Problem von Anonym - 19 Jahre

Wrong way on a one way track

Tja, wo fang ich bloß an.

Vor etwa einem Jahr, hab ich festgestellt, das ich mich zu beiderlei Geschlechtern sexuell hingezogen fühle. Dieses Gefühl war zwar schon vorher in äußérst schwacher art und weise da, aber vor einem Jahr erst richtig "ausgebrochen". Im Prinzip ist ja nichts unnormales daran.
Ich jedenfalls hab mich mit diesem Wissen innen Schatten gezogen. Wollte nicht, das das irgendwer mitkriegt. Vielleicht um mich selbst zu schützen oder gar nicht erst auf dem Silbertablett zu servieren. Sowas ist ja immer nen gefundenes Fressen. Obwohl ja nichts daran unnormal ist. Aber was ist denn schon normal? Wenn man mit Normal meint, was man ist, was man denkt, was man sieht, was man hört, etc. dann ist Normal nichts weiter als eine stumme Betrachtung einer kollektiven Allgemeinheit ohne jegliche Aspekte von Inividualismus. Aus dieser Angst her, bin ich bis heute im Schatten der Wirklichkeit. Bin für die Gesellschaft normal, so normal wie die Gesellschaft es für richtig hält. Obwohl es falsches denken ist.

Naja, aus meinem neuen Bedürfnis heraus, hab ich dann auch versucht, Wege zu finden, mich mit gleichgesinnten auszutauschen, etc. Den Weg habe ich auch durch diverse Communitys gefunden.
Aber dann ist das passiert wovor ich noch mehr Angst hatte.
Ich habe jemanden kennengelernt (m), mit dem ich nicht nur einfach sex wollte. Dieser Jemand war anders als all die anderen die ich bis dato kennengelernt und mit denen ich "spaß" hatte.
Nach einigen Treffen musste ich eingestehen, das ich gewisse Gefühle für ihn empfunden habe. Aus unseren Dialogen heraus muss er wohl ähnlich denken und fühlen. Rein theoretisch ist das ja etwas wunderbares. Und ich fühl mich auch irgendwie glücklich. Aber die Umstände alleine reichen aus um mich wieder dahin zu fesseln wo ich eigebdlich hin sollte. Auf den Boden der Tatsachen.
Ich glaube nicht, das mein direktes Umfeld das so tollerieren könnte. Und davor habe ich auch Angst. Ein weiterer Grund warum ich jenseits der Offiziellen Version lebe. Offiziell bin ich nen lustiger kleiner Vogel der noch voll mit Hormonen steckt und alles nagelt das sich hinten anstellt. Aber Inoffiziell bin ich ein mensch der zur Zeit nicht weiß was er sich selbst damit antut geschweige denn weiß wie er damit jetzt umgehen soll.

Mit der Zeit wurde das Bedürfnis, endlich auch jenseits des Schattens, frei zu leben, immer größer. Aber durch mein gutes Selbstbeherrschungstraining konnt ich dieses Bedürfniss vorerst noch kontrollieren. Sollte das Bedürfnis mich kontrollieren, tja, dann Gute Nacht.
Auf jeden Fall war ich mit meinem Bruder ist ein paar Kumpels gestern inner Kneipe. WAr zwar mitten inner Woche, aber mein Bruder bat mich darum mitzukommen (andere Gründe, irrelevant). Naja, passte sich ja im Prinzip recht gut. Immerhin wollte er einen trinken, ich ja auch, und wenn man betrunken ist, verliert man ja natürlicherweise gewisse Hemmungen.
So kam es, das ich dann im Laufe des Abends meinem Bruder alles erzählt habe. Von Anfang bis Ende.
Er schien mir sichtlich geschockt. Wusste nicht damit umzugehen.
Naja, er hatte es ja noch leicht. Er musste nur zuhören. Ich hingegen durfte ja alles erzählen. Meiner Meinung nach ne Ecke härter ....

Bisher wissens nur 4 unbeteiligte Leute, meinen Bruder mit eingeschlossen ...

Und ich weiss jetzt nicht wie ich mich verhalten soll. Immerhin weiss mein Bruder jetzt über alles bescheid. Und genau das ist das Problem. Pausenlos mach ich mir Gedanken darüber, was mein Bruder darber denkt.
Das einzigste was mich dann wieder außem Keller holt ist der Gedanken an meine Bekanntschaft.

Nie hätte ich auch nur davon geträumt, jemals Gefühle, ähnlich der Liebe, für jemanden vom gleichen geschlecht zu entwickeln.
Aber nun ists so. Fühl sich zwar schön und zugleich wieder beängstigend an.

Und ich weiss jetzt absolut nicht weiter ....
Ich weiss nicht mehr was jetzt richtig und was falsch ist.
Ich weiss ja nicht mal mehr warum ich nicht einfach sämtlichen Kontakt mit ihm abbreche, die Communitys nicht mehr betrete, und mich nur noch mit Frauen beschäftige.
Nur ob das richtig oder falsch ist, weiss ich beim besten Willen nicht.
Jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, wo all mein Wissen, all meine Erfahrung, all meine Reife und alles was ich kann, völlig nutzlos ist. Denn all das hilft mich nichtmal ansatzweise in meiner jetzigen Situation.
Aber vielleicht eure Antwort.

Danke

Anwort von Sabine

Hallo!

Ich sage immer, wer Angst hat, der verliert.
Du schreibst von Gefühlen die Du jetzt erkannt hast und zum Teil gelernt hast zu akzeptieren und kannst wahrscheinlich gut damit umgehen. Deine Sorge liegt vielmehr in Deinem Umfeld.
Ich kann mir denken, dass Dein Bruder geschockt ist, aber ich denke nicht, dass es ihn von Dir entfernen wird.
Du hast mit ihm im besoffenen Kopf darüber gesprochen. Vielleicht sprichst Du jetzt noch einmal im nüchternen Zustand mit ihm. Es scheint Dich sehr zu verunsichern nicht zu wissen, was er denkt oder was in ihm vorgeht. Vielleicht die Angst ihn zu verlieren? Ich weiß es nicht. Wichtig ist jetzt, dass Du mit ihm offen und ehrlich sprichst. Vielleicht ergibt sich diese Gelegenheit recht bald wieder. Dein Bruder wird mit Sicherheit seine Zeit gebraucht haben um zu verstehen, was in seinem Bruder vorgeht.
Du hast ganz Recht, es ist nicht unnormal sich zu beiden Geschlechtern hingezogen zu fühlen. Vielen Menschen geht es so und sie brauchen lange Zeit um zu erkennen, welches Geschlecht im Endeffekt siegt.
Bei Dir ist es ein Mann und warum sollte es Dir jetzt nicht erlaubt sein glücklich zu sein. Wahrscheinlich lebst Du in einem Umfeld, die sich sehr schwer damit tun dieses zu akzeptieren. Aber fragen die Dich denn auch,wenn die sich verlieben? Kümmern die sich mehr um Dein Leben als um ihr eigenes? Wenn Deine Freunde und Bekannte Dich aufgrund Deiner Gefühle zu diesem Mann ausschließen sollten, dann frage ich mich wirklich, was das für Freunde sind. Wenn sie Dich lieben und mögen, wie Du bist, dann werden sie auch das annehmen können. Es verändert deswegen doch Deinen Charakter nicht, den sie so schätzen gelernt haben. Denk einmal darüber nach. Jeder Mensch lebt sein eigenes Leben und es ist nicht fair den anderen zu kritisieren, nur weil er seine eigene Lebensweise hat. Ich weiß, dass es trotzdem viele Menschen machen, aber es sollte Dich nicht daran hindern glücklich zu werden. Warum solltest Du Dein Leben auf die Meinungen der anderen einstellen? Ich denke nicht, dass Du glüclich werden könntest mit einer Frau, nur weil die anderen es von Dir verlangen. Die Gefühle für diesen Mann sind da und Du sprichst sogar von tieferen Gefühlen. Jeder Tag vergeht und kommt nicht wieder. Du solltest die schönen Stunden und die Zeit mit ihm nutzen. Die, die Dich mögen, wie Du bist, die werden auch lernen das zu akzeptieren. Es kostet natürlich Mut sich zu stellen und den anderen zu sagen: das bin ich und das empfinde ich, aber Du hast mit Deinem Bruder darüber gesprochen und somit eigentlich den ersten Schritt getan. Noch 3 weitere Menschen wissen davon. Und? Sind sie gegangen oder bei Dir geblieben? Versuche Dein Leben im Auge zu behalten. Dich und Deine Gefühle auf die Du ein Recht hast. Es ist Dein Leben und Du lebst es für Dich und nicht für die anderen. Ich gönne Dir von ganzem Herzen, dass Du glücklich wirst. Ob mit Mann oder Frau. Du hast ein Recht darauf und solltest es auch wahrnehmen. Schau nicht immer nach den anderen. Für sie ist es vielleicht unbetretenes Land und wird es vielleicht auch bleiben, aber wenn sie Dich wirklich mögen, dann werden sie Dich auch akzeptieren wie Du bist. Ob so oder so. Lass Dir Dein Glück nicht durch das Gerede der anderen kaputt machen.

Lieben Gruß.