Problem von Bernd - 50 Jahre

Ich komme auf meiner Überforderung nicht mehr raus

Hallo,ich bin 50 Jahre,Selbstständig und fühle mich gnadenlos überfordert.Ich kann mich nicht mehr ausreichent organisieren.Anfang 2012 wurde mein damals 6 jähriger Sohn schwer nierenkrank und ich bin dann erst mal in ein Loch gefallen.Mein Sohn hatte in 2012 Fünf Nierenoperationen, aber es geht ihm wieder gut,er ist geheilt worden.Ich habe mich oft gegen ungerechtigkeiten gewehrt,was mich viel Zeit und Energie gekostet hat.Vor viereinhalb Jahren habe ich mich von der Mutter meines Sohnes getrennt und habe erst vor ca.8 Wochen bei einer Internetflirtliebe mein Herz und meine Gefühle für die Liebe zu einer Frau wieder öffnen können. Ich wurde von meinem Internetflirt entteuscht, weil sich das geschriebene von ihr manchmal wiedersprochen hatte.Ich habe mich aus dem Internetflirt gelöst, weil die Frau? mit mir nicht in die reale Welt kommen wollte.Ich bekam dadurch großen Liebeskummer.Vor 3 Monaten wurde ich bei einem Maschinenkauf betrogen und ich habe darauf sehr viel geweint,seit dieser Zeit wiedert es mich an, in meiner Werkstatt zu arbeiten.Mein Vertrauen wurde missbraucht und mir ist ein großer Schaden entstanden.Manchmal leere ich meinen Briefkasten eine halbe Woche nicht, weil ich die Energie für die Postbearbeitung nicht mehr habe.Dadurch entstehen mir weitere zum Teil große Probleme auch rechtlicher Art.Ich hab das Gefühl, das mich meine Selbstständigkeit Stück für Stück auffrisst und ich lebe nur noch, wenn ich mit meinem Sohn zusammen bin.Ich habe 1968 im Alter von 5 Jahren meinen Vater beim Hausbau abstützen sehen und auch weitgehendst sterben sehen.Diese Traumatisierung in meiner Kindheit habe ich bis heute nicht überwunden.Mein Vater hat mir die letzten 45 Jahre sehr gefehlt.Ich habe dazu einige Familienaufstellungen gemacht und weis,das ich durch den frühen Verlußt von meinem Vater einen großen schwarzen Fleck in meiner Seele habe.Ich bin mit ca. 13 Jahren von unserer damaligen Nachbarin vergewaltigt worden und habe das Problem das mir dadurch entstanden ist erst vor einigen Jahren mit der Mutter von meinem Sohn bei Pro-Familia behandeln können. Das schlimmste,was mir damals die Nachbarin sagte, war:das das nichts besonderes war, was ich da bei ihr machte und ich habe viel an meinem sexuellen Selbstwert arbeiten müssen. Mein Elternhaus ist durch meine kranke Mutter total verwahrlost und ich habe nur manchmahl zwischen den Aufträgen in meiner Werkstatt die Zeit mein Elternhaus etwas aufzuräumen.Ich merke, das ich durch meine Überforderung depressionen bekomme und mir dadurch für Kleinigkeiten sogar die Energie fehlt und wenn es auch nur das Brötchenholen beim Bäcker ist, was mir schon schwer fällt.Ich kann meine Überforderung nicht mehr lange aushalten und weis nicht wie ich da rauß kommen kann.Viele Grüße von Bernd

Dana Anwort von Dana

Lieber Bernd.

Ich möchte dir als allererstes gratulieren.
Wahrscheinlich wirst du jetzt die Augenbrauen hochziehen und denken: "Ähm...hat sie mein Problem irgendwie nicht verstanden??" Doch, hab ich. Und trotzdem möchte ich dir gratulieren.

Du stehst nämlich nicht mit einem Bein im Grab, sondern mit einem Bein auf dem Wege der Besserung.
Warum?
Du hast eine gnadenlose Selbstanalyse durchgezogen und bittest nun um Hilfe, weil du siehst, dass du sie brauchst. Eine bessere Voraussetzung dafür, dass alles gut werden kann, gibt es kaum. Zu diesem Punkt müssen viele Menschen erst kommen...und sehr viele Menschen brauchen dazu schon einen so großen Leidensdruck, dass es kaum mehr anders zu machen geht. Bei dir geht es. Du hast rechtzeitig erkannt, dass was nicht in Ordnung ist und sorgst gut für dich, schaust, welchen neuen Weg du einschlagen kannst. Und dazu gratuliere ich dir.

Dir ist in letzter Zeit viel passiert. Zum Teil Dinge, die einen absolut gesunden Menschen schwer mitgenommen hätten. Du bist schon sensibilisiert durch das furchtbare Kindheitserlebnis und warst eh schon in einer Überforderungssituation drin. Du hast viel Kraft gelassen, das versteht jeder. Du sehnst dich nach Liebe, Geborgenheit, danach, dass dir deine Last auf den Schultern etwas erleichtert wird, dass der Weg, den du gehst, nciht mehr so steinig und holprig ist. Auch das ist nur zu verständlich.

Bernd, so wie du das hier schreibst, ist die Hilfe, um die du bittest, eine ganz bestimmte: du müsstest dich in Therapie begeben und das schnell. Das, was du da beschreibst, klingt stark nach Burnout, bzw einer Depression. Es baut sich immer mehr Druck auf (zB durch die nicht angesehene Post), der Berg wird immer steiler und du willst dich eigentlich einfach nur noch fallen lassen und liegen bleiben.

Du hast damals für deinen Sohn gekämpft, Bernd. Du hast alles in Gang gesetzt, nun kann er glücklich und gesund leben. Nun kämpfe für dich. Gib nicht auf!
Ich bin auch schon mal von einem Geschäftsmann betrogen worden und bin nach knapp vier Jahren immer noch stinksauer auf ihn. Ich kann dich also voll verstehen. Aber das ist kein Grund, an dir zu zweifeln! Du hast so viel Stärke und Kraft gezeigt, du kannst aus der Vergangenheit den Schluss ziehen, dass tolle Möglichkeiten in dir schlummern. Nun wird es Zeit, deine müde Seele wieder in Schwung zu bringen.

Dies kannst du alleine nicht schaffen, das merkst du selbst, daher hast du uns ja auch geschrieben. Du brauchst jemanden, der dich einfach mal für eine Weile an der Hand nimmt und dir hilft, den Berg vor dir abzutragen. Und so eine Hand ist ein Fachmann. Ein Psychotherapeut oder eine Therapeutin. Du brauchst jemanden vor Ort, der dir wieder Stärkung im Alltag verschafft, der dich aufrichtet, dir wieder Mut macht, mit dir deine Probleme bearbeitet und dir erklärt, wie du, wenn mal wieder so eine schwarze Wolke auftaucht, diese bekämpfen kannst oder mit ihr umgehen lernst. Du brauchst Erleichterung, Linderung deiner Last, jemanden zum Reden und jemanden, der in der Lage ist, deinen Selbstwert wieder so aufzubauen, dass du selbst wieder an dich glaubst.

Der Versuch, dein Herz an eine Frau aus dem Net zu hängen, war ein großes Risiko, weil die Menschen im Net gerne mal anders sind als in Wirklichkeit. Das ist keine Schuldzuweisung, sondern eher ein "besorgtes Luftholen", weil dir diese Erfahrung natürlich auch wieder weh getan hat und dich in dieselbe Schiene gestoßen hat, in die du dich schon oft genug selbst stößt.

Insgesamt höre ich einfach eine große Sehnsucht bei dir heraus. Eine Sehnsucht, dass alles gut wird, eine Sehnsucht, dass du gehört wirst, dass du wieder eine Quelle der Kraft findest, die dich weiter trägt. Und diese Quellen musst du suchen, Bernd. Die erste Quelle, die mir einfällt, ist dein Sohn. Er lebt! Er ist gesund. Und du bist sein Papa. Von dem wird er noch eine ganze Weile viel haben wollen. Die zweite Quelle wäre wirklich unbedingt ein Therapeut. Du wirst dich wundern, wie viel Linderung ein solcher Fachmann einem geben kann. Man kann sich alles von der Seele reden, man erfährt so viele Hilfen und bekommt neue Ideen in den Kopf.

Deine Selbständigkeit frisst dich eigentlich nicht auf, du lässt es nur zu, dass sie ihre Zähne an dir wetzt, was daran liegt, dass du deine Buchhaltung schleifen lässt. Ich glaube, wenn du dir zB auch da mal für eine Woche eine Hilfe holen würdest und die wieder auf den neuesten Stand bringen könntest, wäre dir eine große Last schon abgenommen.

Es sind viele Baustellen, die der Reihe nach angegangen werden müssen. Da du uns aber geschrieben hast, habe ich das absolute Vertrauen in dich, dass du es gerne schaffen möchtest. Ich glaube an dich.
Google dir ein paar Therapeuten in deiner Gegend und geh zu möglichst vielen hin. Du kannst dir entweder bei deinem Hausarzt Überweisungen holen oder einfach so hingehen, das geht auch. Vereinbare Erstgespräche mit vielen verschiedenen Fachmännern/-frauen und schau, wo du dich wohl und geborgen fühlst. Suche neben deinem Sohn noch weitere Quellen, aus denen du Kraft schöpfen könntest. Wo gibt es noch Möglichkeiten? Gibt es Hobbys? Gibt es einen Sport, den du magst? Wie kommst du wieder mehr unter Leute? Und so weiter.

Um seinem Leben eine neue Wendung zu geben, ist ein wenig Energie nötig, wie bei allem, das sich irgendwie bewegen muss. Ich wünsche dir, dass du diese Kraft bekommst, dass du den Willen hast, dein Leben zu ordnen und wieder ruhiger und fröhlicher leben zu können.

Alles Liebe für dich, Bernd!

Dana