Problem von Mark - 21 Jahre

Keine berufliche Perspektive

Hallo liebes Kummerkasten Team,

ich bin sehr verzweifelt. Ich bin 21 und sollte gerade mein FSJ beenden und eine Ausbildung bei der Polizei anfangen. Habe mich dafür letztes Jahr im Oktober beworben und jetzt vor kurzem den letzten Test aufgrund körperlicher Probleme nicht bestanden. Nachdem ich alles darauf gesetzt hatte, auch weil mich eigentlich nichts anderes wirklich interessiert, war es ziemlich niederschmetternd als ich die Absage bekommen habe, vor allem da ich wirklich alles bis zum aller letzten Test bestanden habe.. Nun bin ich gezwungen das FSJ zu verlängern, weil ich sonst nichts hätte. Der Fakt, dass ich daran leider absolut keinen Spaß habe und nur sehr ungern dahin gehe, macht natürlich alles nur viel schlimmer. Die Einsatzstelle kann ich nun auch nicht mehr wechseln, da es nun zu kurzfristig ist. Für dieses Jahr kann ich nix mehr kriegen. Somit habe ich ein weiteres Jahr meines Lebens verloren. Meine Mutter meint nur ich brauche nicht mehr mit ihr zu sprechen. Wenn ich "das verhaue was ich unbedingt wollte" muss ich "irgendwas machen was mir nicht gefällt". Ich habe extra mein Abitur gemacht um zur Polizei zu gehen, jetzt drängt sie mich dazu irgendeine Ausbildung im Supermarkt oder so zu machen. Was ein Fall. Ich würde liebend gerne von Zuhause ausziehen, da ich selber keine Lust mehr habe bei meinen Eltern zu wohnen. Ich halte es hier kaum noch aus. Mit einem FSJ und einem Verdienst von nicht einmal 400 Euro ist das leider gar nicht so einfach. Werde es vermutlich für nächstes Jahr nochmals bei der Polizei versuchen. Da ich mich allerdings auch irgendwie absichern möchte, würde ich schon gerne was anderes in der Tasche haben. Leider gefällt mir wirklich nix anderes. Auch die ganzen Studiengänge hier interessieren mich gar nicht, bzw. ich weiß, dass sie viel zu schwer für mich sind. Zumal ist die ganze Situation ziemlich beschämend. Jeder hatte damit gerechnet, dass ich dieses Jahr bei der Polizei anfange. Jetzt muss ich aber doch weiter mein FSJ machen, was, ohne es schönzureden, nichts anderes als moderne Sklaverei ist. Jetzt habe ich die Angst, es beim nächsten Mal wieder nicht zu schaffen. Was dann? Egal wie lange ich mich umschaue, es gibt nichts anderes was mich interessiert. Ich fühle mich aktuell einfach wie ein Versager. Nächstes Jahr werde ich 22 und habe nix erreicht.

Nuala Anwort von Nuala

Lieber Mark,

entschuldige bitte die späte Antwort.
Ich hoffe, du hast in der Zwischenzeit neue Zuversicht gewinnen können. Denn diese ist definitiv immer nützlich und auch etwas Reales, Realistisches! Ich sehe dein Problem eher darin, dass du dich als "Versager" brandmarkst und dich sehr von deiner Mutter hast einschüchtern lassen. Das knickt natürlich zusätzlich und hemmt.
In Wahrheit kannst du dich vertrauensvoll an die Verwirklichung deines Traums machen - versuche es einfach erneut. Das hat nichts mit einem Versagen zutun, sondern ist etwas völlig Normales und Alltägliches. Scheitern gehört zum Menschsein dazu. Die Kunst liegt darin, sich dann wieder zu berappeln und neu zu beginnen - am besten mit mehreren Alternativplänen. Manchmal dauern die Dinge eben und oft muss man Umwege laufen, um an das eigentliche Ziel zu gelangen. Damit bist du also keineswegs allein. Es kommt entscheidend auf deinen Umgang mit solchen Niederlagen an. Du kannst entweder den Kopf hängenlassen und dich schlecht fühlen. Dann wird sich dieser Zustand sehr wahrscheinlich ausdehnen und dich immer mehr lähmen. Oder du richtest dich wieder auf und siehst es als wichtige Lernerfahrung, die dein Leben bereichert. Schau mal die ganzen Erfolgreichen dieser Welt an: Da ist es Standard, große und kleine Enttäuschungen erlitten, Durststrecken und magere Zeiten zu erleben. Aber sie geben eben nicht auf, sondern versuchen es eben umso mehr. Und das nicht verzweifelt und angestrengt, sondern mit dem Vertrauen auf ihre Kräfte und Fähigkeiten. Natürlich lassen sie sich auch unterstützen und glauben an das Potenzial. Es hilft also, optimistisch zu sein, sich in Geduld zu üben und an sich selbst zu glauben!

Hhhm, also entweder ist dein FSJ-Platz aus bestimmten Gründen wirklich nicht so dolle oder du passt da schlichtweg nicht hin... ich kenne sehr viele glückliche Menschen mit FSJ & Co. Letztlich lernt man immens in dieser Zeit. Auch du kannst profitieren, wenn du dich öffnest und versuchst, das Gute in den Dingen zu erkennen. Also nicht schwarzmalerisch heranzugehen sondern eine neutrale, wohlwollende oder sogar demütige Perspektive einzunehmen.
Du hast bisher wertvolle Erfahrungen sammeln dürfen, auch wenn es oft hart war. Aber sie bringen dir rückblickend womöglich viel mehr als ein aalglatter Lebenslauf und scheinbar "tolle Erfolge". Allein bezüglich deiner persönlichen Weiterentwicklung kannst du sehr von ihnen profitieren. -
Vielleicht solltest du einmal reflektieren, dass du möglicherweise gar nicht erst ein FSJ hättest beginnen sollen? Sei grundsätzlich ehrlich zu dir selbst. Wann machst du Dinge, weil sie dir wirklich entsprechen - und wann lässt du dich beeinflussen und lenken?

Du hast einen Traum - Polizist zu werden. Das ist toll! Bleib' dran, vernetze dich mit Anderen, bereite dich so umfassend wie möglich auf das kommende Jahr vor. Und wenn es wieder nichts werden sollte, hat es seinen Grund. Vielleicht bist du (noch) nicht geeignet für diesen Job, vielleicht wartet auch etwas ganz Anderes auf dich! Und wenn du dir sicher bist: Da will ich nach wie vor hin, versuchst du es eben ein drittes Mal. Wie schon geschrieben: Du bist kein Versager und wirst das auch niemals sein, solange du dir selbst etwas zutraust und dich selbst unterstützt.

Mache dir mehrere zusätzliche Pläne. Gehe in Berufsberatungen, mache Neigungs-und Eignungstests. Es geht nicht nur darum, was dich beruflich interessiert, sondern sehr stark darum, was du gut kannst! Viele verwechseln das miteinander. Doch ein großes Interesse an etwas geht eben nicht zwangsläufig mit Talent und Können einher.
Frage dich, was dich zur Polizei treibt. Was ist es, was dich da begeistert? Und gäbe es das nicht auch woanders? Versuche, deine innerliche Verengung aufzulösen und nach und nach weitere Lösungen zuzulassen.

Du schreibst, dass Studiengänge zu schwer für dich sein könnten. Warum glaubst du das? Ja, vielleicht wärst du in einer Ausbildung besser aufgehoben. Doch auch hier gilt: Sei ehrlich und realistisch, was eben genauso bedeutet, die eigenen Stärken zu kennen! Mach' dich nicht kleiner als du bist, sondern schaue, was du alles kannst. Und das ist sicherlich eine Menge! Somit könnte ein bestimmtes Studium durchaus etwas für dich sein, denn allein der Unterschied zwischen einem dualem und einem regulären Studium kann viel ausmachen, genauso hinsichtlich des Fachbereichs, Uni oder FH, welcher Anbieter usw. ... Und ja, vielleicht solltest du zunächst eine Ausbildung beginnen und irgendwann später studieren, wenn du reifer und erfahrener bist. Auch das ist möglich und legitim.

Zu den Finanzen:
Ein Auszug ist auch mit wenig Budget machbar. Lass dich dahingehend gerne beraten. Vielleicht gibt es ja doch einen Studiengang oder eine Ausbildung, die dir gefallen würde. So würde dir ggf. BaföG zustehen. Desweiteren könntest du dich mit deinen Eltern zusammensetzen und mit ihnen besprechen, inwieweit sie dir finanziell unter die Arme greifen könnten. Auch das ist ganz normal und nichts, was man Eltern nicht zumuten könnte. Ein Mittelweg wäre, dass du das Kindergeld bekommst und zusätzlich einen Nebenjob annimmst. Wenn du in eine WG einziehen würdest, vielleicht auch in einer günstigeren Stadt, könnte das finanziell durchaus funktionieren. Auch deine restlichen Verwandten und andere Institutionen kämen eventuell in Frage, z.B. mit Stipendien und Studienkrediten.
Du kannst auch ein gutes Gleichgewicht zwischen einem Nebenjob und deinem Hauptinteresse schaffen. Du musst ja nicht in Bereichen arbeiten, die dir so gar nicht liegen. Aber wenn etwas okay ist und du dich halbwegs aufgehoben fühlst, kann das ein sinnvoller Anfang sein. Nicht alles muss stets zu 100% passen! Vieles lässt sich über die Jahre erarbeiten. Und du bist jung, also rede dir bitte nicht ein, du hättest noch nichts erreicht. Solche Aussagen wirken sehr vernichtend und bringen rein gar nichts.

Noch etwas zum Thema Mutter und Vorschriften: Hier liegt es an dir, dir diesen Schuh nicht anzuziehen. Setze liebevoll Grenzen und weise sie bei Bedarf zurecht. Du hast ein Recht auf deinen individuellen Weg, sie kann das für dich nicht vorschreiben. Zudem hat sie keine Glaskugel, also solltest du hier wirklich auch eine gewisse innerliche Distanz wahren. Mach' dein Ding, mach das mit Herz und Verstand. Deine Mutter muss lernen, dass du deine eigenen Schritte und Erfahrungen brauchst, um voranzukommen. Und Vorankommen meint kein stupides Leistungsdenken, sondern die Erfüllung deiner persönlichen Wünsche und Träume.


Ich habe dir noch ein paar Zuschriften zum Weiterlesen herausgesucht:
* https://mein-kummerkasten.de/275309/Angst-vor-Versagen.html
* https://mein-kummerkasten.de/331672/Identitaetskrise-ich-weiss-nicht-wohin-mit-mir.html
* https://mein-kummerkasten.de/331325/Umsonst-gewartet.html
* https://mein-kummerkasten.de/330837/3-Studium-Selbstzweifel.html


Herzliche Grüße,
Nuala