Problem von Anonym - 20 Jahre

Innerlich zerrissen

Sehr geehrtes Beratungsteam
Ich habe ein sehr großes Problem mit meiner Persönlichkeit ich fang am besten mal ganz von vorne an:
Ich bin mittlerweile 20 Jahre alt habe auch ein stabiles Elternhaus,angefangen zu merken das ich *anders* bin habe ich bereits mit 15 als die ersten Interessen zur Trinkerei und Drogen anfingen lies mich das kalt(worauf ich auch sehr stolz bin). Ich hatte mich damals mit meinem ganzen Freundeskreis zerstritten da ich mich ungerecht behandelt fühlte und der Kontakt brach endgültig ab, das war mit 16 und ein schwerer Schlag für mich zu derzeit hatte ich niemanden mehr und ich fühlte mich wie ein leerer Außenseiter, 2 Jahre lang habe ich mich damals verkrochen und mich der Onlinespielsucht hingegeben auch meine damalige Hauswirtschaftslehre war(von 16-19) kein Zuckerschlecken alle Mädels starrten mich komisch an und hielten mich für einen eigenartigen Kauz(alle dachten sogar ich sei schwul).Selbst mit den Lehrern hatte ich starke Probleme wegen Führung des Berichtsheftes etc. Die Lehre war überstanden und ich habe mich der Außenwelt wieder zugewandt mit Ende 18, ich ging auch wieder unter Leute und bei manchen kam ich auch symphatisch rüber. Im September 2009 fing ich eine Lehre zum Heilerziehungspfleger an das erste Jahr verlief sehr gut auch das Praktikum in der Drogenberatung habe ich super abgeschlossen, ich ging davon aus das ich nun eine standfeste Persönlichkeit bin die in der Welt zurechtfindet auch äußerlich sieht man mir meine traurige Vergangenheit bezüglich der ständig wechselnden sozialen Kontakte nicht an, in meiner jetzigen Klasse so seh ich das zumindest finde ich es auch sehr nervig da ich mit 4 anderen Kerlen unter 15 Mädels bin(Zickenterror halt...). So konnte ich es immer auf das Verhältnis von Mädchen/Jungen schieben, aber bei den sozialen Kontakten wo ich mich immermal treffe gibt es leider auch Menschen die über mich tuscheln und mich unsymphatisch finden. Meine neue Praktikumsstelle(Werkstatt für Behinderte) ist zurzeit auch ein extrem hartes Stück das Team da kann mich aus irgend einem Grund nicht ausstehen, die Betreuerin versuchte mich von Anfang an rauszumobben, mein Mentor sagte zu mir ich käme arrogant rüber da ich nicht viel mit Menschen rede welche mich einschüchtern wollen. Der Zivi und die andere Praktikantin da kommen super klar und ich komm mir wie immer als eine Art Außenseiter vor, auch die Sichtstunde gestern war eine Katastrophe meine erste 6 in der Lehre, selbst der Lehrer fragte mich ob es wirklich der geeignete Beruf für mich sei, Freunde melden sich auch kaum mehr und ich seh es nicht ein das ich ständig den ersten Schritt machen soll. Mein gesamtes wiedererlangtes Selbstvertrauen was ich mir die letzten 2 Jahre aufgebaut habe droht zusammenzubrechen und ich will nicht noch einmal so eine schlimme Phase wie damals erleben aber wen es so weitergeht kommt das mit Sicherheit. Könntet ihr mir bitte ein paar Ratschläge geben was ich ändern könnte, ein paar nützliche Addressen wo ich persönlich für eine Beratung hingehen kann meine gesamte Persönlichkeit beginnt wieder zu brökeln und ich würde einfach mal gerne den wahren Grund erfahren warum ich auf viele so arrogant und unsymphatisch rüberkomme obwohl dies nicht der Sinn ist bitte gebt mir eine Antwort!
Hatte schon einmal eine Anfrage gesendet welche leider nicht bearbeitet wurde (kann ich voll und ganz verstehen).

Dana Anwort von Dana

Lieber Unbekannter!

Erst einmal: danke, dass du geduldig bist und dein Problem auch zweimal postest, ohne ausfallend zu werden. Das ist selten, vielen Dank. =)

Ich denke, hier liegen zwei Probleme vor, die sich ergänzen:

1. scheint eine leicht verschobene Selbstwahrnehmung zu existieren. Du denkst, dass du völlig locker und nett rüberkommst, aber die Umwelt hält dich für arrogant und eigenbrödlerisch. Gründe: nenne ich später.
2. "ich bin anders als die anderen".

Mit diesen beiden Punkten isolierst du dich wahrscheinlich selbst von den Menschen, die in deiner Umgebung leben und arbeiten, ohne dass du das eigentlich willst. Oft wurdest du zurückgewiesen, obwohl deine Ansichten löblich waren (zB eben NICHT mit Alk zu trinken und Drogen zu konsumieren), woraus sich natürlich auch eine gewisse Angst vor Zurückweisung entwickelt, was man dir dann ansieht.

Ich habe einen Freund, der von Frauen viel zurück gewiesen wird. Und zum Schutz hat er ein riesiges "Rühr mich nicht an!"-Schild auf der Stirn, wenn wir weggehen oder uns mit anderen Leuten treffen. Somit wird er unsichtbar für andere oder wirkt unheimlich distanziert. Oder meine Mutter, die immer dachte, sie würde herzlich lächeln, aber eigentlich nur den Mund zu einer schiefen Fratze verzog, die andere Menschen abschreckte. Als wir ihr das mal sagten, war sie völlig baff und schaute im Spiegel, wie Lächeln eigentlich aussehen muss.

Du denkst: "Ich will doch gar nix Böses und arrogant bin ich auch nicht!", aber es kommt anders an. Und da gilt es richtig dran zu üben, gerne auch mit einem Therapeuten. Du selbst hast ja schon die Frage nach einem Begleiter gestellt und die finde ich auch sehr vernünftig, da dein Problem nichts ist, was nicht aus der Welt geschafft werden kann, aber Feedback von außen benötigt.

Therapeuten suchst du dir, indem du bei Google deine Stadt und "Psychotherapie" eingibst, Google müsste dir dann viele Adressen und Telefonnummern ausspucken. Leider gibt es immer etwas Wartezeit, aber vielleicht ist ein Erstgespräch ja schon drin. Wenn der Therapeut von der Kasse zugelassen ist (darauf solltest du achten), kostet es auch nichts.

Dieses "ich bin anders" ist ebenfalls ein Aushängeschild, das du wahrscheinlich vor dir her trägst, obwohl du das gar nicht möchtest. Menschen, die bei dir das Gefühl haben, nicht willkommen/nicht benötigt zu sein, schreckt das einfach ab. Du bist sicher nett und sympathisch, aber du zeigst es scheinbar nicht.

Deine Ziele sind allesamt edel, auch deine Praktikumswahl ist toll. Insgesamt bist du ein Mensch der guten Sorte, aber es wäre wichtig, diese Sympathie auch zu zeigen. Gib den Menschen um dich herum eine Chance, geh freundlich auf sie zu, kapsel dich nicht ab. Menschen, die etwas schüchtern oder zurückhaltend sind, werden schnell in die "Arrogant-Schiene" gestopft, obwohl sie einfach nicht anders können.

Das kann man aber lernen und so schlimm ist das Lernen auch nicht. Mit einem Therapeuten an deiner Seite geht das bestimmt gut. Vielleicht würde es auch schon reichen, dir einen Menschen deines Vertrauens zu holen (dein Chef, eine Mitarbeiterin, die du magst, euren Schulpsychologen deine Eltern?) und mal ehrlich zu schildern, wie dein Problem aussieht. Wenn man ehrlich über die Sache spricht, erscheint gleich alles in anderem Licht. Ist bei besagtem Freund zB auch so. Als ich ihn kennen lernte, dachte ich noch, er will mit niemandem was zu tun haben. Aber innerlich hoffte er immer, bemerkt zu werden...

Das Wichtigste ist einfach, mit diesen Gedanken nicht alleine zu bleiben, sondern sie mitzuteilen. Was die anderen nicht wissen, können sie nicht zum Verstehen deiner Person nutzen. Es fordert Mut, sein Innerstes zu zeigen und die Verletzlichkeit, die damit einhergeht. Aber vielleicht muss die Maske wirklich fallen, dass ein entspannteres Arbeiten möglich ist und die Menschen dort dich nicht in eine Schublade stopfen, in die du nicht gehören willst und die dir Unrecht tut.

Ich wünsche dir viel Erfolg! Hier hast du den ersten Schritt schon mal gemacht, nun geh den Weg weiter. Ich bin mir sicher, es führt zum Erfolg!

Liebe Grüße,

Dana