Problem von Lisa - 15 Jahre

HILFE ICH GLAUBE ICH WERDE VERRÜCKT!

Hallo Liebes Kummerkasten - Team,
Wenn ich ehrlich sein soll komme ich mir ein wenig dumm vor hier zu schreiben aber ich sehe keinen anderen Ausweg mehr ..
Vor ungefähr 4 jahren hat meine Mutter einmal Drogen genommen, es kam ziemlich schnell ans licht und an die Familie. Ich wurde dann 2 jahre von ihr getrennt.. Seit ich wieder bei meiner Mutter bin und sie clean ist, wünsche ich mir sie hätten mich damals in ein heim gesteckt! Seit dem habe ich so viel erfahren was für mich einfach zu viel war. Mir wurde erzählt, das ich der grund für die scheidung meiner Eltern war, mein vater ebenso Drogen nimmt.. habe mitbekommen wie die Ehe meiner Großeltern zerbrochen ist , meine Mutter sich durch die Weltgeschichte gehurt hat ( was sie immernoch tut) Wie mein Bruder tag täglich geschlagen wird.. jetzt kam hinzu das wir unser haus verlieren und mein Vater weg zieht. Das einzige was ich habe sind die Schule, wo ich mich versuche drin zu retten.. ich lerne pausenlos und strapaziere meine Nerven aber ich glaube sonst verliere ich den verstand. Seit ca 3 Jahren ritze ich mich auch! Manchmal wenig & seit kurzem sehr sehr tief und an allen möglichen Stellen. ich habe mich an einen Arzt gewendet und musste somit auch meiner Mutter erzählen wie gestört meine psysche ist. Sie fing an zu weinen .. nächtelang. Oft auch wenn ich bei ihr war. Ihr könnt euch ja vorstellen wie schlimm das fuer ein kind ist der Grund zu sein weswegen die Mutter weint.
Naja der psychiater bringt mich auch nicht weiter mir wurde gesagt das ich ein eher Harmloser fall wäre. Aber mitlerweile wird es immer schlimmer ... Ich bekomme sardistische und auch leicht schizophrene Gedanken.. Wenn ich in größeren Menschenmassen bin überkommt mich maßlose wut & ich stelll mir vor wie ich jedem einzelnen etwas antue. Es ist wie als wäre ich in trance... Hinzu kommt das ich an schwindelgefühlen leide worüber ich ziemlich froh bin da ich, wenn ich in ohnmacht bin , niemandem leid zufügen kann. Unter anderen stelle ich mir oft vor wenn ich im Bus sitze, das wir einen unfall bauen und ich sterbe.. diese vorstellung geht meist über in ein starkes verlangen.. ich wandle zwischen mord- und selbstmord Gedanken ..
der psychiater hält es nicht für nötig das ich zu einem psyschologen gehe, wobei es das einzigste ist was ich brauche.. deswegen schreibe ich hier.
ich brauche jemanden der mir zuhört ...
ICH SCHAFF DAS NICHT MEHR ICH WERDE VERRÜCKT!
Bitte helft mir :(((

Dana Anwort von Dana

Meine liebe Lisa.

Zuallererst: du wirst nicht verrückt. All das, was so in dir drin ist, ist erklärbar und, nachdem, was ich gelesen habe, fast natürlich. Ja, es sollte gefiltert und auch bekämpft werden von dir - aus dem Grund schreibst du ja auch, weil du um Hilfe dabei bittest - aber es ist kein Zeichen für Verrücktsein, sondern logische Folgen aus dem, was dir alles schon geschehen ist.

Was ist alles in dir:

Hilflosigkeit vor allem. Du siehst der Reihe nach, wie alles zerrinnt, siehst Gewalt und kannst nichts tun.
Trauer
Wut
Entwurzelung
Unsicherheit in der Familie und Haltlosigkeit
Schuldgefühle
Mord- und Selbstmordgedanken

Das wären jetzt, wenn ich deinen Text nochmals durchgehe, so die Hauptpunkte, die Hauptemotionen. Natürlich sind da noch viel mehr in dir drin, aber lass uns mal ein wenig bei diesen Emotionen bleiben, die ich da aufgeschrieben habe.

Die Emotionen, die da in dir drin sind, wollen raus. Sowas kann man gar nicht alles mit sich selbst ausmachen. Und du schwankst jetzt zwischen EXplodieren (andere umbringen, Leid zufügen, um dich schlagen) und IMplodieren (dich selbst verletzen, dich selbst umbringen). Du suchst dir Ventile, die Aggressionen und den Druck abzulassen, das Ritzen und die Gedanken an Gewalt (dir gegenüber oder anderen gegenüber) helfen da. Du richtest sie gedanklich nach außen und leider nicht nur gedanklich nach innen. Aber das macht dich nicht zu einer Verrückten, das ist wirklich eine durchaus normale Folge.

Dazu kommt das starke Lernen für die Schule.
Überleg selbst...es gibt auch dafür eine sehr logische Erklärung, wie für das Ritzen auch. Beides (das eine positiv, das andere sehr negativ für dich) ist eine Form von Kontrolle. Dein Leben verläuft sonst sehr unkontrolliert, weil alles um dich herum "schwankt". Du hast keinen Halt, keine Sicherheiten, nirgends, wo du mal dich einfach fallen lassen kannst. Keine Kontrolle. Wenn du dich ritzt oder wenn du so hart lernst, schenkst du dir die Kontrolle. Du hast dann Kontrolle über deinen Geist, dein Können, deinen Körper. Das sind Ventile, Lisa, durch die du Kontrolle erreichst, die sonst fehlt und du Dampf ablassen kannst. Wenn du lernst, ist dein Geist auch mit völlig anderen Dingen gefülllt und das "Drama" daheim gerät ins Hintertreffen. Ich finde es extrem gut, dass du SO ein Ventil gewählt hast! Da kannst du ganz stolz auf dich sein!! Andere zerschlagen dann Autos, du lernst. Das ist echt genial. Es zeigt eine tolle Reife bei der Suche nach Ventilen. Das Ritzen wirst du in den Griff bekommen, wenn du lernst, dir wieder mehr Entspannung zu gönnen. Wenn du lernst, dass Kontrolle auch in anderen Bereichen möglich ist.

Allerdings könntest du beim Ritzen schon mal eine andere Art der Kontrolle "üben": versuche dich selbst davon abzuhalten, zu tief zu ritzen. Versuche mit deinem Geist, deine Hand daran zu hindern, zu tief zu gehen. Wenn du das geschafft hast, kannst du beim nächsten Mal versuchen, den Schnitt zu verkürzen. Weniger tief und weniger lang. Versuche, die Kontrolle über dein Handeln da zu erlangen. DAS wäre dann die richtige Art der Kontrolle über deinen Körper und deinen Geist. Macht ist nicht, etwas zu tun, weil man es kann. Macht ist, etwas tun zu können, es aber zu lassen. Vertrau mir und versuch das mal. Vielleicht gelingt es dir bald, das Ritzen auf einen "Pieks" zu reduzieren...und dann irgendwann ganz zu lassen. Setz dich da aber bitte nicht unter Druck, behalte es aber bitte einfach im Hinterkopf und teste es aus.

Und ja, ich teile deine Meinung: du solltest unbedingt eine Therapie beginnen. Und ich finde es ziemlich gut, dass du dafür kämpfen willst, dass du das selbst schon so siehst.
Du bist nicht verblendet, du siehst sehr realistisch, was du brauchst. TOLL!! Wirklich. :) Und ich möchte dir wirklich raten, da weiter dafür zu kämpfen. Geh zu deinem Hausarzt, bitte um eine Überweisung zu einem Psychotherapeuten (nicht zu einem Psychologen, nicht zu einem Psychiater). Es ist wichtig, dass die richtige Bezeichnung auf dem Rezept steht.

Deine Mutter hat geweint, als du das letzte Mal das thematisieren musstest. Gib da nicht dir die Schuld. Sie hat nicht geweint, weil du ja sooo gestört bist. Sie hat geweint, weil sie komplett überfordert ist und merkt, dass das Leben ziemlich in Schutt und Asche liegt. Vielleicht tut es ihr auch einfach gut, wegen DIR mal zu weinen, dann muss sie nicht wegen sich selbst weinen. Die Wege, die IHR Geist geht, sind einfach ganz andere als deine. Du bist schuldlos. Wirklich.

Wenn du nicht zum Hausarzt gehen möchtest, kannst du auch einfach so zu einem Psychotherapeuten gehen. Telefonbuch oder Google ("Psychotherapie" + den Namen deiner Heimatstadt eingeben, wenn du in einer zu kleinen Stadt wohnst, gib die nächstgrößere ein). Sie werden dich nicht weg schicken. Geh gerne zu mehreren, das ist erlaubt. Teste aus, wen du für gut hältst, das ist dein Recht. Du musst ihm/ihr vertrauen können. Bitte darum, ernst genommen zu werden. Ich nehme dich ernst. Und ich weiß, du willst, dass es dir besser geht. Und ich möchte von ganzem Herzen, dass du weiter dafür kämpfst, Lisa! Du bist es wirklich wert! Tu es dir und mir zuliebe.

Klar, es ist unangenehm, einfach in eine fremde Praxis zu marschieren, aber du hast das schon mal hinbekommen! Ich glaube, dass du ein sehr mutiger Mensch bist, der ehrlich zu sich selbst ist. Und ich zolle dir hohen Respekt.

Geh deinen Weg, Lisa. Mit einer Therapie, mit dem guten Lernen in der Schule. Und du wirst einen Weg gehen können, der deiner Familie verwehrt geblieben ist. Einen Weg einer guten Ausbildung, eines Berufes...einen Weg voll EIGENER Sicherheit und Kontrolle. Und vielleicht wirst du irgendwann eine eigene kleine Familie haben, der du Sicherheit und Geborgenheit geben kannst...wäre doch toll. =)

Ich würde mich sehr freuen, wenn du dich in einer Weile nochmals meldest und erzählst, wie es gelaufen ist. Schreibe gerne unter "Feedback" und wenn möglich, verlinke dieses Problem. Ich würde gerne nochmals von dir hören. Du hast Potential und ich hoffe, du nutzt es.

Alles, alles Liebe für dich, Lisa!

Dana