Problem von Sunny :'( - 19 Jahre

Es hat einfach keinen Sinn....

Hallo Dana! :'(

Nun sitze ich in meinem Zimmer und bin tierisch am Weinen.
Die Klinge in der einen Hand und der leere Blick in die weite Ferne.
Ich weiß einfach nicht mehr was ich schreiben soll. Gestern sah für mich die Welt noch vollkommen "in Ordnung" aus, ich stand zu meiner Entscheidung und ich nahm die 3. Vergewaltigung recht "locker". Heute ist es anders... ich fühle mich dreckig, schlecht, habe Angst, große Angst davor,dass an der HIV-Sache was dran ist.
Ich habe heute ein Telefonat von meiner Mutter mitbekommen als sie mit meiner Oma telefoniert hat. Meine Großeltern wollen am Wochenende einen Grillabend machen wo die ganze Familie zusammenkommt. Das ist Tradition bei uns, jedes Jahr Pfingsten findet ein solcher Grillabend statt. Ich bekam mit, dass meine Oma meine Mutter darum gebeten hat mir doch bitte auszurichten, dass sie sich sehr freuen würde wenn ich mitkomme, da ich die letzten Jahre immer nicht dabei war. Meine Mum antwortete meiner Oma mit diesen Worten:" Ach, Mutti... das ist ja alles lieb gemeint von dir, aber ich weiß schon warum ich Sonja nicht davon erzählt habe, ich möchte einfach nicht, dass sie dabei sitzt. Ich hab keine Lust darauf ständig in ihr wehleidiges Gesicht schauen zu müssen. Alles was sie in solchen Momenten möchte ist Aufmerksamkeit und die wird sie mit Sicherheit von mir nicht bekommen...."
Es tat so schrecklich weh diese Worte von der eigenen Mutter zu hören. Jetzt darf ich nicht einmal mehr zu den Familientraditionen kommen.

Was ich hab ich bloß gemacht.. ich versteh das nicht. Meine eigene Mutter...
Ich habe nach diesem Telefonat mit meinem Vater gesprochen, der ausnahmsweise mal früher von der Arbeit kam und er meinte nur, dass ich mir ihre Worte nicht so zu Herzen nehmen soll, dass sie mich doch lieb hätte.... dann drehte er sich wieder seinen Fischen zu.

Das klingt für dich jetzt mit Sicherheit komisch, aber ich denke oft darüber nach, warum ich in so eine Familie gekommen bin. Wieso hätte ich nicht einfach so eine verständnisvolle Mum kriegen können wie dich!? Ich meine es ernst... ich fühle mich hier im Kuka so geborgen und wohl. Ich spüre die Wärme, auch wenn ich sie mir vllt nur einbilde, aber ich merke, dass dort etwas ist das mich hält. Außer euch wüsste ich niemanden den es stören würde wenn ich mich umbringe.

Mein Onkel war heute da. Ich sprach ihn direkt an wegen meiner Vermutung. Er lachte mich aus... das fand ich ziemlich scheiße von ihm. Ich meinte, dass ich das ernst meinen würde und grinste ihn etwas an und das er mir damit einen riesen Gefallen tun könnte. Er meinte dann nur, dass er momentan andere Probleme lösen muss als einer komischen Vermutung nachzugehen. ich hab mich also auf die eigene Suche gemacht und mein Zimmer auf den Kopf gestellt. Allerdings hab ich nichts gefunden, nur alte Erinnerungsstücke meines verstorbenen Opas, was auch immer das heißen mag.

Ich saß heute eine ganze Weile auf unserem Hausdach, weil meine Eltern nicht zu Hause waren. Sie wollten nach Wismar fahren, keine Ahnung was die da wollten. Ich habe über vieles nachgedacht, über die Zeit in Hamburg, über mein Leben, über meine Familie, über meine Vergangenheit, über die Schule und über meine Zukunft.
Ich bin mir darüber im Klaren, dass es so nicht weitergehen kann, dass es eine Änderung geben muss.
Aber weißt du, was ich nicht verstehe? Ziehe ich momentan solche Männer magisch an, oder warum werde ich alle naselang vergewaltigt.

Ich gebe mir so sehr die Schuld an allem was passiert ist, es ist so verzwickt alles. Diese leere in meinem Körper, es ist so als würde nur noch meine Hülle funktionieren um für all die anderen da zu sein. Die 3. Vergewaltigung war wieder so schlimm. Ich hab noch nichtmal geweint dabei, ich habe einfach die Augen geschlossen und gewartet bis alles vorbei war. Ich habe in diesem Moment an etwas anderes gedacht, an die wenigen schönen Momente, die ich damals hatte als mein Opa noch lebte.

Alles fing eigentlich damit an als ich meinen Opa verlor. Ich hatte in meiner ersten E-Mail an euch euch berichtet, dass er Herzkrank war und das er immer zu mir hielt egal was los war. Das Problem liegt nur darin, dass einige aus meiner Familie mir die Schuld an seinem Tod geben, weil sie der Meinung sind, dass ich einfach ein viel zu anstrengendes Kind war und er sich immer über mich aufgeregt hat ohne mir jemals etwas davon erzählt zu haben, weil er mich nicht verletzen wollte. Er habe angeblich immer hinter meinem Rücken gesagt, dass er das nicht mehr könnte, dass es für ihn so anstrengend wäre usw. (Tut mir Leid, Opa, dass ich das nun aufschreibe auch wenn die mich vielleicht angelogen haben und du sowas nie gesagt hast, aber niemand wird mir die Wahrheit sagen können, da du nicht mehr da bist. :'( )

Würde Jovanka noch leben dann hätte ich wenigstens eine Person die für mich da wäre und mich verstehen würde. Ich vermisse sie so sehr. Sie ist jetzt schon mehrere Jahre tot, aber ihre Handynummer habe ich immernoch in meinem Telefonbuch gespeichert und hin und wieder rufe ich sie noch an, weil ich hoffe, das sie doch rangeht. Ist das krank?

Ich sag immer wieder:
" Alleine zu sein, 3 Worte, leicht zu sagen und doch so schwer so endlos schwer zu tragen!"
"Als ich geboren wurde habe ich Augen zum sehen und ein Herz zum Leben bekommen. Doch keiner hat mir gesagt, dass ich mit den Augen weinen und mit dem Herzen leiden muss!"

Ich wünsche mir so sehr, dass es hier irgendwo jemanden gibt wie dich, Dana.. jemanden der mich versteht und versuchen würde mir unter die Arme zu greifen und mir mal etwas anderes sagt als ständig auf mir herum zu hacken.

Die Klinge wird in solchen schweren Zeiten zu deinem besten Freund, auch wenn du sie irgendwann hasst, aber du brauchst sie, weil du sonst nicht mehr weißt, ob du wirklich exestierst.

Warum kannst du mich hier nicht einfach rausholen!? Ich schaff das nicht......... ICH HASSE MICH UND MEIN LEBEN!!!

Sunny :'( (:D

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich, Sunny!

Hast Du die gestrige Feedbackschwämme gesehen? Als ich gestern Abend noch mal hier hereinschaute, warteten schon drei darauf, online gestellt zu werden. Wir sind alle bei Dir; und wir alle schicken Dir Kraft. Vielleicht macht es sich schon ein wenig bemerkbar.

Ich bin keine Psychologin, aber denke, dass es normal (wenn man von Normalität sprechen kann) ist, dass die schlimmen Gefühle verspätet über Dich kommen. In dem Moment scheinst Du Dich von Dir selbst entfernt zu haben; es ist mehr wie im Film passiert als Dir selbst. Jedenfalls stelle ich es mir so vor. Aber nach und nach kommt das Bewusstsein.

Ich kann Dir nicht erklären, warum es Dich so oft trifft. Weiß aber, dass Du nicht die einzige bist, die mehrfach Opfer wird. Und sie alle haben etwas gemeinsam: nicht die geringste Schuld.

Stell Dir mal eine Sommerwiese vor: Eine Klatschmohnblüte ist besonders rot und besonders hoch der Sonne entgegengewachsen. Wenn nun ein Junge mit einem Stock kommt, und sie niederschlägt - ist es dann ein böser Junge, der den schönen Anblick zerstört? Oder trägt der Mohn die Schuld, weil er so herausragend war? Diesen Vergleich habe ich gestern Abend in einem Buch gelesen.

Es ist ein gutes Gefühl, Dir so wichtig zu sein - aber es hat einen Beigeschmack: bin ich dem gewachsen? Jedes Mal, wenn ich Dir antworte, befürchte ich, die falschen Worte zu wählen, ein falsches Argumente anzuführen, die eigenen Gefühle zu sehr mit einfließen zu lassen... Das heißt nicht, dass ich mich zurückziehen will; auf gar keinen Fall. Aber mir ist schon bewusst, dass Du mehr brauchst, als den Kummerkasten. Mehr als eine Frau, die hier in ihrem Dachzimmer sitzt, Kaffee trinkt, nebenbei die Katzen füttert und sich Gedanken macht. Ich mache mir ernsthafte Gedanken, keine Frage. Und ich werde auch nicht, während ich hier tippe, auf den maunzenden Kater eingehen (der hat ohnehin immer Hunger) - aber kann es ausreichen?

Deshalb komme ich auch immer wieder auf die Klinik zurück - die Verantwortung allein kann ich einfach nicht tragen. Ich werde es so gut ich kann immer weiter machen, gerne weitermachen, mich über eine Mail von Dir freuen und mir wünschen, dass der Inhalt positiv ist. Aber wirklich helfen, Dich an die Hand nehmen, kann ich von hier aus nicht. Oder kann ich es doch? Im Moment kreisen meine Gedanken ziemlich um Deinen letzten Satz. Kann ich mehr tun?

Lass die Menschen um Dich hinter Dir. Dein Onkel, der Dich nicht ernst nimmt. Deine Mutter, die sich eine innere Mauer erbaut hat. Dein Vater, der die Dringlichkeit nicht wahrnimmt. Das ist im Moment Deine Welt - aber Deine Welt kannst Du verändern. Ich sage nicht, breche jeden Kontakt ab - aber ich sage: Geh und kümmer Dich um Dich. Was die anderen sagen, ist nicht die Wahrheit. Weder, wenn sie behaupten, Du trägst Schuld am Tod Deines Opas (völliger Unsinn), noch wenn sie behaupten, Du möchtest nur Aufmerksamkeit. Ja, Du möchtest sie - aber weil Du sie brauchst und nicht, weil Du wichtig sein willst. Ein großer Unterschied.

Jede große Klinik hat einen psychologischen Notdienst - dahin kannst Du Dich jederzeit und sofort wenden. Pack Deine Sachen und fahre dorthin. Du kannst Dich auch z.B. an den Weißen Ring wenden:

http://www.weisser-ring.de/bundesgeschaeftsstelle/index.php

Das schreibe ich nicht, weil ich Dich abwimmeln möchte - sondern weil ich weiß, dass die Menschen dort Dir besser zur Seite stehen können, als ich es kann. Sie sind ausgebildet und geschult. Über die Seite kannst Du die Beratungsstelle finden, die Deiner Stadt am nächsten liegt. Du kannst es; ich bin mir sicher. Fahre hin und erzähle von Dir und Deinem Leben, von den Veränderungen die brauchst, von Hilfe und Unterstützung - Du wirst sie bekommen.

Von dieser Klinik weiß ich, dass sie sehr gut ist:

http://www.burghof-klinik.de/

Vielleicht hilft es Dir, so eine Einrichtung im Blickfeld zu haben.

Auf die vielen Warum's gibt es wohl kaum eine Antwort. Warum ist Deine Mutter so? Vielleicht, weil sie es von ihrer Mutter so erfahren hat? Vielleicht weil sie voller Angst ist? Vielleicht, weil sie innerlich blind ist? Ich weiß es nicht und werde es wohl nie wissen. Aber um all diese Dinge geht es nicht. Es geht darum, dass Du es anpackst und den Mut, die Kraft zur Veränderung sammelst. Auch aus der Verzweifelung kann man Kraft wandeln - wenn Du weißt, es geht nichts anderes mehr. Ertrage nicht mehr, halte nicht mehr aus, nimm nichts als gegeben hin. Lasse niemanden mehr Dein Leben bestimmen. Sondern fahre in die nächste große Klinik, die Dich auch weiter überweisen kann, zum Weißen Ring, der Dir in der Therapieplatzsuche helfen kann und lerne, Dein Leben fest im Griff zu haben. Dein Leben, dass Du nicht aufgeben und hergeben sollst.

Ganz viel Kraft, Mut und Selbstliebe!
Dana