Problem von Anonym - 23 Jahre

Endlosschleife der Verzweiflung

Hallo

Ich bin vor kurzem 23 Jahre alt geworden und habe meine schulische Laufbahn solide mit dem Abitur vor 2 Jahren abgeschlossen. Danach habe ich im selben Jahr angefangen Lebensmitteltechnologie zu studieren. Hierzu muss ich noch sagen, dass ich mich aus Geldgründen nur in meinem Bundesland Bremen für die Hochschulen und die Universität einschreiben konnte, da ich leider kein Bafög bekomme. Und somit ein etwas entfernteres Studieren nicht in Frage kommt. Also hatte ich abgewägt, was mir am meisten interessiert, da ich Biologie als Leistungskurs und Chemie als Grundkurs hatte,an den akademischen Vorveranstaltungen teilgenommen habe und der Bereich der Lebensmitteltechnologie sich recht interessant anhörte. Oh mein Gott, ich wusste bis dato ja noch nicht mal was ich werden will und das mit 21 Jahren, andere in meinem Alter haben schon eine abgeschlossene Lehre und wissen wo sie hin wollen und ich hänge regelrecht hinterher.....
Nun sind diese 2 weiteren Jahre des Studierens ins Lande gezogen und ich fühle mich irgendwie seit letztes Jahr nur vom Pech verfolgt. Pechsträhne fing im Oktober an, mein 5 Jahre alter Kater starb urplötzlich an einer chronischen Erkrankung, dann bestand ich einige Scheine nicht und dann wurde mein Vater arbeitslos. Im Januar diesen Jahres schrieb ich 2 weitere Klausuren aus dem 1. Semester und bestand beide nicht, 2 mal geschrieben gleich 3. Versuch mit Auflage und der Höhepunkt kam noch zuvor, Chemie auch als Auflage, jeweils 2 mal durchgefallen, ich hätt es nie gedacht, weil mir Chemie bzw. das chemische Verständnis in meiner Schulzeit immer lag, zwar war ich keine überdurchschnittliche Schülerin, befand mich eher im Mittelmaß.
Nachdem ich Mathe nicht bestanden habe, durfte ich laut Prüfungsordnung nicht am Hauptstudium teilnehmen, wurde somit vom regulärem Studium auf 2 Semester zurückversetzt. Ich wäre jetzt eigentlich im 5. Semester regulär und bin jetzt im 3. Semester. Ich hoffe es wurde etwas verständlich......
Mir fehlen aus dem 1. Semester 2 Scheine, aus dem 2. Semester 3 Scheine und aus dem 3. Semester auch 3 Scheine. Ich darf keine weiteren Auflagen bekommen, da ich sonst zwangsexmatrikuliert werde und bei einigen noch nicht habenden Scheinen besteht nur noch ein Versuch diese zu schreiben, bei Versagen würde ich dann zwangsexmatrikuliert werden.
Nun kommen wieder persönliche Probleme ins Spiel was das Studieren nicht versüßt, meine gute Freundschaft zu meiner Freundin, die 7 Jahre bestand hatte,ist seit Anfang des Jahres futsch, ich ging mit ihr aufs Gymnasium in der selben Klasse und auch das Abitur hatten wir auf der selben Schule in der selben Klasse gemacht.
Neue Freundschaften, die sich im Studium aufbauten, stellten sich hinterher auch als die reinste Niederlage dar. Und alles nur, weil ich meinen Mathe Schein nicht bestanden hatte. Weil ich nicht mehr zu ihnen gehören konnte, da ich zu dumm war, so einen Schein nicht zu bestehen. Meine ehemals beste Freundin ergötzte sich großartig darüber wie blöd man sein kann, sowas nicht zu bestehen.
Bei solchen Situationen steht man oft alleine dar, man merkt erst dann, wer wirklich seine wahren Freunde sind, leider besitze ich nicht mehr so viele davon, da sie ihre eigenen Wege gehen und ab und an schreibt bzw telefoniert man mal.
Nun kam es vor einigen Tagen zur Prüfung meiner Chemieauflage, die ich mit intensiven Lernens bestanden hatte. Mal nach langer Zeit hatte ich wieder ein freudiges Ereignis.
Da ich mir schon vorher Gedanken gemacht habe, was ist, wenn alles schief geht, hatte ich mich ab August diesen Jahres bei diversen Unternehmen als Fachkraft für Lebensmitteltechnik beworben, nun hatte ich ja 2 Jahre schonmal ein ungefähres Bild davon bekommen, was mich in diesem Bereich erwartet bzw. wie er ausschaut. So 3 Absagen bekommen(habe aber noch andere Stellen, die noch mit ihrem Auswahlverfahren offen stehen), 2 Einstellungstests(einer noch nicht ausgewertet), und dann ein Vorstellungsgespräch, mein erstes mit 23?? Oh mein Gott war ich aufgeregt, hatte mich auch intensiv darauf vorbereitet und dann fing die Personalchefin an wohl mich aus den Reserven zu locken mit ihrer Bemerkung, dass ich eigentlich nicht an diesem Gespräch teilnehmen würde, da der Test so schlecht ausgefallen ist, zwar war ich gut beim räumlichen Verständnis etc., aber in Mathe und Deutsch da waren die anderen Teilnehmer besser, aber trotzdem wolle sie mich sehen, da ich ja nicht so dumm sein kann, da ich ja das Abitur bestanden habe und ja noch studiere..........so waren ihre Worte, die sich regelrecht in meinem Kopf eingeprägt haben. Nach dem Gespräch war ich komplett leer im Kopf und dachte echt nach, dass ich einfach nichts kann. Ja ich gebe zu, dass meine Defizite in Mathe vorhanden sind, dass ich aber auch dagegen was tue. Ich bemühe mich sehr meine Schwächen so gut wie es auch geht zu korrigieren, zumindest so hinzu bekommen, dass sie mir keine Magenschmerzen bereiten.
Im Moment stehe ich wieder im Leeren dar, denke mir so, dass ich 2 weitere Jahre meines Lebens vergoldet habe, irgendeinen Traum nachzulaufen, den ich nie erreichen werde. Ich kann mit meinen Problemen kaum mit irgendjemanden darüber reden, entweder sie wohnen nicht mehr hier, sind kaum zu erreichen oder haben einfach keine Zeit. Mit meiner Mutter kann ich darüber reden, aber ich habe bei ihr oftmals das Gefühl, dass unser Altersunterschied zu groß ist, dass sie mich richtig versteht, sie meint ich solle an das Studium festhalten. Bei meiner Schwester brauch ich mit solchen Problemen nicht ankommen, die weiß immer Bescheid, hat ihren klaren Plan vor Augen und immer einen Plan B. Sie ist keine große Hilfe, leider, obwohl sie älter ist und mehr Lebenserfahrung hat. Sie fragt mich immer wo ich meine beruflichen und privaten Pläne in 10 Jahren sehe, dabei weiß ich noch nicht mal jetzt, wo ich mich jetzt sehe......irgendwie fühle ich mich wie ein hoffnungsloser Fall, nichts gelingt mir und das schlimme daran ist ja, dass die Zeit weiterläuft und ich stehen bleibe, so fühlt es sich gerade an. Am liebsten würde ich alles aus mir heraus schreien, alles stehen und liegen lassen und einfach nur weg, aber weglaufen bringt auch nichts, damit sind die Probleme auch nicht gelöst. Ich habe gerade kein Ziel vor Augen, da ich mich im Moment mit meinen Scheinproblemen rumschlage, und immer im Hinterkopf habe, du hast keine weiteren Auflageversuch frei, dann heißt es Zwangsexmatrikulation. Ich möchte so gerne weiterkommen in meinem Leben, aber gerade fühle ich mich in einer Endlosschleife der Verzweiflung gefangen und irgendwie finde ich da gerade nicht heraus.

Tim Anwort von Tim

Hallo,

vor lauter Stress und Angst, was da in der Zukunft lauert, vergessen wir manchmal den Blick auf uns und die Gegenwart. So verstehe ich auch deine aktuelle Situation. Viele Menschen Anfang 20 haben diese Phase der ängstlichen Orientierungslosigkeit. Ich glaube das liegt daran, dass es jetzt ?ernst? wird. In der Schule verlief noch alles in geregelten Bahnen, man kannte seine Freunde jahrelang, und das was danach kommt war noch ganz abstrakt.

Doch plötzlich steht man da und soll sich entscheiden wo es hingeht. So viele Richtungen in die man gehen kann ? aber welche ist die richtige?! Der Stundenplan aus der Schule, durchgeplant von morgens bis nachmittags, der wär jetzt gut....

Du hast dir deine Talente angeschaut und bist so zur Lebensmitteltechnologie gekommen. Ich denke, das war gar nicht so verkehrt. Viele wählen ihr Studium nach Gefühl, und das ist meistens auch eine gute Wahl. Nichts ist schlimmer als auf Druck der Eltern ein Fach zu studieren was einen persönlich gar nicht interessiert.

Nun ist Lebensmitteltechnologie aber auch nicht das Leichteste von der Welt (für mich als Chemie Fünferkandidat erst recht nicht ). Die ersten Rückschläge in Form von nicht bestandenen Scheinen musst du erst mal wegstecken. Wenn dann noch dein Kater stirbt und dein Vater arbeitslos wird, sind das gleich mehrere schwere Umstände. Aber gerade deshalb solltest du die fehlenden Scheine nicht als fehlende Qualifikation für dein Studium sehen, oder dich selbst anzweifeln. Glaub an dich! Ein Sprichwort sagt ?es muss erst schlimmer werden um besser zu werden?.

Was die Freundschaften angeht, die dir auf dem Weg verloren gegangen sind: kannst du dich mit deiner alten Schulfreundin vielleicht wieder zusammenraufen? Was die Studi-Kolleginnen angeht, ihr falsches Gesicht haben sie dir gezeigt. Da würde ich nicht mehr viel drum geben. Aber vielleicht gibt es in deinem Fach noch andere Jungs und Mädels, mit denen du eine Lerngruppe aufmachen könntest? So könnt ihr gemeinsam lernen und du wirst feststellen, dass du nicht die Einzige bist die Schwierigkeiten hat.

Noch ein Tipp zum Schluss: Zwischen dem ganzen Lernstress solltest du Freiräume für dich schaffen. Kleine Zeitinseln in denen du in dich hineinhorchen und das Studium mal Studium sein lassen kannst. Hole deine Gedanken aus der Zukunft in die Gegenwart. Gut geeignet sind auch Entspannungsübungen wie Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training um dieses Gefühl der Endlosschleife zu durchbrechen.

Ich wünsche dir viel Erfolg und einen klaren Kopf für die Zukunft!