Problem von Jule - 16 Jahre 21.08.07

Bin gegen Nazis aber in einen verliebt

Liebes Team,

da ich keinen passenden Ansprechspartner habe und auch selber keine Lösung finde, wende ich mich an euch. Vielen Dank dafür, dass es euren Kummerkasten gibt! :)

Es geht darum, dass ich bedingt durch einen Umzug in einer echten ?Nazistadt? gelandet bin. Hier gibt es kaum Ausländer und die, die es gibt, leben zurückgezogen in ihren Wohnungen. Man sieht ständig rumgröllende Glatzköpfe, und das hat wirklich nichts mir Vorurteilen zu tun, diese Stadt ist überfüllt von Rechtsradikalen, mit denen ich absolut NICHTS gemeinsam habe und auch nichts zu tun haben will.

In meiner Klasse und auch sonst in der Stadt gibt es zwei Gruppen, die Rechten und die Linken. Und das Problem ist, dass ich in beide nicht hineinpasse. Ich würde mich weder als Rechte noch als Linke bezeichnen. Ich bin einfach ich, fertig. Und ich möchte mich auch nicht den ganzen Tag mit Themen wie ?Ausländer, Nazis etc.? rumschlagen müssen.

Aber ich scheine mit meiner Meinung ziemlich alleine darzustehen, was dazu führt, dass ich keine wirklichen Freunde habe. Es sind alles mehr oder weniger Bekanntschaften, mit denen man ein wenig Smalltalk führt. Ich finde hier einfach nicht den Anschluss und Leute, bei denen ich mich wohl fühlen kann. Scheine völlig anders zu sein als der Rest.

Damit habe ich mich schon so mehr oder weniger abgefunden, aber es ist natürlich keinesfalls zufrieden stellend und wenn ich endlich mit der Schule fertig bin heißt es für mich nur noch weg von hier, und das so schnell wie möglich! Ich brauche einfach ?normale? Menschen, wenn ihr versteht was ich meine. Hier dreht sich alles nur darum, was man ist und welche Einstellung man gegenüber den Ausländern hat.

Vor ein paar Wochen habe ich einen Jungen kennengelernt, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Wir haben über Gott und die Welt geredet wie man das so sagt und ich hatte endlich mal das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, der zu mir passt. Und als zusätzlichen Pluspunkt finde ich ihn auch echt sehr süß. ;) Wir haben oft etwas zusammen gemacht und ich konnte mir gar nicht erklären, wie es in so einer lausigen Stadt so einen tollen Jungen wie ihn geben kann.

Aus unserer Freundschaft wurde schließlich mehr, ich habe mich richtig in ihn verknallt und kurz bevor wir fest zusammen kamen, erfuhr ich, dass er ebenfalls in der rechten Szene mit drin steckt. Das traf mich wirklich sehr! Ich hätte das einfach nie von ihm gedacht. Er ist so nett und lieb. Wenn ich mir vorstelle, dass er mitgröllt bei Liedern wie ?Ausländer raus? etc. wird mir schon schlecht.

Tja und ich jetzt stecke ich fest in der ?Soll ich, oder soll ich nicht?-Phase. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Auf der einen Seite bin ich so verliebt und glücklich ihn zu haben, aber auf der anderen Seite schreckt er mich plötzlich so ab. Ich weiß nicht, ob ich mit einem Menschen eine Beziehung eingehen kann, dessen Einstellung ich abscheußlich und menschenverachtend finde. Das passt doch nicht zusammen!

Soll ich unsere beinahe Beziehung beenden? Den Kontakt zu ihm unterbinden? Was soll ich nur tun. Ich fühle mich so hilflos wie noch nie. Das Schlimmste ist noch nicht einmal, dass er rechts ist. Für mich ist das Schlimmste, dass ich es ihm niemals zugetraut hätte. Ich weiß wie viele hier seine Einstellung teilen und ich habe mir gedacht ?Tja, was soll?s, mit denen hast du ja doch nichts zu tun?. Und jetzt verliebe ich mich in einen von ihnen?

Ich habe das Gefühl, dass ich überhaupt keine vernünftige Menschenkenntnis mehr habe. Ich fühle mich so schreclick verarscht, sorry, für die Ausdrucksweise. Es macht mich echt fertig. Ich kann nichts mehr essen und schlaufe kaum noch. Ich finde es so unfair. Da verliebe ich mich mal in einen super lieben und süßen Typen und er ist genau das, was ich eigentlich hasse! Schlechte Kombination würde ich mal sagen.

Wäre euch sehr, sehr dankbar für eine Antwort. Ich bin einfach zu sehr vor den Kopf gestoßen worden um noch sachlich und klar über die Sache denken zu können. Rat von außen wäre sehr nützlich.

Danke für die Aufmerksamkeit,
Jule