinander zuzubewegen.
Vielleicht würde euch auch eine Mediation helfen, um immer wiederkehrende Streitthemen und Verhaltensmuster zu bearbeiten. Auch eine Familienaufstellung könnte sehr aufschlussreich und spannend sein - zumindest für dich.
Generell halte ich eine Aufarbeitung der Geschehnisse in deiner Kindheit und Jugend für sehr wichtig, wenn es da um sexualisierte Gewalt und andere Grenzüberschreitungen ging. Vielleicht kannst du dir ja vorstellen, dich vertrauensvoll an einen Psychotherapeuten oder eine Therapeutin zu wenden.

Desweiteren musst du dich schützen. Dir gehen die Kontakte sehr an die Substanz, was absolut verständlich ist. Überlege dir bitte, wen du überhaupt noch (regelmäßig) sehen möchtest - und wen nicht! Und bitte handle nicht aus Pflichtgefühlen. Du hast dir selbst die größte Bringschuld. Und die lautet, dass du deine Kräfte nicht ausbeuten lassen sollst und deine Grenzen beachten musst, um nicht vor die Hunde zu gehen. Du musst deine Eltern z.B. nicht bei euch wohnen lassen. Du hast dir Klärung erhofft, doch diese blieb aus. Ich vermute, es ist eine Sackgasse, jetzt so weiterzumachen wie gehabt.

Du könntest natürlich auch begründen, warum du den Kontakteinschränken würdest, sollte das denn für dich in Frage kommen. Gute Gründe hättest du ja. Nur ob diese eingesehen würden, steht auf einem anderen Blatt. Hier ist vermutlich nicht mit Verständnis zu rechnen - das sollte dich aber keineswegs davon abhalten, deine Interessen zu verfolgen und dich ggf. strategisch zurückzuziehen! Das darfst du auch ohne Begründung, denn so wie du alles beschreibst, hast du früher immer wieder durchblicken lassen, was du dir wünschst und hast geholfen. Es würde auch reichen zu sagen: "Für mich ist das Maß voll, ich möchte mich jetzt auf meine Angelegenheiten besinnen."

Ich finde außerdem, dass du keine weiteren Entgegenkommen und Hilfen gewähren solltest, wenn das letztlich einseitig ist und ausgenutzt wird. Dafür bist du einfach zu schade. Umso mehr Fürsorge, Liebe und Zuwendung kannst du nun dir selbst zukommen lassen.

Zu deinem neuen Schwiegersohn möchte ich anmerken: Das Wichtigste ist ja die Liebe zwischen ihm und deiner Tochter, nicht seine Herkunft. Lernt ihn doch weiter kennen, er ist keine Schablone, sondern ein Individuum. Sein kultureller Hintergrund muss niemandem im Weg stehen. Mit Offenheit und Wohlwollen fahrt ihr sicher am besten und tut deiner Tochter auch eine großen Gefallen.
Gewalt an Frauen ist weltweit verbreitet, so auch in Deutschland, wo sie sehr offensichtlich von Nicht-Migrant:innen begangen wird und auch Frauen selbst teilweise mitmachen, nur kommt sie oft versteckter und raffinierter daher. Du hast ja selbst von Übergriffen berichtet. Sexismus und Feindlichkeit gegen Frauen sind leider tiefe strukturelle und gesellschaftliche Probleme, die gerne auf Personen mit Migrationshintergrund abgewälzt werden. Es ist daher wichtig, nicht auf "die" Albaner:innen zu zeigen, wenn es um Ungerechtigkeiten gegen Mädchen und Frauen geht. Sondern ganz allgemein zu schauen, wo es Missstände gibt, sich solidarisch zu zeigen und bei Gewalt schnell einzugreifen.
Deine Tochter wird dir sicherlich sehr dankbar sein, wenn du nicht nur sie, sondern auch deinen Schwiegersohn stützt, indem du die vielen Vorurteile und Diskriminierungen als solche benennst und diese verurteilst. So laufen die anstrengenden Allüren deiner Eltern wenigstens teilweise ins Leere, weil sie keine Resonanz erhalten.

Ich habe in den vergangenen Monaten immer wieder relativ ähnliche Probleme rund um tiefsitzende familiäre Schwierigkeiten beantwortet und möchte dir diese zum weiteren Lesen mitgeben. Eventuell kannst du da noch etwas für dich herausziehen.
- https://mein-kummerkasten.de/331663/psychische-Gewalt-Trauma.html
- https://mein-kummerkasten.de/331226/Hilfe-meine-erwachsene-Tochter-benutzt-mich-nur.html
- https://mein-kummerkasten.de/331537/Bin-ich-ein-Schmarotzer.html
- https://mein-kummerkasten.de/331594/Als-Familie-versagt.html
- https://mein-kummerkasten.de/331726/Ich-gehoere-nicht-dazu.html

Alles Gute wünsche ich dir!
Nuala