Problem von Erika - 31 Jahre

Warum lassen Ärzte es so weit kommen?

Ich bin verzweifelt, ratlos und hilflos!

Mein Vater liegt im KH, schon seit geraumer Zeit, das ist die eine Sache, ist nun mal so bei Krankheit und damit habe ich mich schon abgefunden. Auch damit, dass er dieses vielleicht nicht mehr verlassen wird. Shit happens...

Was mich eigentlich zur Verzweiflung treibt, ist der Umgang der Ärzte mit ihm als Patient und mit uns als Angehörige. Ja, wir sind keine Ärzte und verstehen nur einen Bruchteil vom ärztlichem Fachchinesisch (was deren Absicht ist). Aber dumm sind wir nicht! Es genügt etwas gesunden Menschenverstand zu besitzen um eine gefährliche Situation einzuschätzen! Und wenn wir sehen, dass es Vater zunehmend schlechter geht und seine Blutwerte beschissen sind, er schon nicht mehr bei Verstand ist, dann fragen wir nach. Aber es passiert nichts! Die Halbgötter der Klinik reagieren mit genervtem Schnauben oder brüllen rum, dass wir keine Ahnung haben und gehen sollen. Medikamente gibts keine oder irgendwelche, denn so wirklich rausfinden, was Vate rnun hat, wollen die Herrschaften auch nicht. Und dann kommts dicke, denn der Zustand verschlechtert sich so sehr, dass Vater auf der Intensiv landet, wo wir gesagt bekommen, dass seine Blutwerte miserabel sind und man hätte was tun können. WIR HABENS JA GESAGT! Man sagt uns, es ist ein Wunder, dass er überlebt hat. Der Arzt der Intensivstation flickt Vater zusammen und schickt ihn zurück mit Behandlungsanweisungen. Aber das alles wird weiter fleißig ignoriert, stattdessen geht alles von neuem los, nur dass wir jetzt so richtig mies behandelt werden, denn scheinbar hat der Oberarzt der Intensiv auf die Pauke gehauen.

VIER MAL haben wir das Specktakel nun hinter uns gehabt und Vater ist das fünfte Mal auf der Intensiv, allerdings ist es diesmal so schlimm, dass selbst der arme Oberarzt der Intensiv, der tatsächlich an seinen Patienten interessiert ist, nicht mehr weiter weis.

Und wir wissen auch nicht weiter...

Wir haben schon bei der Krankenkasse angerufen und bei der Ärztekammer, haben mit dem Chefarzt gesprochen und uns ganz förmlich an die Beschwerdestelle gewandt, aber man vertröstet uns nur oder geht ganz offen mit unserem Anliegen hausieren.

Wir wissen nicht mehr weiter! Wir sind diesen selbsternannten Gottheiten ausgeliefert! Denn wenn wir aufmucken, wird unserem Vater einfach sämtliche Zuwendung zur Strafe gestrichen. So müssen wir ihn selbst füttern, sauber machen, rasieren, Nägel schneiden und nachsehn, ob die Beutel gewechselt werden müssen. Denn er kanns nicht selbst, er ist querschnittsgelähmt - mittlerweile. Ja so weit haben die ihn getrieben. Er ist zu Fuß in die Klinik gekommen! Nun ist er am Ende und wir wissen nicht mehr, was uns noch offen bleibt, ohne dass man ihn dort zur Strafe lüncht. Wir haben Angst!

Bernd Anwort von Bernd

Liebe Erika,

da klingt sehr viel Verzweiflung aus Deinen Zeilen!
Und vielleicht auch ein wenig Ungerechtigkeit?
Aus der Verzweiflung und dem eigenen Unvermögen geboren?

Selber habe ich meinen Vater vor mehr als 2 Jahren verloren. Das schlimmste Gespräch war das, in dem der Arzt in der Intensiv uns mitgeteilt hat, dass wir jederzit damit rechnen müssen, dass Vater stirbt!

Da hat kein "Halbgott" gesprochen! Sondern ein Mensch, der sich sehr genau seiner Grenzen bewußt ist!

Seit diesem Gespräch denke ich recht oft darüber nach: Was macht Ärzte eigentlich in unserem Bewußtsein zu "Halbgöttern"?

Es ist wohl nicht immer deren "Arroganz"!

WIR stellen sie auf den Sockel, der ihnen nicht angemessen ist!

Wir wünschen uns "Götter", die uns in jeder Situation so helfen, wie wir es gerade wünschen und brauchen!

Es ist unser Anspruch! Nicht unbedingt das, was Ärzte sein wollen oder wozu sie sich berufen fühlen!

Ist vielleicht ein blöder Vergleich: wenn Du ein Auto in die Werkstatt schiebst und der Meister Dir sagt: der Motor ist kapput, weil kein Motoröl drin ist!
Er zuckt mit den Achseln uns sagt: "da kann ich nichts machen"!
Das nimmt jeder von uns hin!

Wenn ein Arzt uns sagt: "40 Jahre lang geraucht, getrunken, nicht bewegt! Das kann niemand mehr rückgängig machen, was das dem Körper angetan hat!"

Dann erwarten wir von dem Arzt immer noch wesentlich mehr, als ein "Achselzucken"!
Was genau?

Wir erwarten, dass er "gottgleich" etwas tut, was selbst die Natur nicht vermag!

Du schreibst:
"So müssen wir ihn selbst füttern, sauber machen, rasieren, Nägel schneiden und nachsehn, ob die Beutel gewechselt werden müssen."

Jesus hat Maria Magdalena die Füsse gewaschen! Und ich bin mir sicher, dass er es in dem Gefühl getan hat, dass es ihm eine Ehre war!

"Wir müssen"!?

Liebe Erika!

Wenn das Leben wirklich einen Sinn haben soll!

Dann dürfen Menschen irren!
Schwach sein!
Keiner soll aus einem Arzt einen Gott machen!
Und wenn wir einen Menschen wirklich lieben, machen wir keinen anderen dafür verantwortlich, was die Natur uns auferlegt!

Wir dürfen den geliebten Menschen
"füttern, sauber machen, rasieren, Nägel schneiden und nachsehn, ob die Beutel gewechselt werden müssen."

Es ist doch das Einzige und vielleicht Letzte, womit wir dem geliebten Menschen zeigen können, dass er nicht "Last" oder gar "Ekel" für uns ist!

Bitte, liebe Erika!

Finde den richtigen Weg zwischen "Kampf gegen Windmühlen" (die Natur)
und demütigem Begleiten des Menschen, den Du liebst!

Alles Liebe,

Bernd