Problem von Jule - 17 Jahre

Selbstmordgedanken

Hallo ihr Lieben, Ich habe im Internet nach Beratungsstellen gesucht und bin zufällig auf eure Seite gelangt. Ich habe seit längerem schon Selbstmordgedanken. Angefangen hat das glaube ich vor 2 Jahren. Aber seit dem Schulwechsel vor etwa einem Jahr, ist alles viel schlimmer geworden. Ich denke nicht nur über Selbstmord nach, sondern fange schon an ihn zu planen und verfasse gedanklich schon Abschiedsbriefe. Ich weiß nichtmal genau warum ich so verzweifelt bin. Aber ich will nicht mehr weiterleben. Allerdings wünsche ich mir gleichzeitig auch, das mich irgendjemand davon abhält. Ich habe schließlich noch Träume und Ziele, die ich mir verwirklichen möchte. Mit meiner Familie kann ich nicht reden. Die würden das nicht verstehen. Die einzige die mich versteht ist meine beste Freundin. Sie weiß nichts von meinen Selbstmordgedanken-davon weiß niemand, aber sie hört mir zu wenn ich mal wieder traurig bin. Das tut gut. Ich komme mir in Moment einfach vor wie ein psychisches Wrack. Ich bin total antriebslos, heule andauernd rum, möchte nur noch alleine sein, komme mir sinnlos vor und verliere von Tag zu Tag immer mehr Selbstvertrauen. Bei mir läuft in Moment alles schief. Ich möchte Hilfe. Aber ich möchte ungern mit einem Fremden darüber reden. Reden fällt mir schwer. Lg Jule

Dana Anwort von Dana

Liebe Jule!

Es ist gut, dass du dich mal ausgesprochen hast, wenn auch nur anonym quasi und online, ohne Worte, nur mit dem Drücken von Tasten. Dich quälen Selbstmordgedanken, aber du hast noch so einen klaren Kopf, dass du selbst merkst: "Eigentlich will ich nicht sterben, eigentlich will ich nur da raus, Hilfe..."

Du kannst also klar differenzieren zwischen einem total suizidalen Charakter und jemandem, der eigentlich nur Hilfe sucht und braucht. Du bist eindeutig in der zweiten Kategorie zu Hause. Und genau daraus gilt es jetzt, die Kraft für den richtigen Weg zu schöpfen. Du bist ein Mensch mit Zielen und Träumen, mit Wünschen und Vorstellungen. Dies alles unterscheidet dich von einem Menschen, der nur noch "springen" will. Anscheinend ist dieses Nachdenken über ein mögliches Ableben für dich ein Ventil, wo du mal alle "Schwärze" rauslassen kannst, die in dir drin ist. Die Möglichkeit, bzw die "Macht" zu haben, das eigene Leben zu beenden...da kann man drin schwelgen.

Allerdings ist das natürlich sehr unproduktiv. Es macht dich weder glücklicher, noch hilft es dir aus dieser Situation heraus. Wenn man aus einem Strudel heraus will, braucht man Energie. Das geht schon in Atomen los, wenn zB Elektronen ihre Bahn nach außen wechseln wollen, müssen sie Energie abgeben. Das geht bei einem Menschen weiter, der irgendwo feststeckt und sich befreien muss. Danach wird er nassgeschwitzt sein, aber er hat es geschafft. Bei dir ist nun eine "innere Kraft" nötig, dich aus dem Abwärtsstrudel zu ziehen - und vor allem brauchst du eine Hand, die sich dir entgegen streckt und dir bei Ausstieg hilft. Alleine ist das wahrscheinlich sehr schwer bis unmöglich.

Du selbst merkst ja, dass du Hilfe brauchst, du schreibst es ja auch. Du schreibst auch, dass du Hilfe möchtest, damit bist du schon alleine sehr weit gekommen! Viele merken es gar nicht, dass sie das nicht alleine schaffen. Du hast also vor diesen Menschen schon einen enormen Vorteil, weil du immer noch gut selbstreflektiert bist. Das ist ein großer Schritt und wird mit Sicherheit bei den nächsten Schritten gut helfen können.

Deine Freundin kann diese Hand übrigens nicht darstellen, denn sie ist ein Laie. Sie ist nicht vertraut mit solchen seelischen Schmerzen, das überfordert sie restlos. Sie versucht zwar für dich da zu sein, aber sie kann dir da gar nicht genügen.

Du merkst, dass da vor dir ein Berg ist, den du momentan nicht besteigen kannst. Alles rollt auf dich zu, alles geht schief, wie du schreibst. Das ist eine Abwärtslawine, die droht, dich unter ihr zu begraben. Wenn du an die ganzen Sachen denkst, die nicht laufen, wird dir wahrscheinlich sofort schlecht und du suchst einen Fluchtweg. Das Problem: vor seelischen Lawinen zu flüchten, geht nicht gut. Sie holen einen irgendwann ein, da sie ja in dir sind. Selbstmord würde dem höchstwahrscheinlich ein Ende setzen, aber danach wäre auch alles andere an Chancen erledigt. Aus, vorbei, null, schwarz. Dinge im Leben, die dir noch passieren können, passieren dann nicht mehr. Menschliche Begegnungen, eine Liebe vielleicht...oder die Chance auf einen tollen Beruf. Die Freundschaft zu deiner Freundin...es gibt viele Dinge, die einen neugierig auf den weiteren Lebensweg machen sollten.

Daher möchte ich dir doch gerne raten, bei Google mal eine Psychologin heraus zu suchen (Einfach Psychotherapie oder Psychotherapeutin und den Namen deiner Heimatstadt eingeben), gerne auch mehrere. Man darf sie austesten, dazu hat man jegliches Recht. Es kostet auch nicht wirklich etwas, außer vielleicht die 10 Euro Praxisgebühr, denn den Rest zahlt die Krankenkasse. Wichtig ist, dass die Chemie stimmt. Du kannst auch nach 5 Minuten wieder gehen, wenn du merkst, dass hier kein Vertrauen entstehen kann. Oft kann man, wenn die Chemie nämlich stimmt, einem Fremden sogar besser etwas erzählen als einem Bekannten.

Und das Gute: du musst am Anfang gar nicht darüber reden. Du kannst auch erstmal so mit der Therapeutin warm werden. Eine gute Therapeutin wird auch nicht gleich in dein tiefstes Innerstes vordringen und da rumwühlen. Sie wird dich erstmal stärken, dir Hilfestellung für den Alltag mitgeben, dein Selbstwertgefühl aufbauen und dich mit Freundlichkeit umhüllen. Und das tut verdammt gut und es erleichtert ungemein. Plötzlich ist man mit seinen Problemen nicht mehr alleine! Das ist total klasse.

Ich weiß, es fordert Mut. Und zwar eine große Portion davon. Ich kann dich trotzdem nur ermutigen, diesen Schritt mal zu probieren. Es ist ja völlig unverbindlich. Wenn du merkst, es geht nicht, such die nächste oder den nächsten. Keiner wird dich zu etwas zwingen. Du kannst zB auch deinen Text hier mitnehmen und meine Antwort darauf und das einfach wortlos vorlegen, wenn du Angst hast, sprechen zu müssen und nicht zu können. Das geht auch.

Du warst jetzt schon so tapfer und hast dich hier deinen Sorgen und Nöten gestellt. Du warst ehrlich zu dir selbst und hast erkannt, dass du Hilfe benötigst. Du hast also eine gewisse menschliche Größe und auch einigen Mut bewiesen. Nun geh diesen Weg weiter. Hol dir Hilfe im Umfeld, am besten wirklich professionelle Hilfe, da diese Menschen darauf geschult und spezialisiert sind und dir in kürzester Zeit wirklich Erleichterung und Hilfestellung geben können. Du bist dann fähig, neue Horizonte und Denkweisen zuzulassen, du wirst wieder mal lachen können und merken, dass der Berg mit Hilfe gar nicht so schlimm ist.

Ein Freund von mir war letztens zum ersten Mal bei einer Therapiesitzung. Er war monatelang vorher kaum noch zu gebrauchen, ihm ging es sehr schlecht. Dann hatte er extrem Angst vor dieser ersten Sitzung....und als er dann danach wieder kam, ist er auf Wolken geschwebt. Schon nach dieser ersten Stunde ging es ihm immens besser, einfach nur, weil jemand da war, der zugehört hat und einige Tipps gegeben hat. Die Entwicklung und der Unterschied zu vorher waren enorm, ich war total erstaunt.

Mach es. Fass den Mut und suche dir Therapeuten raus. Geh einfach hin...nicht anrufen, nicht mailen, geh einfach hin. Stell dich hin und sag: ich brauche Hilfe. Mehr musst du gar nicht sagen. Knall diesen Brief auf den Tresen, wenn du nicht reden willst und dann warte, was passiert. Nimm deine Freundin mit, wenn du Angst hast, alleine zu gehen. Aber nimm dich ernst. Nimm deine inneren Schreie ernst. Du interpretierst das richtig.

Du willst nicht sterben, du willst Hilfe.

Hol sie dir! Ich weiß, du kannst das. Du bist klug genug.

Wenn du möchtest, kannst du gerne in ein paar Wochen hier berichten, wie es dir ergangen ist und was du gemacht hast. Ich würde mich freuen, von dir zu hören!

Liebe Grüße,

Dana