Problem von Karina - 20 Jahre

Ich habe Angst sie zu verlieren..

Puh, ich habe lange überlegt, ob ich hier wirklich selbst mal niederschreiben soll, was mich bedrückt. Ich lese schon eine sehr lange Zeit auf eurer Seite mit und finde es sehr bewundernswert, mit wie viel Initiative und Herz ihr an die Geschichten geht.

Mir fällt es nicht leicht, meine Geschichte niederzuschreiben, weil ich mich selbst manchmal dafür fertig mache, dass ich noch so massiv darunter leide.

Ich habe vor knapp 6 Jahren meine kleine Schwester verloren. Sie ist nach langer Zeit im Krankenhaus verstorben. niemand konnte ihr mehr helfen und obwohl wir wussten, dass sie sterben wird, tat es unglaublich weh.
Seit ihrem Tod habe ich alles in mich hineingefressen.. Ich habe die ersten Jahre in Trance erlebt. Ich habe jahrelang geschwiegen und bin in Essstörungen gerutscht. Es war die einzige Möglichkeit etwas zu fühlen und mich zu kontrollieren. Ich wollte nichts an mich heranlassen. Wollte meine Eltern nicht verletzten und reden, wenn sie stabil schienen. Wollte für sie stark sein!
Und jetzt, knapp 6 Jahre später, scheint diese Fassade, die ich mir über Jahre aufgebaut habe, dieses „nichts fühlen“, langsam zu zerbrechen. Ich werde ständig von meinen Gefühlen überwältigt, reagiere mit emotionalen Überreaktionen und fühle mich mit meinem Leben überfordert. Oft fange ich einfach an zu weinen und kann nicht damit aufhören. Ich habe so Angst es zu verarbeiten, da ich Angst habe, dass sie dann aus meinem Leben tritt und ich sie endgültig verliere. Ich vermisse sie so schrecklich doll, wünsche mir so oft unsere gemeinsamen Momente zurück. Momente, in denen sie mich anlächelt, in denen ich sie fühlen kann! Der Gedanke an sie tut so weh, weil negative Momente mitschwingen und mir bewusst wird, dass sie nicht mehr da ist, schon lange nicht mehr. Ich möchte einfach, dass ich sie in Erinnerung behalte und mit einem Lächeln an sie zurückdenken kann.. Ich weiß einfach nicht wohin mit meinen Gefühlen.. ich fühle mich so unendlich leer, dass das Gefühl schon fast wehtut. Denn ein Stück von mir fehlt.
Ich fange wieder an zu hunger, nicht so schlimm wie damals, aber imme wieder. Ich weiß, dass das keine Lösung ist, aber ich kann einfach nicht anders. Irgendwie ist es ein Ausweg, der es besser erträglich macht. Ich rede mit niemandem darüber, da ich Angst habe auf Ablehnung zu stoßen, weil Menschen denken, dass es ja nun „lange genug“ her ist. Ist es überhaupt normal, jetzt noch so zu fühlen?!
Aber irgendwie habe ich das Gefühl, als wenn in mir ein Fehler ist, der es mir unmöglich macht alles hinter mir zu lassen. Ich stehe mir selber im Weg.

Ich wäre so gern glücklich, aber ich habe starke Verlustsängste entwickelt. Ich lasse ungern Menschen an mich heran, einfach, weil ich Angst davor habe sie zu verlieren. Ich habe zB. große Probleme mich auf Beziehungen einzulassen. Ich habe zwar viele Freunde, aber nur wenige wissen Bescheid. Dort gelingt es mir noch die bröckelnde Fassade zu erhalten. Mehr oder weniger..

Ich weiß einfach nicht mehr weiter.. ich fühle mich, als wenn ich innerlich daran zerbreche. Manchmal frage ich mich, warum ich noch hier bin und sie nicht.. Ich weiß, dass niemand mir meine Schwester zurückbringen kann, aber ich wollte einfach mal alles niederschreiben und meine Gedanken aussprechen.

Danke, fürs Lesen.
Liebe Grüße an euch!

Monika Anwort von Monika

Liebe Karina!

Erst einmal mein herzliches Beileid, dass du so jung deine Schwester verloren hast. Ich denke das ist etwas, was einen ein Leben lang begleiten wird, denn Geschwister sind nun mal ein wichtig auch wenn man sich streitet gehören sie doch zu einem.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass dich dieses Erlebnis auch nach 6 Jahren noch beschäftigt!

Du warst selbst noch sehr jung als das passiert ist und es ist verständlich, dass man in diesem Alter noch nicht wirklich weiß, wie man damit umgehen soll. Du schreibst leider nicht, ob du damals Hilfe bekommen hast, um den Tod deiner kleinen Schwester zu verarbeiten.
Dass du eine Essstörung entwickelt hast ist eigentlich schon ein Schrei nach Hilfe. Und da ertse Anzeichen für eine erneute Flucht in die Kontrolle des Essens da sind, du unkontrollierbare Gefühlsausbrüche hast, du grundsätzlich momentan überforedert zu sein scheinst und es auch schon Auswirkungen auf andere Beziehungen in deinem Leben hat würde ich dir raten dir Hilfe zu holen, bevor du wieder ganz tief drin steckst.
Es gibt Selbsthilfegruppen an die du dich wenden kannst, dort kannst du dich mit Leuten austauschen, die auch einen geleibten Menschen verloren haben. Auf dieser Webseite findet jeden Montag zwischen 20 und 22 uhr ein Chat statt, wo über genau dieses Thema gesprochen wird: http://www.erzbistum-koeln.de/bildungswerk/bergheim/dochetwasbleibt/chatroom
Und auch professionelle Hilfe von einem Psychologen, der dir helfen kann den Tod deiner Schwester zu verarbeiten, deine Gefühle und Emotionen aufzuarbeiten, deine Trauer zu bewältigen und dich selber und deine Gedanken besser zu verstehen wäre bestimmt sinnvoll.

Niemand verlangt von dir immer stark zu sein - du hast das Recht wie jeder andere auch traurig und wütend zu sein, deine Gfühle herauszulassen und auszuleben auch nach 6 Jahren noch!

Wünsch dir viel Kraft für deinen Weg!

Liebe Grüße
Monika