Problem von Anonym - 14 Jahre

Essprobleme

Lieber Kummerkasten,
Ich habe solche Probleme mit dem Essen..ich hab mich auch schon informiert und mein Essverhalten trifft auf das "Binge Eating" zu..aber ich weiss nicht wie ich es stoppen kann..ich habe vor 2 monaten oderso 6 kilos abgenommen...seid 3-4 wochen schon wieder 4 kilos zugenommen..ich habe regelmaessig fressattacken...z.b. diese woche 5 mal..ich stopfe alles in mich rein was ich finde..am meisten brot und kuchen..ich denke nur mehr ans essen..ich esse und esse ich kann nicht aufhoeren bis es mir so dermassen schlecht geht..also bis ich fast kotze..ich kann nicht mehr ich will nicht uebergewichtig sein..und jetzt auch noch wo der sommer kommt und ich letzten sommer eh schon nicht mit meinen ganzen freunden schwimmen gegangen bin weil ich so fett war..ich moechte einfach eine gute figur haben..mich wohl fuehlen und mit meine essstoerung oder was weiss ich klar kommen..es ist mir ziemlich peinlich..also naja manchmal erzaehl ich dann schon voll stolz rum dass ich 2 joghurts 10 broetchen mit nutella schokolade chips kuchen muesli usw gegessen habe aber dann denk ich drueber nach...und dann ists ja irgendwie doch nicht so was tolles.. bitte hilf mir..ich hab nur mehr schlechte laune..und hab angst zum doktor zugehen..ich bin doch kein psycho oder?:(

Florian Anwort von Florian

Hallo Ratsuchende


Du bewegst Dich gerade in einem typischen Teufelskreis, den ich auch über mehrere Jahre durchlebt habe: Stress -> Heißhunger -> Fressattacke -> Stress -> Heißhunger usw. In der Regel beginnt der Heißhunger durch eine bestimmte Stresssituation (Probleme, negative Ereignisse etc.). Der Stress löst im Gehirn das Signal aus, dass besonders viel Energie benötigt wird. In der Regel besitzt der Mensch genügend Fettreserven um die benötigte Energie aufzuwenden. Allerdings benötigt der Körper längere Zeit um das Fett abzubauen als Zucker und Fett durch Nahrung aufzunehmen. Es wird daher ein falsches Hungersignal ausgesendet, was zu Heißhunger und schließlich zu den Fressattacken führt. Diese Überssättigung über das Normalmaß hinweg sorgt im Nachhinein wiederum für schlechte Laune und kann damit erneut Stress auslösen. Der Teufelskreis schließt sich.

Die gute Nachricht ist, dass dieser Teufelskreis überwindbar ist. Ich habe es selbst auch mit einigen einfachen und ungefährlichen Methoden geschaft mein Gewicht auf ein gesundes und natürliches Maß zu reduzieren und zu halten.

Zu allererst sollte das Gefühlsleben ausgeglichen werden um damit eine gute Basis zu schaffen keinen Heißhungerattacken mehr zu unterliegen. Dies kann sogar relativ einfach erhalten werden. Es ist nur wichtig seine Gefühle nicht länger zu unterdrücken, sondern zu akzeptieren. Die wenigsten Menschen in der heutigen Zeit machen dies wirklich. In der Regel unterliegen wir der uns anerzogenen Meinung immer und überall glücklich sein zu müssen. Sätze wie "Heul doch nicht rum" oder "Lach doch mal" sind nur zwei von vielen Beispielen die jedes Kind mehrmals von seinen Eltern hört. Dadurch entsteht ein gewisser Erwartungsdruck, der dazu führt, dass wir unsere Gefühle nicht mehr offen zeigen und schließlich sogar zwanghaft unterdrücken. Schließlich wollen wir ja auch unsere Eltern glücklich machen und die falsche Konsequenz lautet: Sind wir glücklich sind sie glücklich. Das trifft zum einen nicht zu und zum anderen sorgt das später für weitreichende Probleme in unserem Gefühlsleben.
Gefühle, egal wie negativ sie auch sind, haben nämlich eine Aufgabe. So soll Angst uns vor Gefahr warnen, Trauer unsere Verluste ausdrücken und schlechte Laune einen Mangel aufzeigen. Unterdrückt man nun diese Gefühl und zwingt sich unbedingt glücklich sein zu müssen, so verschwinden die negativen Gefühle nicht, sonder sie werden nur hinten angestellt. Da diese schlechten Gefühle ihrere Aufgabe aber noch nicht erfüllt haben, so staut sich das Gefühl weiter auf. Irgendwann, bei der nächsten Stresssituation, brechen diese Gefühle mit einem Streich aus. Je nach unterdrücktem Gefühl reagieren wir anders: Bei Trauer kommt es zu einer Heulattacke, bei schelchter Laune kommt es zur Depression, bei Wut zu einer Wutattacke und selbst bei unterdrückten Glücksgefühlen kommt es zu einem Ausbruch; einem Lachanfall um genau zu sein.
Diese Aufstauung von negativen Gefühlen und der anschließende Ausbruch sorgen bei Dir eben für diese Heißhungerattacken. Deine Fressattacken sind also ein Ausdruck unterdrückter Gefühle und damit eines unausgeglichenen Gefühlslebens.

Der Ausgleich wird, wie bereits erwähnt, durch die Akzeptierung der Gefühle möglich. Dabei geht es darum den Gefühlen eine Daseinsberechtigung zu geben, zu akzeptieren das sie eine Aufgabe zu erfüllen haben und sich selbst zu erlauben diese Gefühle auszuleben. Im Gegensatz zum Ausbruch der Gefühle, wenn sie sich aufgestaut haben, kann hier das Handeln weiterhin bewusst gesteuert werden. Das bedeutet die Kontrolle über das eigene Handeln bleibt erhalten. So besteht z.B. bei Wut nicht die Gefahr gleich einen Wutausbruch zu unterliegen. Im Gegenteil: die Steuerung bleibt bewusst, weil nun auch die Gefühle bewusster wahrgenommen werden können.

Um das nun in die Praxis umzusetzen, hilft es wenn Du in den nächsten Wochen einmal regelmäßig und insbesondere in stressigen oder negativen Situationen auf Deine Gefühle achtest. Wenn Du bemerkst das ein negatives Gefühl, also z.B. schlechte Laune, aufkommt, so solltest Du zu Dir selbst gedanklich sagen: "Ich habe gerade schlechte Laune. Sie drückt aus das etwas nicht so läuft wie ich es gerade will. Ich akzeptiere das es gerade nicht gut läuft und ich akzeptiere mich gerade schlecht zu fühlen.". Verstärkend kannst du auch hinzufügen: "Ich bin mir dessen bewusst, dass dieses Gefühl nur gegenwärtig ist und ich zukünftig auch wieder bessere Laune haben werde.". Denn keine Laune hält ewig. Auch depressive Menschen haben mal einen guten Tag und auch wahre Glückspilze fühlen sich manchmal schlecht. Das ist das besondere an unseren Gefühlen: Sie steigen immer wieder auf und ab und regulieren sich selbstständig, wenn man nicht bewusst einzugreift.
Insgesamt besteht die Methode zunächst darin sich seine Gefühle bewusst zu machen, diese als zweckmäßig zu empfinden und schließlich als zeitlich begrenztes Ereignis wahrzunehmen.

Wenn Du diese Methode einige Zeit regelmäßig anwendest, wird sie nach und nach zu einer unbewussten Handlung. Du löst Dich damit von der Vorschrift immer gut drauf sein zu müssen und es fällt Dir auch immer einfacher negative Gefühle zu akzeptieren und mit diesen konstruktiv umzugehen. Das ist hilfreich um den Gefühlshaushalt ausgleichen zu können. Du wirst dadurch auch einen erheblichen Effekt auf Deine Heißhungerattacken bemerken; denn diese sind unmittelbar an die negativen Gefühlsausbrüche gekoppelt und damit voneinander abhängig. Fehlen die Gefühlsausbrüche, hat auch der Heißhunger keinerlei Grund mehr für seine Anwesenheit.


Es gibt jedoch noch eine zusätzliche Methode, um die Fressattacken unter die Kontrolle zu bekommen. Ähnlich wie die bewusste Wahrnehmung seiner Gefühle und die Akzeptanz derselbigen, geht es hier um das bewusste Wahrnehmen des eigenen Hungergefühls. Das falsche Hungergefühl, was den Heißhunger darstellt, kann nämlich bei bewusster Betrachtung erkannt werden und es kann bewusst eingegriffen werden. Zudem kann das eigene Essverhalten dadurch so reguliert werden, dass man nach einiger Zeit automatisch das für einen selbst geeignete Körpergewicht erhält. Es entspricht zwar nicht immer der eigenen Vorstellung, dafür ist es die gesundeste und mit ein wenig Übung einfachste Methode. Sogar einfacher als eine Diät oder irgendwelche Diätpillen.

Die Umsetzung ist relativ einfach: Sobald die Küche, ein Restaurant, ein Supermarkt oder sonst irgendein Ort aufgesucht wird, in dem Du isst oder Dich mit Essen eindeckst, solltest Du Dir immer zwei Fragen stellen: "Habe ich gerade wirklich hunger? Oder ist mein Hunger Ausdruck eines anderen Gefühls?".
Mit diesen Fragen sollst Du Dir Dein eigenes Gefühlsleben und Deinen Hunger bewusst machen. Wenn Du bemerkst, keinen Hunger zu besitzen und Dir das selbst auch sagst, wirst Du nicht weitergehen und auch nichts essen. Du machst Dir nämlich davor schon selbst bewusst, dass dies kein richtiger Hunger ist und daher essen nicht hilft. Stattdessen wirst Du mit der zweiten Frage direkt darauf geleitet Dir Dein Gefühl, dass Dich zum Essen zwingen will, vor Augen zu führen und kannst dann mit der ersten Methode dies durch Akzeptanz gleich wieder relativieren. Die Folge ist, dass der Heißhunger vergeht und Du nicht mehr isst, als Dein Körper wirklich braucht.


Der Teufelskreis wird durch beide Methoden unterbrochen. Damit dies auch so bleibt, ist es wichtig diese Methoden beizubehalten. Das ist zu Anfang vielleicht etwas schwierig, jedoch wird dies nach einer gewissen Zeit unbewusst übernommen, so dass es zum Alltag wird und Du das quasi beim Vorbeigehen bewältigen kannst. Also nicht gleich verzweifeln, sollte es in den ersten Wochen nicht gleich klappen und noch zu weiteren Essanfällen kommen. Diese Methoden müssen erst ins Fleisch und Blut übergehen, bevor sie eine langfristige Wirkung erhalten. Die Wirkung aber wird dafür im Vergleich zum aktuellen Zustand überwältigend sein.



Ich hoffe Dir mit diesen beiden Methoden helfen zu können. Solltest Du Fragen dazu haben oder nach einigen Wochen ausprobieren ein Feedback oder ein Update zu Deinem Problem geben wollen, so sende einfach über das Kontaktformular auf der Kummerkasten-Seite (Kategorie "Feedback") eine neue Mail. Ich werde versuchen sie möglichst zeitnah zu beantworten.


Ich wünsche Dir alles Gute


Florian