Problem von Domi - 25 Jahre

Weiß nicht mehr wo mir der Kopf steht.

Hallo lieber Kummerkasten,

nachdem sich meine allgemeine Motivationslosigkeit immer weiter niederschlägt, muss ich einfach mal drauf losschreiben. Ich kann mein Problem selber nicht genau definieren, habe allerdings einfach das Gefühl, dass mir alles über den Kopf gewachsen ist und ich nichtmehr weiß wo ich anfangen soll.

Aber erstmal zu meiner "Geschichte".

Ich bin 26 Jahre alt, habe eine abgeschlossene Ausbildung als Systemgastronom gemacht und danach 1 Jahr u.a. in Führungsposition gearbeitet. Nicht zuletzt aufgrund der damaligen Arbeitszeiten, habe ich mich entschlossen zu studieren. Ich fand eine Aufstiegsweiterbildung, welche offiziell als Studium galt, zum staatlich geprüften Betriebswirt. Diese habe ich dann auch begonnen, finanziert durch Bafög.

Am Anfang lief alles super, die Noten waren gut und mir hat das ganze Studium Spaß gemacht. Auch der Stoff war sehr interessant. Nach einem Semester ging es in die Schwerpunkte - ich habe mich dort für Rechnungswesen entschieden. Nach dem 2. Semester (zeitlich ungefähr letztes Jahr im Herbst) kam dann vieles auf einmal.

Zuerst einmal sind meine Großeltern aus ihrem Einfamilienhaus (auf Miete) in eine altengerechte Wohnung gezogen und da sie nicht "irgendwelche" Leute dort einziehen lassen wollten, konnten wir es mit der Wohnungsgeschaft regeln, dass ich dort einziehen konnte. Das war super Sache, als Student ein Einfamilienhaus mit Garten, die Miete war auch sehr geringer, geringer sogar als in meiner damaligen 45m² Wohnung. Der Umzug war sehr stressig, da ich parallel auch die neue Wohnung und den Umzug meiner Großeltern mitmanagen musste. Nach dem Einzug waren meine Großeltern natürlich noch sehr oft da, schließlich haben sie 70 Jahre in dem Haus verbracht und u.a. meine Mutter hier geboren. Anfangs ließ ich viele Sachen noch unverändert, einfach da ich meinen Großeltern nicht zuviel zumuten wollte. Wie ältere Leute halt sind, haben sie ihre Routinen und sobald ich irgendetwas anders gemacht habe, als mein Großvater es jahrelang gehandhabt hat, gab es Diskussionen. Das war sehr anstrengend. Ganz banales Beispiel: Die Befestigung wurde immer an den 2. Pfosten des Gartenzaunes gebunden (laut Opa), ich hab sie mal um den 3. gebunden .. man oh man. Irgendwann habe ichs dann übers Herz gebracht und ihnen erklärt, dass sie nicht mehr hier wohnen und bitte nichtmehr alle 2 Tage vorbeikommen sollen. Seitdem hat sich die Lage dahingehend auch beruhigt. Allerdings hat der ganze Stress mir damals einige Fehlzeiten in der Uni eingebracht und dementsprechend wurden auch die Noten schlechter. Ich bin öfters einfach nicht gegangen.

Auch das Bafögamt ging langsam auf die Barrikade, allerdings konnte ich es abklären, dass die Zahlungen bis Ende des Studiums weitergingen. Trotzdem habe ich es seitdem nicht mehr geschafft die Kurve zu bekommen, sodass ich mich dazu entschlossen habe das letzte Semester zu wiederholen - allerdings im Schwerpunkt Personal. Seit 1.10.2012 läuft dieses. Da das Bafög-Amt die ganze Sache allerdings nichtmehr trägt, habe ich mir einen lukrativen Nebenjob gesucht.

Die Studienzeit beträgt täglich von 8:00-13:15, zusätzlich gehe ich 87St im Monat arbeiten.

Im September ist zudem meine Lebensgefährtin mit ihrer Tochter bei mir eingezogen. Das ist klasse und soll auch genau so sein. Meine Lebensgefährtin hat 2 Jobs und ist in der Woche auch recht ausgebucht. Die kurze wird eigentlich nachmittags hauptsächlich zu den Großeltern gegeben, die uns sehr unterstützen. Sie ist 3,5 Jahre alt.

Neben dem Studium mache ich mein Abitur nach und betreibe Handball. Außerde, trainere ich mit meiner zukünftigen Frau noch eine Mini-Mannschaft bei uns im Verein. Wenn ich Zeit habe, spiele ich gerne Online-Spiele am PC. Mein bester Kumpel hat vor ca.1 Jahr seine 18 Jährige Frau geheiratet und eine 1,5 Jahre alte Tochter, seitdem haben wir kaum noch Kontakt (ich denke es liegt an seiner Frau, die für mich den typischen RTL-Nachmittagsprogramm-Teenie vertritt).

Meine Woche sieht wie folgt aus:

Mo: 8-16 Uni, 17-18 Mini-Training, 18-21 Training
Di: 8-13:15 Uni, 16-21 Arbeit
Mi: 8-13:15 Uni, 18-21 Training o. 16-21 Arbeit
Do: 8-13:15 Uni, 16-21 Arbeit
Fr: 8-13:15 Uni, 17-22h Arbeit
Sa: meist 11 Stunden Arbeit um auf meine Stunden zu kommen
So: geht meistens komplett für den Handball drauf

Zeit zum lernen habe ich kaum und mittlerweile lasse ich immer häufiger die Uni sausen, ich denke einfach um Zeit für mich zu haben. Die Arbeit macht mir viel Spaß, ich habe eine Vertragsverlängerung bekommen und sogar die Möglichkeit ab Februar (da endet das Studium) auf Vollzeit in einer Führungsposition dort anzufangen.

Fakt ist, dass ich keine Motivation mehr für die Uni finde und dementsprechend Fehlzeiten habe, was sich mit Sicherheit auch in den Noten wiederspiegelt. Meine Zukünftige moniert sich auch immer mehr über fehlende gemeinsame Aktivitäten, da wenn ich mal Mittwochs oder Sonntag abend frei habe, ich mich im Onlinespiel mit "meinen Leuten" austausche, einfach weil ich auch mal wen zum normalen reden brauche - übers zocken, über Sport, über Politik. Einige Leute aus meiner Online-Truppe kenne ich auch Privat und Silvester wollen wir bei mir zusammen feiern.

Ein weiterer Punkt ist die finanzielle Seite. Das Studium hat viele finanzielle Rücklagen verschlungen, sodass ich trotz knapp 850 Euro einkommen am 10. des Monats blank bin. Unseren Lebensunterhalt regeln wir irgendwie über das geringe Einkommen meiner Lebensgefährtin.

Ich merke auch wie sich meine Antriebslosigkeit auf meinen Sport niederschlägt. Mittlerweile ist es fast schon ein Zwang dort zu erscheinen, aber ich brauche das auch als Ausgleich von allem. Mit den Jungs spiele ich seit 20 Jahren zusammen. Zudem ist es dort egal, was du machst, welchen sozialen Stand du hast oder wie deine finanzielle Lage ist.

Ich versuche mich momentan irgendwie bis Februar durchzuschleppen, aber ich bin müde, vor allem im Kopf. Meine Mutter, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis habe, sowie meine Lebensgefährtin sagt dass ich mir viel zuviele Gedanken um alles mache. Ich denke sie haben Recht, aber mir fehlt es irgendwie an Kraft mich aufzuraffen, bzw. einen Antrieb zu finden. Wie schon erwähnt leidet vor allem die Uni, aber mittlerweile auch meine familiären Verhältnisse darunter. Es gibt immer mehr Streit, meist weil ich keine Zeit finde, bzw. die freie Zeit die ich ohne Verpflichtungen habe, vorm Rechner sitze.
Die Sprüche a la: Andere gehen auch arbeiten und haben vieles zu bewältigen bringen mich dabei leider auch nicht weiter. Ich denke die Uni mache ich sowieso nurnoch, weil es kurz vor Schluss ist, eigentlich will ich garnicht mehr.

Ich denke ich habe mein Problem selbst erkannt, aber irgendwie auch nicht - zumindest finde ich keine Lösung, keine Motivation und fühle mich einfach nur müde, kann meine Gedanken nicht mehr ordnen und schaffe es schon länger nichtmehr zwischen den verschiedenen Lebensbereichen Uni, Arbeit, Familie, Sport, Freunde umzuschalten. Viele tun das als Gejammer ab.

Meine Ärztin, der ich mich anvertraut habe, hat mir zu einem Psychologen geraten, aber ich weiß nicht wann ich den noch unterkriegen soll..

Ich würde mich über die Beurteilung und vielleicht einen Rat eines Außenstehenden freuen.

Eigentlich wäre ja alles perfekt, wenn ich alles vereint bekommen würde.

Liebe Grüße,
Domi

Dana Anwort von Dana

Lieber Domi!

Nein, das ist kein Jammern, was du da machst.
Du bist einfach chronisch überfordert und kriegst nicht alles unter einen Hut. Daher machst du das einzig Richtige: du suchst dir jemanden, der nicht involviert ist, alles vielleicht mit mehr Abstand bewerten kann und bittest um Hilfe.

Und genau das ist der Punkt, an dem ich der Meinung bin, dass du keinen Psychologen brauchst. Ich rate OFT zur Therapie, glaube aber, dass das bei dir nicht nötig ist. Du reflektierst völlig alleine und eigentlich weißt du auch, was du tun musst.

Mach dir eine Liste.

Schreibe der Reihe nach auf, was du so im Leben gerade machst, was dein Leben teilt. Ordne diese Punkte nach ihrer Wichtigkeit.

zB:

Freundin und ihre Tochter
Haus
Eltern, Verwandte, Freunde
Handballerjungs
Minitraining
Arbeit
Abitur
Onlinegruppe
....

und so weiter. Die Uni muss mit rein, die Hobbies, die Aktivitäten, die du regelmäßig machst, auch das, was du momentan nicht leisten kannst, weil keine Zeit, aber gerne leisten WÜRDEST. Ordne das alles der Reihe nach, das Wichtigste nach oben, wie ich es oben gemacht habe. Lass dir dafür MEHRERE TAGE, vielleicht sogar Wochen Zeit. Schau immer wieder, ob diese Ordnung wirklich stimmt. Ändere notfalls Punkte noch ab, setze die Prioritäten anders...

...und wenn eine Zeit rum ist, cancelst du ALLES, was im unteren Fünftel steht. Wichtig: keine Dinge "erfinden", die eigentlich nicht wirklich zu deinem Alltag gehören, nur damit das untere Fünftel mit Unwichtigem voll ist. ;)

Es ist wichtig, dass du dein Leben neu strukturierst und auch auf Dinge verzichtest. Dein Alltag ist zu voll, du kommst deiner eigenen Zielsetzung nicht mehr hinterher, dein Umfeld beginnt, dich zu ermahnen, das setzt dich noch weiter unter Stress...nicht gut. Es gibt Dinge in deinem Leben, die dir sehr wichtig sind und andere, die so mitlaufen, die du schon lange machst oder die "halt da sind"...und da gilt es zu schauen, wo du mal kürzer treten kannst.

zB: brauchst du Abi und Uni wirklich? Ist es Voraussetzung für den Job, in dem du bald mit mehr Stunden und Führungsposition übernommen wirst? Oder ist es egal? WENN es egal ist, also wirklich wurscht, dann cancel doch die beiden Dinge. Warum musst du das machen, wenn es gar nicht nötig ist? Ein Mensch definiert sich nicht über seine vielen Ausbildungen und Studien. Sollten diese beiden Dinge aber wichtig für deinen Job sein, dann setze sie in der Wichtig-Liste weiter hoch und nimm dir wieder mehr Zeit dafür.

Verstehst du? Einfach mal schauen, welche Bereiche deines Lebens etwas "entmüllt" werden könnten. Du hortest. Andere horten Sammelartikel, du hortest Hobbies, Aktivitäten, Freunde... irgendwo ist die Grenze deiner Leistungsfähigkeit. Und da musst du ansetzen. Geh deine Aktivitäten durch und schaue, wo wirklich dein Herz dran hängt und wo du sagen könntest: "Ok, hier kann ich mal für ne Weile aussetzen."

Ich geb dir mal ein Beispiel meines Lebens:

Ich bin Musikerin und arbeite auch in diesem Beruf sehr hart. Lange Jahre (zehn waren es glaube ich) hatte ich einen Kinderchor mit über 50 Kindern. Für diesen Chor habe ich wenig Geld bekommen, ich habe es aus Spaß gemacht. Aber er hat unglaublich viel Zeit gefressen. Die Chorproben, die Auftritte, das Zusammensuchen und Bearbeiten von Noten, die Kinderfreizeiten...ich habe für diesen Chor sehr viel gemacht. Und irgendwann merkte ich, dass ich unter Stress stehe. Und so gerne ich die Kinder hatte...der Chor flog nach langem Überlegen raus. Ich konnte einfach nicht mehr und musste mich einschränken.

Es war schlimm. Die Kinder haben geheult, ich habe geheult...der Chor ist leider auch inzwischen eingegangen, weil die neuen Dirigenten ihn runtergewirtschaftet haben...aber mir ging es einfach besser danach. Ich hatte plötzlich auch für mich mal einen Moment der Ruhe, konnte mal EINEN Abend daheim bleiben...und in mir beruhigte sich alles.

Und genauso wird es dir auch gehen, wenn du mal wirklich "hart strukturell" durch deinen Alltag gehst und schaust, was raus kann. So, wie es momentan läuft, wirst du es nicht weiter beibehalten können. Du tust ZU viel. Vieles hängt inzwischen durch, deine Freundin kritisiert auch schon, dass du dich nach der Arbeit abschottest, aber es ist verständlich, dass du mal einen Moment des Rückzugs brauchst. Aber eine Onlinegruppe darf nicht alleiniger Rückzug sein! Deine Beziehung muss das genauso sein können, du musst dir selbst Rückzug sein können.

Und um wieder mehr in dir zu ruhen und weniger Stress im Körper und Geist zu haben, ist es wirklich nötig, dich einzuschränken, Dinge aufzugeben, die aufgebbar sind. Dich zu befreien von dem Zwang des Terminkalenders.

Meiner bescheidenen Meinung nach schaffst du das ohne Psychologen. Rede mit deiner Freundin drüber, zeig ihr gerne auch meine Antwort, überlegt gemeinsam, was du lassen kannst, ohne nächtelang zu weinen. Überlegt gemeinsam, wie IHR wieder mehr miteinander tun könnt, als Familie...du musst zur Ruhe kommen. Jedenfalls mehr, als das momentan der Fall ist.

Ich wünsche dir dafür alles Gute, viel Erfolg und auch genug Durchsetzungskraft, alles in die Wege zu leiten. Habe den Mut zum NEINsagen. Es ist wichtig für dich, finde ich.

Alles Liebe!

Dana