Problem von Benjamin S. - 24 Jahre

Endlosschleife im Kopf - Gedanken

Sehr geehrtes Team,

durch einen Freund bin ich auf Ihre Seite gestoßen und möchte zunächst ein positives Feedback abgeben, weil ich Ihre Arbeit wirklich toll finde und Sie mit Sicherheit schon vielen Mitmenschen helfen konnten!

Zu meinem Problem:
Ich habe in letzter Zeit - oder eigentlich schon seit vielen Monaten - immer wieder Endlosschleifen in meinem Kopf, die mich wirklich sehr stark belasten.
Aber: es handelt sich hierbei - unverständlicherweise - um vollkommen irrelevantes Zeug, was mich noch mehr in Verzweiflung zieht, da eine Menge an Lebensfreude verloren geht, obwohl ja gar kein Problem vorliegt bzw. vorlag!!!

Ich weiß nicht, ob ich vielleicht an einer Depression erkrankt bin, allerdings geht es mir soweit ja in Ordnung - es gibt also keinen Grund für eine solche Erkrankung.
Liegt es vielleicht am Druck?
Hat einer ähnliche Erfahrungen gemacht?
Falls ja: wie kann ich das wieder loswerden?

Ich werde nächste Woche nach Kanada fliegen und dort auch arbeiten - ein Lebenstraum von mir. Ich sehe mich über kurz oder lang ohnehin in Übersee!
Kann es sein, dass mich das alles dann doch irgendwie belastet? Merken tue ich das nicht unbedingt, bin aktuell eher auf Vorfreude gepolt und nicht auf Stress.
Also die Sorge, ob auch alles so funktionieren wird, wie ich mir das vorstelle. Angst vor der Zukunft könnte man vielleicht sagen.

Zum Problem zurück:
Ich versetze mich in abgeschlossene Situationen hinein und ärgere mich beispielsweise, warum ich nicht anders reagiert habe. Das kann sich auf einen kleinen Streit beziehen; auf eine alltägliche Situation; auf einen Spruch, der mich geärgert hat oder einfach auf einen Joke, den einer mit mir gemacht hat.

Alles nichts weltbewegendes, teilweise bewege ich mich indes recht weit in die Vergangenheit zurück - wir sprechen von mehreren Jahren!!!

Was stimmt nicht mit mir?!
Ich meine:ich mache mir das Leben selbst zur "Hölle", obwohl ich das gar nicht möchte.

Vielen Dank im Voraus,

Benjamin

Marie Anwort von Marie

Lieber Benjamin,

es könnte evtl. sein, dass du an einer seltenen Form der Zwangsstörung leidest, dem sog. zwanghaften Grübeln.
Du bist mittlerweile wahrscheinlich in Kanada - hat sich seitdem etwas geändert? Ich könnte mir vorstellen, dass diese Gedanken deswegen verstärkt auftreten/ aufgetreten sind, um dich von unangenehmeren Dingen wie der Angst vor der Zukunft abzulenken (möglicherweise unbewusst). Denn eigentlich gäbe es derzeit genügend andere "wichtigere" Sachen, über die du dir Gedanken machen könntest.
Ich kenne das, was du beschreibst, recht gut - bei mir lassen diese Gedanken über bereits abgeschlossene Situationen jedoch nach, wenn es andere Dinge im Leben gibt, die meine volle Aufmerksamkeit beanspruchen.
Die Situationen, die du beschreibst, erscheinen mir keineswegs irrelevant - es sind Situationen, in denen dein Selbstwertgefühl in irgendeiner Form angegriffen wurde (z.B., wenn du im Nachhinein denkst, dass du einen Fehler gemacht hast und dass du anders hättest reagieren müssen, oder wenn jemand sich einen Spaß auf deine Kosten erlaubt hat). Kann es sein, dass es damit etwas zu tun hat?
Vielleicht hilft es dir, mit den Gedanken an diese Situationen folgendermaßen umzugehen: Überlegen, ob dir das Nachdenken über diese Situation etwas für die Zukunft bringen könnte (z.B., aus einem Fehler zu lernen). Wenn ja, überlege dir, was du anders hättest machen können und nimm es dir für die nächste ähnliche Situation so vor: "Wenn ich wieder in so eine Situation komme, werde ich..." Wenn du von vornherein weißt, dass dich das Nachdenken nicht weiterbringen wird, du es aber trotzdem nicht abstellen kannst, dann versuche, wenigstens noch einmal nachzuvollziehen, warum du damals so gehandelt hast. Es gab Gründe dafür und diese Gründe solltest du verstehen und akzeptieren lernen. Sei dabei nicht zu streng mit dir selbst.
Vielleicht hilft es dir auch, dir eine Art "Ersatzthema" (oder mehrere) zu suchen - am besten etwas, worüber es sich deiner Meinung nach lohnt, nachzudenken und das du immer dann aktivierst, wenn sich andere Gedanken gegen deinen Willen aufdrängen. Das klappt am Anfang vielleicht nicht immer, aber man kann es trainieren.

Wenn das nicht hilft und die Gedankenschleifen dich weiterhin so stark belasten, würde ich dir empfehlen, dir psychologische oder psychotherapeutische Hilfe zu suchen.

Liebe Grüße,
Marie