Problem von raphi - 22 Jahre

Ich bin verloren in dieser Welt

Hi, ich weiss wirklich nicht ob mir jemand helfen kann.

Ich bin ein sehr kritischer Mensch und schwimme schon mein ganzes Leben gerne gegen den Strom. Ich wurde in einem Land der 3. Welt geboren und bin 7 Jahre dort aufgewachsen, hab also dementsprechend schon frueh das Dilemma dieser Menschen mit eigenen Augen mitverfolgen koennen. Dies hat mich natuerlich auch gepraegt.

Als ich mit 7 nach Deutschland gezogen bin (meine Eltern sind beide Deutsche und mein Vater arbeitete voruebergehend in diesem Land) erlitt ich einen sogenannten Kulturschock. Waehrend sich die Leute in der 3. Welt mit dem zufrieden geben was sie haben und trotzdem gluecklich sind, gab/gibt es hier nur Menschen, die Millionen von laecherlichen Problemen haben und glauben unter einem sozialen Druck zu leiden. Sie verzweifeln bei jedem Kack und glauben sie sind die aermsten Menschen der Welt. Noch dazu hat sie der materialistische und bequeme Wahnsinn aufgefressen.

Ich wurde als (fuer mich) logische Konsequenz ein Punk, weil ich die gesellschaft abscheulich fand und weil ich mich mit diesen Leuten am besten identifizieren konnte. Dort habe ich genug Lebenserfahrung gesammelt und war eine sehr starke und gebildete Persoenlichkeit. Waehrend andere stundenlang vorm Fernseher oder PC verbrachten, habe ich draussen alles moegliche veranstaltet und meinen Horizont in alle moeglichen Richtungen erweitert. Ich war aber auf keinen Fall arrogant, oberflaechlich und ich sah mich auch nicht als etwas Besseres als der Rest. Noch dazu war ich in meiner Jugend ein sehr erfolgreicher Hochleistungssportler.

Mit 17 kam dann der erste heftige Herzbruch und anstatt die Zeit wirken zu lassen, habe ich in meiner Dummheit zu Drogen gegriffen. Da ich aus Problemen zu Drogen griff, war ich schnell psychisch abhaengig und im Laufe von 5 Jahren hab ich mir alles reingehaut, von dem der Durchschnittsmensch je gehoert hat + einige Sachen, die nicht viele Leute kennen. In diesen 5 Jahren ging alles den Bach runter: Mein austrainierter Koerper wandelte sich zu einem laufenden Skellet. Von meinen Freunden habe ich mich distanziert, weil sie nicht mit meiner Entwicklung klar kamen, dafuer hatte ich nur noch Scheinfreunde, mit denen ich Drogen konsumierte. Meine Persoenlichkeit wurde schwach und unterwarf sich dem Drogenkonsum --> Meine Prinzipien waren weg und mir war einfach alles nur noch scheissegal, hauptsache ich hatte die Drogen. Ich kaempfte fuer nichts mehr und ich lebte fuer nichts mehr.

Beim Konsum von psychodelischen Drogen hab ich mir eine deftige Angstpsychosse eingefangen und ich lebte 3 Jahre lang in tiefster Angst und Panik, mit Minderwertigkeitskomplexen und anderen charakterlichen Tiefen. Diese hab ich allerdings wenn moeglich mit aufputschenden Drogen kaschiert und es lief halbwegs gut.

Nebenbei schaffte ich trotzdem das Abi mit einem 1,7ner Schnitt und studiere Medizin (das 6. Semester fangt in 2 Wochen an). Ich wollte Medizin studieren, weil ich dachte, ich koennte so Drogen/Medikamente entwickeln. Naja... dummer Grund, aber das Studium laeuft trotzdem ziemlich gut.

Vor 4 Monaten gab es dann wieder einen Knackpunkt und ich hoerte mit allen Drogen ausser mit Zigaretten auf. Seitdem baue ich meinen Koerper mittels Sport wieder auf (mit erstaunlichen Fortschritten). Meine Kontakte zu Drogen hab ich alle gekappt. Meine alten Freunde "kennen mich nicht mehr". Mein Charakter bildet sich wieder und der Nebel in meinem Kopf schwindet von Tag zu Tag. Quasi, ein gelungener Neuanfang.

Nun ja, was is jetz mein Problem, wenn doch alles wieder gut laueft? Es ist, als war ich 5 Jahre auf einem anderen Planeten und seit 4 Monaten bin ich wieder da. Das Problem ist, dass ich die Gesellschaft und die Leute um mich herum wieder ueberhaupt nicht vertrage. Die haben Probleme wie Facebook, Computerspiele, die Alkoholorgie vom letzten Wochenende, sie regen sich auf, dass sie kein Geld haben, weil sie alles versaufen usw.

Im Grunde genommen sind das fuer mich persoenlich ganz einfach zu loesende Probleme, aber jeder macht so ein Drama aus jedem Mist, so dass ich einfach keine Lust habe, mich mit solchen Menschen zu unterhalten. Ich persoenlich habe kein Facebook, weil ich lieber auf persoenlicher Ebene kommuniziere als cybermaessig (was ich jetzt gerade hier mache). Als ich Drogen konsumierte und kein Geld hatte, regte ich mich nicht auf, weil ich wusste was ich mit dem Geld anstellte. Alle moeglichen Probleme von den anderen kommen mir einfach laecherlich vor und sie sind deswegen auch immer mental beschaeftigt und niedergeschlagen und nicht im Stande locker ueber (fuer mich) normale Dinge zu reden. Sie wissen zwar was in ihrer Lieblingsserie (ich kucke kein Fernsehen, weil ich es als Massenverbloedung ansehe) passiert ist, aber sie haben keinen Plan, was sie in 5 Jahren machen wollen, hauptsache Party, Spass und Unterhaltung ist dabei.

Das versteh ich einfach nicht. Und nein, es sind nicht nur ein paar Leute, bei denen ich mein Urteil faelle. Es sind echt alle bis jetzt... Sogar die aeltere Generation (40+) verfaellt dem Internet immer mehr (weil man muss ja jung und modern bleiben bla bla). Find ich einfach krass. Und in meinem "neuen" drogenfreien Leben, wo ich die Entzugserscheinungen und Psychosen ohne Therapie bekaempft habe, wo ich mich wieder aufrichte um richtig zu Leben, wo ich meinen Koerper und Geist wieder trainiere, wo ich meiner Meinung nach alles richtig mache, finde ich einfach keine Freunde.

Wenn mir dann jemand sagt, ich soll nicht so viel an die armen Menschen in der 3. Welt denken, sondern locker bleiben, werde ich agressiv. Das ist doch einfach nur modernes ignorieren ...

Wenn mir jemand sagt, ich soll die Leute und ihre Probleme akzeptieren wie sie sind, sitze ich im Endeffekt als Fake gegenueber von jemandem, den ich aus Prinzip nicht vertrage und kann mir sein dummes Gelaber anhoeren.

Wenn mir jemand sagt, ich soll auf Parties, um neue Leute kennen zu lernen, lande ich irgendwo, wo sturzbetrunkene Leute irgend einen Mist labern, hauptsache es ist lustig. Und als Nuechterner sind die ganzen Sachen echt nicht witzig, die dort von sich gegeben werden.

Tja, keine Ahnung. Mir gehts einfach auf den Sack, dass der Grossteil der Menschen so uebel manipuliert ist und sich selber nicht mehr unter Kontrolle haben, geschweige denn sich selbst noch kennen. Wenn das so weiter geht, sind wir schon bald bei George Orwells "1984". Den Menschen fehlt einfach Objektivitaet und vor allem Reife.

Ich habe auch beschlossen nach meinem Studium nach Afrika zu ziehen, um armen Kindern aerztliche Hilfe anzubieten, weil ich es hier einfach nicht mehr aushalte. Die Menschen sind mir einfach zu dumm.

Naja, ich hab keine Ahnung, ob das jemand versteht, oder ob ueberhaupt jemand antworten wird, es hat auf jeden Fall geholfen einen Teil meiner Gedanken nieder zu schreiben ...

Monika Anwort von Monika

Lieber Raphi!

Erst mal meinen Respekt, dass du es geschafft hast dein Leben wieder in den Griff zu bekommen und den Drogen abgeschworen hast - das ist nicht leicht und erfordert viel Selbstdisziplin und Kraft.

Du hast ja wirklich schon einiges erlebt in deinem jungen Leben!
Daher ist es meiner Meinung nach verständlich, dass du über viele Dinge anders denkst und dir die Probleme von den "Normalos" dieser Welt so nichtig und unbedeutend erscheinen.
Ich denke die wenigsten in Deutschland sind eben in einem 3. Welt Land aufgewachsen oder haben irgendeinen näheren Bezug dazu und sich demnach auch noch keine großen Gedanken darüber gemacht.
Ich war selbst bereits drei Mal in Afrika und du hast Recht - das verändert einfach die eigene Weltsicht und man lernt die kleinen Dinge viel mehr zu schätzen und wundert sich zum Beispiel darüber, wie andere durchdrehen können, wenn ihr Auto einen Kratzer hat oder sie nicht das neuste Handy besitzen. Aber wie gesagt, die meisten Menschen leben seit ihrer Geburt hier und wissen eben nicht wie es in anderen, ärmeren Ländern ist.
Hast du denn schon mal versucht anderen deine Erfahrungen näher zu bringen? Hast du ihnen erzählt wie es war in einem 3. Weltland aufzuwachsen? Welche Probleme die Menschen dort haben? Vielleicht würde das zu interessanten Diskussionen führen und andere wären eher in der Lage deine Standpunkte zu verstehen beziehungsweise sie würden ihr eigenes Verhalten überdenken.
Oder du versuchst Gleichgesinnte zu finden - es gibt betsimmt auch in deiner Stadt Organisationen, Projekte, Vereine die sich zum Beispiel für Kinder in der Dritten Welt engagieren - dort findest du bestimmt eher Personen mit denen du gute Gespräche führen kannst als auf Studentenparties.
Außerdem kann man sich eben nicht ständig mit den großen Problemen der Welt beschäftigen sondern denkt eben hin und wieder auch an die eigenen kleinen, was nicht bedeuten muss, dass einem alles andere egal ist.
Deshalb - sei nicht so streng mit deinen Mitenschen. Vielleicht schaffst du es ja sie mit ihren, dir unverständlichen, Problemen zu akzeptieren und vielleicht trotzdem mal etwas mit ihnen zu unternehmen - wie wärs mit Sport - du schreibst ja, dass du wieder angefangen hast Sport zu machen - such dir doch jemanden mit dem du laufen gehst oder Fußball spielst oder was auch immer du gerne machst - dann habt ihr schon mal eine Gemeinsamkeit über die ihr sprechen könnt.
Nicht jeder ist eben fähig über den eigenen kleinen Horizont hinauszuschauen, nicht jeder hat soviel in seinem Leben erlebt, soviele Erfahrungen gesammelt und macht sich so viele Gedanken wie du.
Menschen sind nun mal verschieden und haben auch die verschiedensten Ansichten! Und es verlangt ja auch keiner von dir, dass du dich mit jedem verstehst und eine gute Unterhaltung führst, aber ich bin mir dennoch sicher, dass es da draußen Leute gibt die mit dir auf einer Wellenlänge sind und dich vertshen können.
Gib den Menschen eine Chance und scher nicht alle über einen Kamm!

Wünsche dir ein erfolgreiches Studium, hoffe du kannst deinen Plan Kindern in der 3. Welt zu helfen verwirklichen und, dass dir doch noch Menschen begegnen die dir ziegen, dass nicht alle hier "dumm" sind.

Liebe Grüße
Monika