Problem von Stefanie - 29 Jahre

Meine Schwester macht sich und andere kaputt

Liebes Team,

habe ein Problem, bei dem ich leider nicht mehr weiter weiß. Das macht mich so fertig, weil ich eigentlich jemand bin, der oft um Rat gefragt wird, ich helfe gerne und glaube, ich kann auch oft helfen. Nur hier nicht, und dabei geht es ausgerechnet um meine eigene Schwester.

Meine "kleine" Schwester (sie 26, ich 29) hat seit über einem Jahr extreme Probleme mit ihrem Freund - er betrügt sie, sie hat ihn dabei erwischt, er hat ihr hoch und heilig geschworen, die Affäre zu beenden, was er aber bis heute nicht getan hat. Offensichtlich weiß ihr Freund selbst nicht, was er will, denn owohl er sich weiter mit der anderen trifft, schwört er meiner Schwester gleichzeitig, dass er nur sie liebt, sie heiraten will und ohne sie nicht leben kann.

Es ist ein ständiges Auf und Ab zwischen den beiden, einmal ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen, zwei Stunden später fliegen wieder die Fetzen, und zwar so, dass es eindeutig nicht mehr normal ist und dass ich einfach nur Angst um meine Schwester habe - von Selbstmorddrohungen (nur von ihm) über verbale Erniedrigung (gegenseitige Beschimpfungen, wie schlecht der andere doch ist und das jeweils der andere an allem schuld ist) bis zu Handgreiflichkeiten (zum Glück immerhin keine Prügeleien, es gab mal eine Ohrfeige und Schubsereien, Festhalten usw., auch von beiden Seiten, als der Streit eskaliert ist, aber das find ich schlimm genug) war schon alles dabei.

Meiner Meinung nach ist die Beziehung komplett am Ende und es macht wohl keinen Sinn mehr, es weiter zu versuchen - schließlich hat meine Schwester ihm schon eine zweite Chance gegeben, und es hat sich nichts geändert. Sie hat schon einmal drei Monate wieder bei meinen Eltern gewohnt, um doch wieder zu ihrem Freund zurückzukehren.

Seit einem Jahr sieht es so aus, dass meine Schwester, zu der ich früher ein super Verhältnis hatte, alle zwei Tage mich, unsere Eltern oder ihre Freundinnen mit dem ewig gleichen Thema vollheult, wir alle haben versucht sie zu unterstützen so gut wir konnten, aber sie nimmt keinen unserer Ratschläge an. Sie steigert sich total rein, alles was sie beschäftigt und interessiert ist ihre Beziehung. Sie hat auch schon total abgenommen und ist ständig krank. Einige ihrer Freundinnen haben sich deswegen schon von ihr abgewandt, weil sie wohl nicht verstehen können, wie sie sich das gefallen lassen kann. Als ich ihr vor einigen Monaten mehr als deutlich gesagt habe, dass ich nicht glaube, dass es mit diesem Typ jemals wieder was wird und ich sie bei allem unterstütze und immer für sie da bin, nur nicht mehr dabei, an dieser unglücklichen Beziehung festzuhalten, war sie stinksauer auf mich und hat ein paar Wochen überhaupt nicht mehr mit mir gesprochen. Das hat mich persönlich wirklich getroffen, da wir ja früher wie gesagt immer zusammengehalten haben wie Pech und Schwefel und mir da klar geworden ist, dass sie eher mich als ihren Freund links liegen lassen würde.

Es war schon immer so, dass meine Schwester auch als Kind schon eine "Drama Queen" war und alle etwas davon hatten, wenn sie schlecht drauf war, aber inzwischen ist es so, dass unsere Familie regelrecht daran kaputt geht. Meine Eltern machen sich totale Sorgen um meine Schwester und können auch gar nicht mehr richtig fröhlich sein, weil dieses Thema uns alle ständig beherrscht, und das, obwohl wir beide gar nicht mehr zuhause wohnen.

Ich habe Angst um meine Schwester, dass ihr etwas wirklich Schlimmes passiert, wenn wieder ein Streit eskaliert, genau so wie um meine Eltern, dass sie wegen dem ganzen Druck zusammenbrechen. Mein Papa hat Herzprobleme, meine Mama ist gesundheitlich auch nicht hundertprozentig fit. Meine Mama hat schon einmal wortwörtlich zu mir gesagt, dass sie und mein Papa, seit das alles losgegangen ist, kein schönes Leben mehr haben und mein Freund und ich noch ihre einzige Freude sind. Es bricht mir das Herz, so etwas zu hören.

Es ist jetzt so, dass meine Schwester (immerhin) einen Mietvertrag für eine eigene Wohnung abgeschlossen hat (die beiden wohnen bis jetzt noch zusammen), seit 01.04. könnte sie dort einziehen - aber: Sie hat noch nichts in die Wege geleitet. Sie wartet noch immer ab, wobei ich keine Ahnung habe, auf was, und ich überhaupt nicht verstehe, so sehr ich mich auch bemühe, warum sie nicht endlich einen Schlussstrich zieht. Sie sagt, dass sie Angst vor dem Alleinsein hat. Was soll ich nur tun außer ihr immer und immer wieder zu sagen, dass es auch sehr sehr schöne Seiten hat alleine zu wohnen, und dass ich immer für sie da bin? Ich kann bald nicht mehr, und meine Eltern können bald auch nicht mehr. Meine Eltern sind sogar schon am Überlegen, den Kontakt zu ihr abzubrechen oder zumindest einzuschränken, weil sie es nicht mehr ertragen können und es auch so ist, dass meine Schwester, die im Grunde genommen eine eher egoistische Person ist, ihnen gegenüber auch sehr ungerecht und sauer werden kann, wenn man zu ihr nicht das sagt, was sie hören will, wenn sie wieder dabei ist, ihnen/uns ihr "Leid zu klagen". Das fände ich auf der einen Seite zwar furchtbar, aber andererseits denke ich auch langsam, dass es vielleicht wirklich keine andere Möglichkeit mehr gibt. Bei mir meldet sie sich ohnehin nur noch sporadisch, ich vermute deswegen, weil ich auch nicht das ihrer Meinung Richtige zu dem Thema sage.

Ich kann nicht fassen, was da bei uns passiert. Wir waren immer eine ziemlich "normale" Familie, hatten nie größeren Streit und sind zum Glück bis jetzt auch vor großen Problemen oder Sorgen verschont geblieben, ich kann einfach nicht glauben, dass wir plötzlich mit so einer Scheiße (sorry, aber ich finde kein anderes Wort mehr) zu tun haben, wie man es sich bei den Nachmittagssendungen von RTL nicht besser hätte ausdenken können. Ich erkenne meine Schwester nicht wieder, und ich kann anscheinend nichts tun, um ihr zu helfen, alleine deswegen, weil sie es nicht zuläßt.

Danke fürs Zuhören. Würde mich sehr freuen, wenn jemand einen Rat für mich hätte, was ich noch tun kann.

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Stefanie,

es lesen und verstehen ist das Eine!

Rat wissen was ganz Anderes :-(

Ich kann mich erinnern, dass ich einer jungen Frau den "voraussichtlichen Ablauf" ihrer "Beziehung" dreimal in Fortsetzung geschildert hatte!
Das letzte mal selbst fast am Ende meiner "Weisheit" schrieb ich: ich mag nicht mehr Recht behalten!

Ich weiß nicht, warum Deine Schwester so reagiert, wie sie reagiert!
Will (muß) sie sich selbst etwas beweisen?
Vielleicht, weil Du und die Eltern sie schon lange vorher darauf aufmerksam gemacht hattet?
Haben Deine Eltern z.B. Dich schon mal als Vorbild hingestellt? Was es Deiner Schwester unmöglich macht, zu "versagen"?
Das wären Beispiele, warum Deine Schwester sich schwer tut, euch gegenüber das Scheitern ihrer Beziehung zuzugeben. Und es deshalb vor euch ablehnen muß!

daneben gibt es gefühlte 10.000 Gründe, warum Menschen, die weiblich sind, nicht so reagieren, wie ich es mir vorstellen könnte.

dabei bleiben drei Hauptgründe wohl: wenn sich "das Küken" einmal durchgesetzt hat, kann und darf es nicht scheitern!
Und:
Wenn es sich selbst einmal "über euch erhoben hat" wird es niemals seinen Fehler zugeben können!
Notfalls brechen vorher Knochen!
Das klingt sehr hart! Aber ist trauriger "Alltag" z.B. bei den Frauenhäusern.

Und nicht zuletzt: wenn der Arsch Deiner Schwester ihr droht, sich umzubringen: wer macht ihr klar, dass sie niemals verantwortlich für das persönliche Scheitern eines Menschen sein kann und wird?

Was will ich sagen?

Manchmal gibt es ganz unschuldige Anlässe und Auslöser, die zu einem bestimmten, logisch nicht begründbaren Verhalten eines Menschen führen
Nur unter diesem Aspekt: schaut auf alles, was Deine Schwester vielleicht davon abhalten könnte, euren Rat in Anspruch zu nehmen! Was sie an einem festhalten lässt, der ihr nicht gut tut!
Manchmal reicht ein irgendwann erhobener Zeigefinger oder ein: "Du wirst schon sehen, was Du davon haben wirst",
um sehr vieles von Anderen zu erdulden,
bevor wir uns dem Spruch aussetzen: "siehst Du! Habe ich Dir doch gleich gesagt!"

Es mag lächerlich erscheinen! Dieser fatale Satz: "habe ich Dir doch gleich gesagt!" hat schon soviel Unheil angerichtet! Nicht einmal nur, wenn er gesagt wurde!
Sondern dort, wo er verhindert werden sollte! Wo der Andere weiß, dass es uns auf der Zunge liegt und wir nur warten, bis wir ihn loswerden können!
Ich hab es doch gleich gewußt!

Soweit zu meinen Gedanken, was Deine Schwester vielleicht dazu führen könnte, sich so zu verhalten, wie sie es tut!

Und nun zu Deinen Eltern und Dir:

Deinen eigenen Ansatz, finde ich, ist wohl der einzig vernünftige und richtige! Du schreibst:

"Als ich ihr vor einigen Monaten mehr als deutlich gesagt habe, dass ich nicht glaube, dass es mit diesem Typ jemals wieder was wird und ich sie bei allem unterstütze und immer für sie da bin, nur nicht mehr dabei, an dieser unglücklichen Beziehung festzuhalten, war sie stinksauer auf mich und hat ein paar Wochen überhaupt nicht mehr mit mir gesprochen."

Und genau das sollten sich auch Deine Eltern zu eigen machen! Und ihr solltet es - so hart es auch wird - durchhalten!
Das was Deine Schwester gerade treibt - so wie Du es beschreibst - ist, den Psychoterror, dem sie selbst sich aussetzt, an euch durchzureichen!
Wenn ihr euch darauf einlasst, werdet ihr niemals imstande sein, ihr wirklich zu helfen!

Immer für sie da! Aber nicht mehr immer dabei!

Für Menschen, die sich dauernd selbst verletzten ist es nur eine Zeit lang nützlich, ihnen die Pflaster aufzupeppen! Irgendwann mußt Du ihnen zeigen, wo der "Erste-Hilfe-Kasten" hängt!
Damit meine ich vor allem: sich professionelle Hilfe holen!

Psychische Gewalt in der Partnerschaft

mag ein Titel sein, unter der ihr mit einer Suchmaschine schnell Texte findet, in denen ihr Deine Schwester wiedererkennen werdet?

Einem Ertrinkenden kann man nur wirklich helfen, wenn man selbst den Bezug zum sicheren Ufer nicht verloren hat! Das Boot nicht verlässt!
Solange der Ertrinkende eure Hand greifen kann, darf es für euch keinen Grund geben, selber ins Wasser zu gehen und euch zu gefährden!

Wenn der Ertrinkende seinen "Retter" erst einmal in Panik umklammert hat, geht es für beide ums nackte Überleben.

Vielleicht ist es Deine erste Aufgabe, Deinen Eltern klarzumachen, warum sie sich nicht "klammern" lassen dürfen!

Es wird wirklich weh tun! Weil ihr euch ja liebt!

Aber manchmal muß einem Ertrinkenden erst einmal die Luft ausgehen (und wir müssen als Retter geduldig warten), damit er uns nicht daran hindern kann, ihn zu retten!

Deshalb denke ich, dass Dein Ansatz genau richtig ist!

Sei stark! Und überzeuge Deine Eltern davon, dass es auch für sie der richtige Weg sein wird!

Alles Liebe,

Bernd