Problem von Anonym - 19 Jahre

Bin ich anders?

Guten Tag. Es fällt mir schwer, darüber zu reden. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber etwas belastet mich. Schon lange. Seit ich denken kann, hatte ich Ziele. Diese Ziele waren aber nicht meine eigenen, sondern nur etwas, was ich machen ?musste?. Schule war für mich alles. Ich bin immer noch ein sehr guter Schüler, doch beginnt man natürlich irgendwann, seine Ziele infrage zu stellen. Ich analysiere mich schon seit längerem selbst, da es mir so vorkommt, als ob ich irgendwie neben dieser Welt lebe. Ich fühle mich total fremdgesteuert. Ich bin zwar ziemlich beliebt und erfolgreich, doch gibt mir das keine Befriedigung. Ich benehme mich nur so, weil ich herausgefunden habe, wie ich mich bei Menschen beliebt machen kann. Wie ich mich sozial benehme und integrieren kann. Ist das bei jedem so? Oder ist das intuitiv? Das ist es bei mir nämlich oft nicht. Manchmal fühle ich mich, als hätte ich gar keine Identität. Was bedeutet Identität? Ich stelle alles in Frage und habe manchmal das Gefühl, die Welt mit ganz anderen Augen zu sehen.
Ich bin ein Faktenmensch. Ich kann alles und jeden analysieren, nur bei mir selbst fällt es mir schwer. Tut mir leid, dass ich hier keine Gliederung reinbringe, doch ich schreibe einfach nur so frei von der Leber weg.

Ich habe kaum Erinnerungen an meine Kindheit. Ich weiß nicht, ob das normal ist, schließlich erinnere ich mich auch schlecht daran, was ich vor 2 Wochen gemacht habe. Da haben wir es wieder: Ich habe keine Vergleiche. Vielleicht rede ich mir auch nur ein, dass ich anders bin. Schließlich habe ich keine konkreten Probleme. Ich lebe einfach und hoffe, dass ich eines Tages die komplette Lebensfreude spüre. Ich bin auch jetzt nicht unglücklich. Ich treffe mich gerne mit Freunden, aber irgendwie kommt es mir vor, dass sie mehr Spaß haben als ich. Ich habe keinerlei Einfühlungsvermögen, da ich den Mensch als solchen nicht erfasse. Ich glaube, dass ich Emotional sehr große Schwächen habe. Viel gefühlt habe ich noch nie. Vielleicht nennt man das auch einfach Ausgeglichenheit, doch habe ich das Gefühl, dass das Leben mehr zu bieten hat.

Des weiteren habe ich eine sehr schwierige Sexualität. Ich weiß noch, dass ich früh angefangen habe, mich für meinen Penis zu interessieren. Das müsst so in der 2ten Klasse gewesen sein. Ich habe natürlich alles mögliche ausprobiert und hatte auch einen Freund, mit dem ich darüber geredet habe.

Ich habe selten, nur in Situationen, in denen ich mich sehr geborgen fühle (abends im Bett) Lust auf Sex. Leider kann ich aber diese Lust an keinem Objekt festmachen. Ich stehe nicht wirklich auf Frauen. Auch auf Männer nicht. Mein sexuelles Bestreben startet sporadisch und endet im nichts. Es stört mich nicht so, doch finde ich es auch schade. Schließlich wäre ich gerne normal.

Ich masturbiere auch nicht. Ich verspüre keine angenehmen Gefühle dabei. Manchmal habe ich freuchte Träume. Häufig nach sehr merkwürdigen Träumen, an die ich mich schlecht erinnern kann. Oft spielt Vergewaltigung dabei eine Rolle.

Ich lebe gerne. Ich weiß, dass es man manchmal die ganze Welt umarmen könnte und manchmal geht es einem halt schlecht. Hormone, Ereignisse, alles Faktoren. Manchmal denke ich mir aber auch, dass es gar keinen Unterschied machen würde, wenn ich jetzt sterben würde. Ich habe irgendwie eine schlechte Beziehung zu mir selbst.

Meine Hauptfrage ist jetzt allerdings: Bilde ich mir das nur ein? Ist jeder Mensch so? Es funktioniert ja alles. Ich habe Interessen und Hobbies, Freunde und Erfolg. Das bin ich. Nur manchmal fühle ich mich, als ob ich nur so lebe, weil andere so ein Leben anstreben. Ich kenne meine Wünsch nicht, ich brauche permanent Bestätigung von außerhalb. Sollte ich vielleicht mal zu einem Psychologen gehen, oder bin ich normal?

Bernd Anwort von Bernd

Hallo Unbekannter,

zuerst meine Antwort auf Deine letzte Frage:

den Rat eines Psychologen einzuholen und gleichzeitig normal zu sein schließt einander nicht aus!
Du solltest es tun, obwohl ich Dich für völlig normal halte.
Was ist schon "normal".
Nicht einen Deut mehr, als "einer Norm entsprechend".
Du bist intelligent genug um zu erkennen, dass eine Norm nur ein "kleinster gemeinsamer Nenner" sein kann. Wichtig! Aber nicht "allein seelig machend".
Und Du hast auf jeden Fall Recht: Das Leben hat mehr zu bieten.
Für mich persönlich gehört Dein "Dich selbst infrage stellen" dazu, in Deinem Leben einen eigenen Weg "ins wirkliche Leben" zu finden.
Für mich sind Deine Selbstzweifel ein richtiger Ansatz.
Lasse es nicht zu, dass sich diese Zweifel verselbständigen und Dein Leben beherrschen.
Suche die Antworten bei Menschen, die intellektuell auf Deiner Stufe stehen und fachlich in der Lage sind, Deine Fragen in die richtige Richtung zu bringen, so dass Du die für Dich richtigen Antworten darauf findest.
Für mich kommen da ohne Wertung gleichermaßen Psychologen, Philosophen und Geistliche in frage.
Wenn Du selbst Deine Zeilen nicht als eloquentes Geschwafel verstehst, mit dem Du Dich selbst und mich beeindrucken willst,
dann ist es das, für das ich es halte:
Der intellektuelle Versuch, ein "Nicht Ich" in Dein Leben zu bringen.
Jemanden oder etwas, das über die fragwürdige Sinnhaftigkeit der isolierten eigenen Existenz hinausweist.
Du suchst nicht das seichte Gewässer, das Dich trägt, wie das Wasser des toten Meeres,
Du suchst den Strom, der Dich mitreißt.
Du wirst es finden in einem Menschen, der Dir mehr bedeutet als bloßes "Objekt" oder in einer Aufgabe, die Dich mehr fordert, als ein bloßes "Hobby".

Du wirst es finden!

Lass Dir bei der Suche nach Deinen Antworten die richtigen Fragen stellen.
Suche Dir dazu Menschen Deines Vertrauens.

Du bist in Ordnung, so wie Du bist!

Herzlichst, Bernd