Problem von Niccolín - 19 Jahre

Essstörung - ich trau mich nicht Hilfe anzunehmen

Liebes Kummer-Kasten-Team!

Ich bin 19 Jahre alt und mir geht es seit knapp drei Jahren nicht sehr gut- Depression, Panikattacken, Angststörung, Belastungsstörung, Anpassungsstörung und Essstörung( Klingt mehr, als es tatsächlich ist).
Vor einem Jahr ist es mir so schlecht gegangen, sodass ich zweimal in einer Klinik war, jedoch bin ich das erstemal nach 1 Woche und das zweite mal nach 2 Wochen wieder herausgekommen, denn ich wollte mir einfach nicht helfen lassen und ich habe sowohl den Ärzten, als auch den Therapeuten nie meine wahren Gefühle, Ängste und Sorgen erzählt. Meine Eltern haben auch keine Ahnung, was in mir vorgeht, sie wissen nicht, dass ich die ganze Zeit abnehmen wollte, mich selbst verletzt usw. Mittlerweile habe ich gewichtsmäßig wieder extrem zugenommen. Habe wieder 42 Kg, fühle mich aber wirklich so unwohl, fühle mich fett. Ich habe auch zwei Jahre lang Antidepressiva geschluckt, doch vor drei Wochen habe ich sie abgesetzt, da ich extreme Nebenwirkungen hatte. Ich war auch circa 1 1/2 Jahre in ambulanter Behandlung bei einem Psychiater- vor einem Monat sagte ich ihm, dass ich nicht mehr kommen werde.
Ja, und jetzt geht es mir nicht gut. Essen ist eine einzige Qual für mich. Nach außenhin scheint es, als würde ich ein ganz normales Essverhalten haben, denn ich fühle mich mit meinen 42 kg wie eine dicke, unattraktive, hässliche Frau. Für mich ist es ungemein anstrengend, denn meine Gedanken kreisen 24 Stunden am Tag ums Essen, Kalorien und um mein Gewicht. Meine Eltern merken es zwar, wenn ich tagelang einfach nur ein Joghurt esse und dann einen Tag wieder normal usw., jedoch meinen sie, dass es daran liegt, weil ich keinen Hunger habe ...
Ich bin jetzt irgendwie sehr verzweifelt, weiß einfach nicht mehr was ich tun soll. Ich habe das Gefühl, als würde ich jetzt mehr oder weniger bereit sein Hilfe anzunehmen. Zu Hause halte ich es derzeit überhaupt nicht mehr aus, ich habe sehr große Probleme mit meiner Mutter usw. Ich möchte sogerne einfach weg, aber in einen geschützen Ort, wo ich Unterstützung bekomme.
Ich denke da an eine Klinik ... Es klingt so komisch und verrückt, dass ich \"freiwillig\" in eine Klinik möchte, oder ? Aber es sind nur Gedanken, wahrscheinlich kann ich diese nicht realisieren. Ich weiß nämlich, dass ich nicht zu meinen Eltern gehen werde und sage: \" Mama, Papa, ich möchte mir helfen lassen, indem ich mich stationär behandeln lasse.\" Das kann ich nicht machen. Ich denke mir dann sofort, dass sich meine Eltern denken, wieso will sie in eine Klinik, es sagt doch niemand, dass sie gehen soll. Jetzt tut sie so arm, möchte bemittleidet werden, es geht ihr doch nicht so schlecht, sie ist doch eh wieder normalgewichtig usw. Davor habe ich Angst ...
Meine Mutter sagt sehr oft zu mir :\" Es muss sich jetzt endlich einmal etwas ändern, du musst etwas tun, du kannst nicht andere Menschen für dich arbeiten lassen, du bist die einzige, die sich \"heilen\" kann, nur du alleine. Ärzte und Therapeuten können dich nur auf diesem Weg begleiten, aber nur, wenn du es zulässt und auch endlich einmal das tust, was man dir sagt. \" Mama hat total Recht damit. Auch was ich jetzt schreiben werde klingt sicherlich sehr eigenartig und blöd ... Einerseits wünsche ich mir so sehr Menschen, die mir dabei helfen, wieder so leben zu können, wie ich es früher getan habe, ohne Medikamente, ohne ständiges Nachdenken übers Essen, meinen Körper, ohne mein selbstverletzendes Verhalten usw. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass ich es schaffe mein SVV und Essstörung aufzugeben, denn das ist zu meinem Lebensinhalt geworden. Doch der Wunsch den Willen gesund werden zu wollen, der ist sehr stark, jedoch stelle ich mir die Frage, ob das alleine reicht ?
Meine Eltern haben schon sehr viel Geld meinetwegen ausgegeben, ich habe ein extrem schlechtes Gewissen deswegen, vorallem deswegen, weil es reine Geldverschwendung ist. Mein Problem ist, dass ich ihnen das nicht sagen kann, sondern einfach brav von einem Arzt zum nächsten, von einem Therapeuten zum nächsten, und dann viele neue Medikamente bekomme, die ich nicht nehme. Meinen Eltern spiele ich vor all das dankend anzunehmen, die Tabletten zu schlucken, das tun, was mir die Ärzte und Therapeuten nahe legen. Doch es ist einzige Lüge ... Ich hasse mich dafür. Mama und Papa machen für mich so unglaublich viel, und ich nehme es nicht an. Nach außen schon, sodass meine Eltern nicht sagen können:\" Du tust nichts, um gesund zu werden!\". Doch die beiden merken es allmählich, dass ich ein Spiel mit ihnen spieleIch schäme mich dafür, hasse mich, ich will so nicht sein! Meine Mutter sagte zu mir letzhin, dass sie soviel für mich tut, doch ich nehme die Hilfe einfach nicht an. Sie wird mir jetzt nicht mehr helfen, ich solle mir selbst helfen, wenn ich wirklich gesund werden möchte.
Derzeit bin ich bei einer Psychotherapeutin, die sehr nett ist. Ich gehe auch wirklich gerne zu ihr, denn diese hört mir zu, ist einfach da für mich, da bin ich einmal wichtig, nicht immer nur meine Geschwister, da geht es nur um mich-klingt total egoistisch, das ist schlimm, oder ? Diese Therapeutin gibt mir dann auch immer Tipps, die ich umsetzen sollte, doch das mache ich nicht. Das einzige, das ich tue ist reden und mich wohl fühlen bei ihr. Manchmal wünsche ich mir, dass sie mich einfach in den Arm nimmt und mir sagt, dass wir das irgendwie schaffen ... Ja, einfach nur festgehalten und umarmt werde, das wünsche ich mir wirklich so unglaublich ... Solange schon bin ich nicht mehr in den Arm genommen worden, meine Eltern geben mir Dinge, die man mit Geld kaufen kann, das ist aber nicht das, was ich brauche ... Nähe, Geborgenheit, Wärme, seelische Unterstützung, das fehlt mir. Aber ich kann nicht zu meiner Therapeutin sagen:\" Könnten Sie mich vielleicht jetzt einfach nur festhalten, bitte!\" Das schaffe ich nicht, auch wenn es genau das ist, was ich mir wünsche ... Ich bin vollkommen verrückt, was ich gerne hätte, oder, bin ich total abnormal ? Was ist es, das ich mich so sehr nach einer Umarmung sehne ?
Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll, wissen Sie vielleicht irgendeinen Rat ? Mir ist selbst klar, dass ich jetzt etwas verändern muss um nicht mehr dahin zu vegetieren , sondern um zu leben. Ich bin mir dessen bewusst, ich frage mich wirklich, was mich daran hindert ? Ich habe keine Ahnung mehr ... Was könnte es sein ?
Ich ertrage mein Leben nicht mehr, alles läuft schief, alles ... Es gibt nichts Positives mehr, alles ist so trist, hoffnungslos ...

Danke und einen lieben Gruß
Niccolín

Anwort von Andrea

Liebe Niccolín

Das klingt nach einem gewaltigen Balast, den du da mit dir herumzuschleppen hast.
Du scheinst auch schon eine Menge dagegen unternommen zu haben, leider nicht so erfolgreich, wie es für dich und Beteiligte wünschenswert gewesen wäre.

Ich kann gut dein Problem nachvollziehen, dass du dich sehr lange gegen die aktive Therapie gewehrt hast und jetzt vielleicht bereit wärst, jedoch scheint keiner diesen Moment außer dir wahrgenommen zu haben und du somit kein Angebot bekommen hast, jetzt aktiv etwas zu ändern. Ich kenne es selbst.
Vielleicht ist dein Leidensdruck, der oft durch das niedrige Gewicht und die somit fehlende Aufnahmefähigkeit um Gefühle zu empfinden nicht bemerkt wird, jetzt stärker geworden und du kannst spüren, dass die Essstörung und all die anderen Probleme dein Leben doch mehr belasten, als du vielleicht bis dahin gedacht hast.
Deine Essstörung ist sicherlich noch akut und massiv vorhanden, das kann man schon am Gewicht erkennen, aber auch daran, wie du deine Gedanken und Gefühle schilderst. Deswegen ist es meiner Meinung nach nicht verwunderlich, dass du jetzt etwas ändern möchtest.
Dein ganzer Tagesablauf scheint sich ja nur um das Essen zu drehen und was damit verbunden ist.. Das ist eine enorme Belastung.
So eine Belastung kann man irgendwann nicht mehr aushalten, nach 3 Jahren wird es einem zu viel, das ist nicht ungewöhnlich.
Ich finde es mutig und toll von dir, dass du dir eingestehst, dass du Hilfe brauchst und diese auch annehmen würdest. Du hast auch ein Recht darauf, du darfst Hilfe bekommen!
Freiwillig in eine Klinik zu gehen ? das klingt für mich nicht komisch, *g*, wie gut kenne ich das. 2Jahre hat man versucht mit zu überzeugen, ich wollte nie, jetzt war ich bereit und das war gut so, denn somit konnte ich auch etwas erreichen und verändern.
Deine Eltern würden nicht so denken, sicherlich nicht. Sie machen sich bestimmt täglich sorgen, haben vielleicht resigniert, dass du dir gar nicht mehr helfen lassen möchtest, und deswegen ist das Thema nicht mehr so aktuell. Ich bin mir sicher, sie wären so verdammt froh, wenn ihre Tochter endlich Hilfe annehmen könnte und wollte!
Und wenn es wirklcih nicht so wäre, du bist 19, das ist dein Leben, deine Entscheidung, deine Gesundheit, dein Körper, wenn du das willst, dann darfst du das wollen. Das ist dein Recht und deine (übrigens sehr vernünftige) Entscheidung.
Übrigens mit 19Jahren und 42kg normalgewichtig zu sein, da müsstest du ja unter 150 sein, damit das stimmen würde!
Schau an dem Zitat deiner Mutter lässt sich doch erkennen, dass sie auch der Meinung ist, dass du etwas verändern sollst. Alleine geht das bei so einer Erkrankung nicht, du brauchst Hilfe. Deswegen wird deine Entscheidung sicherlich positiv aufgefasst werden. Ganz bestimmt.
Ich gebe auch zu, dass der Wille das aufzugeben, was zum Lebensinhalt geworden ist, schon groß sein muss, doch auch ganz ehrlich, er wächst mit jedem Tag mehr, wo du ein wenig mehr gesund wirst! Glaub mir, durch die Hilfe anderer Menschen wird dein Willen wachsen können und so groß werden, dass du diese Krankheit überwinden kannst!
Würdest du krank bleiben, das wäre sicherlich nicht billiger, als eine Therapie zu bezahlen und dafür einem Menschen ein angenehmeres Leben zu geben. Außerdem wird eine stationäre Therapie von der Krankenkasse übernommen.
Schau mal im Internet und informiere dich über die Klinik Roseneck, Eos-Klinik Münster, Bad Bramstedt usw. da gibt es viele Kliniken die dir weiterhelfen können.

Schau doch auch mal bei hungrig-online.de

Alles Gute
Und kämpf für dich, du hast ein Recht darauf.
Andrea