Problem von Till - 17 Jahre

Ich fühle das Leid meiner Freunde mit

Ich habe eine Menge Freunde, die viele schreckliche Situationen unterschiedlichen Grades erlebt haben. Sie reichen von Überfällen bis zur wiederholten Vergewaltigung vom eigenen Vater.
Ich habe mich heute einige Stunden lang im Internet schlau gemacht. Mir ist klar, dass ein solches Problem nicht ohne Folgen bleibt. Vor allem Seelische Schäden sind fast lebenslang ins Opfer eingebrannt.

Das, was ich meiner Meinung nach am besten kann, ist für meine Freunde da zu sein. Ich kann ihre Probleme nicht lösen, aber ich kann ihnen zuhören und sie spüren lassen, dass ich für sie da bin.

Jetzt habe ich für meinen Teil festgestellt, dass ich dadurch ein extrem mitfühlender, empathischer Mensch geworden bin. Mich verletzen Dinge, die mir nicht selbst widerfahren! Ich habe immer öfter Angst, dass ich mich von seelischen Tiefs von Freunden herunterziehen lassen kann.
Mir ist auch der Unterschied zwischen Mitgefühl und dem, was mir passiert bewusst. Denn ich kann gar nicht anders, als mich in den Anderen hineinzuversetzen und mit ihm zu leiden.. auch wenn ich mir niemals seine Lage komplett vorstellen kann. Ich spüre ihre innere Leere, die sie zB nach einer Vergewaltigung spüren, und das macht sich unglaublich an mir zu schaffen. Es ist wirklich extrem, ich bin teilweise tagelang trübselig, mir kommt es so vor, als ob die Farben um mich herum verblassen und mich nichts mehr aufheiten könnte. Gradezu als ob ich auf dieser Welt keinen Sinn mehr zu erfüllen hätte. Fast wie eine astreine Depression.

Wenn ich dann auch noch in Betracht ziehe, dass mir persönlich nie etwas wirklich schlimmes passiert ist, und ich trotzdem alleine schon mit dem Schulstress kaum klar komme, realisiere ich, was für einen Druck Menschen mit ernsthaften Problemen aushalten müssen. Und ich weiss, dass sowas auch irgendwann schwächer oder stärker auf mich zukommen wird.

Und letztendlich weiss ich, dass ich damit nie im Leben klarkommen würde. Ich bin selbst zu schwach dafür, mich vor fremden Problemen zu schützen. Wie soll ich mein Leben auf die Reihe bekommen??

Bitte helft mir. Wenn jemand ähnliches durchmachen muss, weiss er wie schrecklich das ist.

Bernd Anwort von Bernd

Lieber Till.

Das Verstehen, was in einem Opfer vor sich geht, ist das Eine. Es gibt schon einen guten Grund, warum Du Dich dagegen wehren solltest, ja wehren mußt, das Gefühl nachfühlen zu wollen: zuerst einmal wird es Dich wirklich herunter ziehen. Zudem bist Du, wenn Du Dich zu sehr mit dem Gefühl identifizierst, keine große Hilfe für Deine Freunde. Weil Dir der Abstand fehlt, ihren Gefühlen etwas Aufbauendes, Produktives entgegen zu setzen.

Es hilft ja Niemandem, wenn Du Dich die gleiche Art von Leere, Nutzlosigkeit oder "benutzt und beschmutzt worden sein" erfühlen lässt!
Du willst doch Deinen Freunden sagen und zeigen, dass sie schön, rein und liebenswert sind! Versuche das zu spüren, zu sehen!
Zeige es ihnen! Sag es ihnen! Und sehe und erlebe es an Dir selbst.
Sobald Du erkannt hast, welch selbstzerstörerischen Gefühle sich in Deinen Freunden breit macht:
Verneine!
Lasse es für Dich und für sie nicht zu!

Weil es ja auch nicht stimmt, was sie fühlen!
Das Leben ist trotzdem lebenswert und hat für Jeden von ihnen noch schöne Erlebnisse auf Lager. Und dadurch, dass sie Opfer geworden sind, sind sie nicht weniger Wert. Im Gegenteil: dort, wo gequälte und misshandelte Menschen noch oder wieder in der Lage sind, anderen Menschen offen und mit positiven Gefühlen zu begegnen: da zeigen sie, dass sie besonders wertvoll sind. Dass es da etwas an ihnen gibt, das sie von uns positiv abhebt!

Und wenn Du merkst, dass es Dich nicht loslässt. Dieses Gefühl der eigenen Leere. Das "Mit den Anderen Leiden", dann solltest Du Dich nicht scheuen, selbst professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wie Du es auch Deinen Freunden zu tun raten solltest!

Alles Liebe,

Bernd