Problem von Marcel - 19 Jahre

Ich bin an dem Tiefpunkt meines Lebens

Hallo ich heiße marcel und bin so ziehmlich am Tiefpunkt meines Lebens .. ich möchte mir das einfach alles von der Seele schreiben, da es mich sonst kaputt macht.. Ich bin mittlerweile erwachsen geworden und weiß, dass es mich nur so weiter bringt .. also bitte spart euch die Kommentare wie "was bist du für einer" bla bla .. ich weiß das es schlecht ist aber auch am Abgrund gibt es Hoffnung ..
Es fing wohl alles damit an, als sich meine Eltern trennten und wir aus einem anderen Land hier nach Deutschland kamen .. da war ich ca. 12 .. wir zogen in den Ruhrpott in eine kleine Stadt, die nicht gerade vielversprechend für mich war .. ich lernte daraufhin viele falsche freunde kennen mit denen ich nur Mist gebaut habe. Wir klauten, rauchten und fühlten uns cool .. da ich aber von Grund auf ein guter Mensch bin, fühlte ich mich schon damals nicht so gut dabei .. ich wurde schließlich älter und lernte immer mehr Leute kennen die mich auf den falschen Weg brachten und ich, so naiv wie ich bin, konnte nicht richtig Nein sagen .. jedenfalls häuften sich dann die Anzeigen auch teils wegen Rollerdiebstahl auf 16 stück (als ich 16 war) .. dann begriff ich, dass es so nicht weiter gehen kann und hielt mich erstmal von meinen damaligen Freunden komplett fern .. in dieser Zeit fing ich auch an, zu kiffen. 1 1/2 Jahre lang war ich dann nicht auf Diebestour und ein gutes integriertes Mitglied in der Gesellschaft, bis ich wieder auf die falschen Freunde traf .. sie machten mir viel vor und fuhren mit mir dann eines Tages zu einem Haus .. dort wollten die einbrechen und ich sollte gucken .. ich hatte denen gesagt das ich sowas nicht mehr mache und wollte gehen aber wir waren in einer anderen stadt und ich hatte weder geld noch eine Idee wie ich nach Hause komme, so blieb ich dann und hielt wache .. anschließend gaben sie mir 100€, was mich dazu verleitete, öfters mitzukommen aber nur zu schauen .. ich bin dann ca. 8x mitgegangen und auch dummerweise 2-3x rein gegangen .. nach einer Weile wurde einer der Jungs erwischt woraufhin er alle verraten hat.. jetzt erwartet mich eine Gerichtsverhandlung als Beschuldigter in 10 fällen .. aber dazu kamen noch weitere 2 Anzeigen weil ich betrunken aus Wut (lange Geschichte) einen Autospiegel abgetreten und mehrere Autos angerempelt habe .. dazu musste ich heute auch übrigens eine Aussage machen, in der ich alles zugegeben habe. Jetzt denkt ihr bestimmt dass mir nicht zu helfen sei, weil ich keine beruflichen Perspektiven habe o.Ä. aber Nein, so ist es nicht. Ich spreche fließend Deutsch, Spanisch und Englisch. Bin sehr Mathe-begabt und besuche zur Zeit die 12. Klasse, wo ich ein Fachabitur in Wirtschaft absolviere. Ich strebe einen realistischen Numerus Clausus von 1.7 - 2.1 an, mit dem ich einen Bachelor of Economy und ggfls. ein Master Fernstudium absolvieren könnte. Ich denke allerdings die ganze Zeit an nichts anderes als meine Anzeigen und die Gerichtsverhandlung, denn eine Freiheitsstrafe kommt für mich in Frage und das würde meine Karriereaussichten deutlich verschlechtern. Selbst eine Bewährung wäre für mich eine Katastrophe, deshalb rätsel ich, ob der Richter damit einverstanden wäre, dass ich statt einer Freiheitsstrafe wie Jugendarrest, minimum 1000 Sozialstunden mache. Mit dem Argument, dass ich so etwas für zB. kranke oder alte Menschen tu, statt den ganzen Tag in einer Zelle zu sitzen.
Es ist für euch jetzt bestimmt schwer, mich einzuschätzen, aber ich bin wirklich kein hoffnungsloser Fall und genau das ist das Problem..
Ich weiß nicht wie es so weit kommen konnte .. zwischen durch habe ich auch immer wieder schlimme Sachen erlebt, wie den Tod meines Opas. Ihr habt auch sicherlich von dem Unglück auf der Loveparade in Duisburg erfahren, dort war ich auch. Es sind 2 Menschen neben mir gestorben, die vorher um Ihr Leben geschrien haben .. und ich konnte nichts machen weil ich selber eingequetscht war.
Oder liegt es daran, dass ich Fernweh habe?! Ich fühle mich in Deutschland nicht wohl .. ich habe oft depressionen, zeige sie aber nicht .. das kiffen beruhigt mich zur Zeit, weil ich das alles einfach hinter mich bringen will .. aber immer wenn ich das fast vergesse und einfach in den Tag lebe, passiert was neues .. Ich wurde zB. letztens geblitzt .. mit warscheinlich 22 km/h zu schnell. Ich bin zwar nicht mehr in der Probezeit, muss aber trotzdem 120€ bezahlen und bekomm noch n Punkt in Flensburg dazu .. Am meisten tut mir aber meine Mutter leid .. sie ist immer für mich da und die beste Mutter die ich mir vorstellen kann.. aber ich enttäusche sie immer wieder .. ich bin faul und helfe ihr nicht oft beim Haushalt .. was sich aber mittlerweile geändert hat .. ich versuche sie immer zu überraschen, in dem ich was leckeres koche u.Ä. aber dennoch schäme ich mich für meine Taten .. ich weiß das ich es hiermit nicht wieder gut mache, aber ich brauche zur Zeit ein Gefühl von Freiheit in meinem Kopf und Ja, mir geht es schon etwas besser .. Ich wäre aber auch sehr dankbar über Tipps und Erfahrungen, der Leute die ähnliches durchgemacht haben.. Also wirklich einen Kummer aus "selbstverschulden" .. Danke wenn ihr es bis hier her geschafft habt!

Dana Anwort von Dana

Hallo, Marcel!

Es ist schade, dass viele denken, dass wir, wenn sie hier schreiben, auf sie herunter gucken oder abfällig denken.
Das ist nicht der Fall.

Jeder Mensch hat seine Päckchen zu tragen, verschuldet, unverschuldet, schlimmer, nicht so schlimm...und wir sind hier für euch da, hören euch zu und versuchen, ein wenig zu helfen. Wir werten nicht, wir fühlen uns nicht achsoviel besser wie ihr...wir sind einfach nur da. Ich hoffe also, dass das, was ich dir nun als Antwort schreibe, genauso bei dir ankommt wie ich es meine: eine Antwort, die auf einer Ebene, mit Respekt für den Anderen geschrieben ist.

Du siehst deine Fehler, du teilst deine Gedanken mit uns. Du reflektierst, was schief lief und du hast Sorgen. Und darauf reagieren wir. Nicht auf moralische Seiten. Das heißt, auch wenn vielleicht ein Gedanke von mir etwas "härter" anmuten sollte, ist er nicht verachtend geschrieben und gemeint.

So...dann wollen wir mal. :)

Du bist ein Mensch mit einer bewegten Vergangenheit. Intelligent, ein kluger Kopf...eloquent und mittlerweile wohl wissend, was du eigentlich willst und was nicht. Deine Vergangenheit haut dir da momentan mehrere Striche durch Rechnungen, allerdings wirst du diese Rechnungen abzeichnen müssen, es hilft nichts. Für diese Situation kann ich dir nur raten, dir einen guten Anwalt zu suchen, der mit dir genau das Gewünschte versucht durchzuboxen. In dem Punkt darf ich auch nichts weiter schreiben, da wir hier keine Rechtsauskünfte geben dürfen. Ein Anwalt wird dir sagen, was da gehen könnte und was nicht. Es war früher halt mal wie es war...und da musst du jetzt einfach durch.

Das Gute: wenn das endlich rum ist, wirst du "frei" sein. Endlich sind die Altlasten erledigt und es kann vorwärts gehen. Wenn du damit jetzt schon mal anfangen möchtest, nimm dir deine Mutter zur Seite, drück sie und sag ihr mal, wie sehr du sie lieb hast. Setze dich mit ihr mal hin und rede über das, was dich bewegt. Eltern haben in 98% der Fälle eine Bindung zu ihrem Kind, egal, was es tut. Und auch sie wird dir zuhören und vielleicht wird sie schöner reagieren als du dir das vorstellst.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass du vielleicht einfach "entwurzelt" bist. Du musstest aus deiner Heimat weg, bist hier nie richtig angekommen, ruhst also auch nicht in dir. Du hast kein "Heim"gefühl. Und das macht suchend, das macht fahrig. Vielleicht musst du dir ein Heim schaffen. Wie und wo auch immer das sein könnte. Da könnte zB auch eine ambulante Therapie helfen...Psychotherapeuten sehen die Gründe und Möglichkeiten einfach viel schneller als jemand, der das nicht studiert hat. Man bekommt sehr zeitnah Hilfe und Möglichkeiten, den Alltag wieder aufzubauen. Auch könnte so eine Therapie sich mildernd auswirken, könnte ich mir vorstellen und auch deine depressiven Phasen werden aufgefangen.

Was die Drogen angeht: das ist jetzt kein warnender, moralischer Zeigefinger, sondern einfach Realität: Sofort einschränken, weil gerade Drogen Depressionen stark fördern. Und wenn du da eh schon prädestiniert für bist, würde ich damit beginnen, sie wegzulassen.

Wichtig ist auch, dass du zwar für deine Taten einstehst, dich aber jetzt nicht selbst zermarterst, weil du ja "so ein schlechter Mensch" bist. Du hast selbst gesagt, du bist da reingeraten, der Gruppenzwang war groß, aber im Herzen bist du anders. Dann fang an, das zu zeigen. :) Überall und immer. Zeig, wer du wirklich bist, was in dir wirklich vorgeht. Wenn du so bist, wie ich hier aus deinen Zeilen lese, bist du ein guter Erdenbewohner, ein charismatischer Mensch und ein Mensch mit hohem Potential.

Und auch wenn da momentan noch ein kleiner Berg vor dir liegt, der erklommen werden muss, kannst du trotzdem schon das Bild von dir, das du selbst hast und das andere von dir haben, zurecht rücken. Sei Maler, Bildhauer...und arbeite an dir so, wie du dich siehst und wie du sein möchtest. Die geistigen Möglichkeiten dazu hast du.

Du weißt nicht, wie es soweit kommen konnte. Das ist eigentlich jetzt auch wurscht. Es ist passiert, die "Flecken im weißen Hemd" sind da...aber du wirst dafür gerade stehen. Schau deshalb mehr in die Zukunft. Überlege, wo deine Möglichkeiten liegen (hast du ja schon zum Teil) und wie du sie realisieren kannst. Sprich mit deinem Anwalt darüber, was alles geht, lass deine Mutter näher an dich ran, schau, wo potentielle Freunde sein könnten, die dich in "andere Welten" mitnehmen als die, die du vorher hattest. Schöpfe einfach dein Potential aus. Hemme dich nicht mit den Gedanken an "gestern". Man kann es nicht wegradieren, es steht auch so ein wenig als "Mahnmal", aber du kannst drumrum Neues pflanzen. Und dazu möchte ich dir raten.

Im Leben wird immer viel passieren. Punkte in Flensburg kenne ich auch. Es sollten nur keine vergangenheitsbedingten Rückschläge mehr kommen.

Geh auf die Suche nach deinem "neuen Zuhause" in dir. Lebe so, wie du sein willst, lebe das vor, lebe das nach. Such dir Vorbilder, such dir Vertrauenspersonen, vor allem deine Mutter. Bleibe mit deinen Gedanken nicht alleine.

Ich wünsche dir alles Gute und viel Erfolg im weiteren Leben, Marcel!
Vielleicht magst du in ein paar Monaten nochmals schreiben, wie alles weiter gegangen ist? Ich wünsche dir das für dich Beste.

Alles Liebe,

Dana