Problem von Anonym - 40 Jahre

Freundschaft mit Grenzen die ich nicht mag

Hallo zusammen,
in meinem Kopf jagen sich ein und diesselben Gedanken und auch, wenn ich schon über genügend Lebens- und Liebeserfahrung verfüge, weiß ich einfach nicht mehr weiter - und wende mich an euch:

Vor einem Jahr habe ich einen viel jüngeren Mann (25, jetzt fast 26) kennen gelernt. Da ich privat Einladungen am PC gestalte und aktiv in unserem kleinen Ort viele Kontakte zu 20 bis 70 Jährigen pflege, entwickelte sich sein Auftrag zur Gestaltung seiner Partyeinladung zu einer richtig guten Freundschaft mit vielen Unternehmungen angefangen bei regelmäßigen SMS, Telefonaten, Kaffee und Bierchen trinken, gemeinsamen Partybesuchen und... und... und. Wir haben festgestellt, dass wir viele gemeinsame Einstellungen und Geschmäcker haben und uns supergut verstehen. Dort, wo es Unterschiede gibt, ergänzen wir uns durch Erfahrungsaustausch.

Im Januar hatte er einen schweren Autounfall, so dass wir dann ca. 2 Monate täglich zusammen zur Arbeit fuhren. Erst hatte ich ihn immer kurz vor der Abfahrt nur abgeholt, doch nach kurzer Zeit verabredeten wir uns immer eine halbe Stunde früher um noch zusammen einen Kaffee zu trinken. In diesen zwei Monaten haben wir auch für mich nicht alltägliche Sachen unternommen, z. B. ein Musicalbesuch (nur wir beiden alleine) und ein Rockkonzert zusammen mit seinen Freunden. Dann kam der Tag, an dem er sein neues Auto bekam - und ich in ein tiefes dunkles Loch gefallen bin. Ich bemerkte ein Gefühl für ihn, was ich nie erwartet hätte: Ich vermisste ihn so doll, dass es schon an Liebeskummer grenzte und dachte, mein Herz zerspringt. Verrückt wie alles war, befürchtete ich, ihn "verloren zu haben" und das, obwohl wir uns nie näher gekommen sind, kein Kuss, kein Sex, nur die üblichen Begrüßungsumarmungen.

Nach einer gewissen Zeit fand ich aber mit seiner Hilfe den Boden wieder unter den Füssen. Denn ich sagte ihm direkt, dass ich ihn total vermisse und Angst hätte, dass wir uns nicht wiedersehen (von meiner vermeintlichen Verliebtheit habe ich ihm bisher nichts gesagt). Er hat mich damals beruhigt, dass ich keine Angst haben brauche und einmal sagte er sogar, dass er mich lieb hätte. Dies aber nur einmal und es liegt schon 5 Monate zurück.

Zwischenzeitlich haben wir mal Pause gemacht, uns gestritten, eine teilweise distanzierte Kumpelschaft gepflegt. Der SMS-Verkehr ist fast eingeschlafen: Er meldet sich nur, wenn irgendetwas ansteht. Die Anrufe beschränken sich auf Terminabsprachen und nicht mehr auf "nur so". Wenn ich beruflich Homeoffice mache und er frei hat, kommt er zum Frühstück, wenn ich ihn um ein Treffen bitte, sagt er zu und verbringt seine Zeit mit mir. Das ist alles schön und gut, aber irgendwie einseitig, denn jeder Schritt kommt von mir und ich bin zu ungeduldig, die Finger von meinem Handy zu lassen und auf ein Lebenszeichen von ihm zu warten. Obwohl ich mich ja schon gebessert habe und seit fast zwei Monaten nur noch smse, wenn etwas besonderes anliegt.

So weit, so gut. Jetzt kommt mein Problem: Letzten Mittwoch haben wir zusammen den Abend verbracht, d. h. für uns viel reden, rauchen, Kaffee trinken. Zwischen dem üblichen Smalltalk habe ich ihn auch direkt einmal darauf angesprochen, warum er sich nicht mehr "einfach nur so" meldet und ob irgendein Gespräch an mir vorbei gegangen sei und ich eine Abmachung irgendwie verdrängt hätte. Das ist aber nicht der Fall, er denkt einfach nicht dran, grundlos zu smsen. Okay, scheinbar ist dies normal und natürlich kann ich damit leben, obwohl meine weibliche Eitelkeit sich angekratzt fühlt. Aber dies ist reine Nebensache. Wenn wir aber so zu zweit alleine sind, dann habe ich das große Bedürfnis nach Nähe und Zärtlichkeit und in manchen Momenten muss ich mich schwer bremsen um nicht den Versuch zu unternehmen, ihn einfach zu küssen. (Hierzu kenne ich nämlich nicht seine Bedürfnisse; dies ist ein Tabuthema: Er hasst Gefühlsduselei und ist kein Mann großer Worte; sein Verhalten lässt aber auch keine Schlüsse zu.) Tief in meinem Inneren möchte ich also mehr wie eine Freundschaft, gehe aber kein Risiko ein um ihn nicht zu verlieren. Ich weiß nicht, was er will: Einerseits möchte er - so weit ich ihn verstanden habe - eine Freundschaft ohne Probleme und Intensität, Freiheiten und vielleicht ein Leben ohne mich, andererseits stimmt er jedem Treffen zu, nimmt sich alle Zeit der Welt für mich und geht sehr sensibel mit mir um, sammelt gemeinsame Fotos von uns und lässt mich an seinem Leben teilhaben. Nun haben wir zwei Verabredungen in naher Zukunft und ich möchte einerseits meiner Zerrissenheit ein Ende setzen, denn dieses Hin und Her in meinem Kopf macht mich krank: Irgendwie laufe ich ihm hinterher indem die Initiative für das am Leben erhalten unserer Freundschaft größtenteils von mir kommt und in Zeiten der Funkstille mich Selbstzweifel, Verlustängste und Wut heimsuchen und mein weibliches Gedankengut aus sinnlosen Spekulationen und Interpretationen beherrscht wird. Hinzu kommt während dieser Zeit des Wartens auf ein Lebenszeichen von ihm, dass ich meinen Terminplan heimlich so einrichte um jederzeit ein Treffen mit ihm einschieben zu können. Albern, aber ich kann oder will ich nicht? nichts dagegen tun. Tausendmal habe ich mir schon gesagt: Na, wenn er mich nicht will und sich nicht bei mir meldet, bin ich ihm halt nicht wichtig und er hat mich nicht mehr lieb. Okay, dann eben nicht, schließlich gibt's genug andere Menschen. Dann trenne ich mich innerlich von ihm und mir gehts sogar gut dabei. Höre oder sehe ich ihn dann wieder, sind all diese guten Vorsätze Schnee von gestern, meine Ameisen im Bauch wachen wieder auf und ich bin total glücklich und schimpfe mich einen Pessimisten und eine blöde gefühlsduselige Kuh. Das kostet Kraft und Nerven, deshalb habe ich eigentlich einen Plan geschmiedet: Ich warte unsere erste der beiden anstehenden festen Verabredungen ab ohne mich zwischenzeitlich bei ihm zu melden (außer kurz davor wegen Bestätigung von Zeit und Ort), fange das Meeting entspannt mit Smalltalk u.ä. an und in einem dieser regelmäßigen zuverlässig aufkommenden Momenten, wo er diesen einen bestimmten Blick hat oder auch die weniger, aber doch ersichtliche Schwäche zeigt und gefühlsmäßige Fragen stellt, riskiere ich das "Spiel mit offenen Karten" und gestehe ihm meine Bedürfnisse und Wünsche. Rein theoretisch gibt es nur zwei Möglichkeiten: Ja oder Nein. Bei Ja heißt es genießen, bei Nein heißt es Seelenfrieden. Lieber Kummerkasten, die objektive Meinung eines Dritten ist für mich wichtig um den Boden unter meinen Füßen wieder zu finden und auch mich selbst. Und ich liege doch nicht falsch damit, dass eine Freundschaft zwischen Frau und Mann eigentlich nur möglich ist, wenn man sich "ausgeliebt" hat - ansonsten doch immer der Reiz von Zwischenmenschlichkeit und Sexualität besteht und gerade Männer, die ja ihren Ursprung im "Jäger" liegen haben, eher zu einer "Affäre/Onenightstand/sexuellen Beziehung" neigen als zu einer platonischen Liebe? Es wäre sehr schön, wenn ihr mir antworten könnt und mir dabei helft, Licht in meine dunkle Gefühlswelt zu bekommen. Vielen Dank.

Anwort von Sabine

Hallo!

Ich möchte fast behaupten, dass ich Deiner Mail entnehmen kann, dass Du Dich verliebt hast. Die Ameisen, die Sehnsucht, ihn vermissen und und und. Das alles spricht sehr dafür, dass da noch viel mehr ist als nur ein Kumpel, der ihm gegenübersteht.
Eine Freundschaft zu führen, wenn einer liebt, ist sehr schwierig. Ich möchte fast behaupten unmöglich. Du stellst selber fest, dass es Dich immer wieder verletzt, wenn er sich nicht meldet, Du seine Aufmerksamkeiten nicht bekommst, die Du ihm schenkst.
Vom Kopf her bist Du schon auf dem richtigen Weg. Die entscheidene Fragen magst Du nicht stellen, denn ich denke, dass Deine Angst ihn zu verlieren viel zu groß ist. Du müßtest damit rechnen, dass er geht und das könnte Dich verletzen. Trotzdem bin ich der Meinung, damit Du wieder zur Ruhe kommen kannst, Deinem Verstand zu folgen. Herz und Verstand kämpfen bei Dir ganz schön heftig.
Ziemlich lange geht es jetzt auf und ab und Du hast es Dir schon bald zur Lebensaufgabe gemacht irgendwie mit Ach und Krach Kontakt mit ihm aufzunehmen. Ich finde, Du solltest Dich davon befreien und Klartext reden, damit es wieder ruhiger wird in Deinem Bauch. Entweder genießen oder Seelenfrieden. Du hast es schon richtig beschrieben. Du wirst nicht zur Ruhe kommen, wenn Du Dir jetzt nicht den freien Lauf gibst.
Ich finde, Du solltest bei der nächst besten Gelegenheit mit ihm sprechen. Ihm sagen, was in Dir vorgeht, damit es weiter vorangeht. Im Moment dreht ihr euch einfach nur auf der Stelle und Dir scheint es nicht gut zu tun. Du kennst ihn und weißt, wovon er nichts hält, aber Du solltest Dich damit nicht quälen. Du akzeptierst ihn, aber es tut Dir im gleichen Moment weh, weil er keinen Schritt auf Dich zumacht.
Sprich mit ihm im passenden Moment und falls es erforderlich sein sollte oder so kommen sollte, löse Dich von ihm. Ich weiß, dass ist nicht das, was Du hören wolltest, aber es wird Dir mit Sicherheit nach eniger Zeit besser gehen. Vielleicht braucht er diese klare Ansage auch und Du kannst etwas in ihm wecken, was er bisher versteckt hat. Keine Ahnung, aber Du solltest es darauf angekommen lassen, damit es Dir bald wieder besser gehen kann.
Deine Angst kann ich nachvollziehen, aber trotzdem hoffe ich, dass Du verstanden hast, was ich Dir damit sagen möchte. Sprich mit ihm und sei ehrlich. Kein Schauspiel mehr und keine versteckten Gefühle mehr, denn sonst drehst Du Dich in Monaten noch auf der Stelle und ich bin mir sicher, es wird Dich nur noch mehr verletzen. Er weiß nicht, was in Dir vorgeht. Er ahnt es vielleicht, aber wissen kann er es nicht. Manchmal brauchen Männer eine klare Ansage. Sie ziehen sich dann gerne mal zurück. Lass es ruhig zu und wenn Du mit ihm gesprochen hast, dann gib ihm auch die Zeit wieder auf Dich zuzukommen. Wegen meiner versteck Dein Handy, damit Du keine SMS an ihn danach schicken kannst, aber lass ihm nach Deinem Outing die Chance auf Dich zuzukommen, damit Du Klarheit bekommen kannst und es Dir recht bald besser klingt.
Ich weiß, es ist viel, was ich Dir da rate. Viel verlangt, aber ich denke, es ist einfach das Beste für Dich.

Lieben Gruß.