Problem von Larissa - 20 Jahre

Jüdischer Glaube

Ich habe seit Jahren ein Problem - ich bin Jüdin und kann es niemandem erzählen. Meine Mutter ist jüdisch, mein Vater Christ, ich bin sehr "modern" aufgewachsen - wir haben zwar immer kosher gegessen (und ich habe bei anderen Leuten immer gesagt, ich sei Vegetarier) und jüdische Feiertage gefeiert, ich bin mit meiner Mutter vielleicht 10x im Jahr in eine Synagoge gegangen, aber mehr hatte ich mit dem Judentum nie zu tun.
Meine Mitschüler in der Schule wussten nie, dass ich jüdisch bin, ich konnte es ihnen nie sagen, da ich mich geschämt habe, ich hatte Angst vor dummen Kommentaren, Ausgrenzung oder politischen Diskussionen. So wussten es immer nur meine engsten Freunde.
Nun bin ich fürs Studium umgezogen und alles scheint sich zu verändern. Dadurch, dass ich am neuen Ort fremd bin, ist mir das Judentum plötzlich recht wichtig geworden, ich besuche so oft ich kann die Synagoge und meine Freunde am Studienort sind bis auf eine Ausnahme alle jüdisch. In der Uni habe ich nur mit Christen zu tun und traue mich nicht, mich zu outen, denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute einen hinterher nicht mehr so behandeln, wie vorher - die meisten distanzieren sich plötzlich, viele scheinen "Angst" vor einem zu haben und andere finden einen plötzlich so toll, dass man sie nicht mehr loswerden kann. Ich fühle mich aber oft sehr fehl am Platz und fremd und im Grunde habe ich keine Lust mehr, diesen Teil von mir immer verstecken zu müssen.
Nun habe ich zweimal einen Versuch gestartet und Kommilitonen aufgeklärt, aber die Reaktion hat mich verärgert, denn beide Male begegnete mir ein: "Seit wann?" oder ein: "Wann bist du denn konvertiert?", was mich verletzt hat und dazu führte, dass ich den Drang verspüre, mich weiter zurück zu ziehen und gerade ein sehr negatives Christenbild entwickele. Warum reagieren Christen so? Weil mein Name nicht typisch jüdisch ist? Weil ich ich keine Hakennase habe? Weil meine Haare nur braun und nicht pechschwarz sind? Weil ich keine Röcke trage? Ich verstehe sowas einfach nicht. Können Sie mir erklären, warum Menschen so reagieren?

Anwort von Pavel

Grüß Dich, Larissa!

Ich bin zwar nicht in deiner Situation, vertrete aber trotzdem die Meinung, dass es sich hier um Vorurteile handelt: Vorurteile deinerseits.
Ich selbst habe Bekannte, die jüdischen Glaubens sind. Natürlich lassen sich immer intolerante Menschen finden, die Vorurteile haben, was das Judentum betrifft. Aber die anderen Relegionen müssen auch damit leben. Und solange du nicht versuchst, deinen Glauben zu verbreiten, wir sich auch niemand von dir abwenden. Wenn du als Mensch und nicht als "Gläubige" auftretest, werden dich die Menschen so akzep- und respektieren wie du bist.
Ich selbst habe Deutschland bisjetzt als ein sehr tolerantes Land kennengelernt, schließlich leben wir ja nicht mehr im Jahr 1940. Steh zu deinem Glauben und sei selbstbewusst. Selbstbewusste Menschen sind immer überall willkommen.

Alles Gute!
LG, Pavel