Problem von Josi - 15 Jahre

psychische Störungen

Hallo,

Ich weiß eigentlich gar nicht wo ich anfangen soll...

ich wurde nach einem Suizidversuch (mein erster und sicherlich auch mein letzter !) in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen, zuerst nur vorübergehend zwanghaft (24 Stunden), danach sollte entweder ich mich dafür entscheiden freiwillig zu bleiben oder ein Richter würde über den weiteren Aufenthalt entscheiden. Ich entschied mich dafür freiwillig zu bleiben. Die Zeit dort hat mir geholfen, ich konnte relativ schnell wieder gehen. Seitdem gehe ich regelmäßig zu einem Psychologen und manchmal auch unfreiwillig zum Psychiater (Verordnung von Schlaftabletten und so was halt)
Jetzt zu meinem Problem: Momentan werde ich auf psychische Störungen getestet... Die Vermutung liegt bis jetzt auf Borderline ... Und ich habe einfach keine Ahnung wie es weitergehen soll, wenn ich wirklich krank sein sollte. Das wurde mein ganzes Leben und meine ganzen Ziele fürs spätere Leben kaputt machen.

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, warum ich euch schreibe und wie ihr mir helfen sollt... na ja ... hoffe trotzdem vom ganzem Herzen auf eine Antwort...

Liebe Grüße
Josi

Pia Anwort von Pia

Liebe Josi,
schön, dass Du Dich an uns gewendet hast. Es freut mich sehr zu lesen, dass Du erkannt hast, dass Du nicht nochmals einen Suizidversuch unternehmen möchtest und Dir professionelle Hilfe geholt hast.

Professionelle Hilfe hat sehr viele Vorteile, wie Du erfahren hast. Jedoch hat es auch seine schlechten Seiten, man redet manchmal viel zu negativ und die ganzen Probleme werden noch viel präsenter. Du solltest aufpassen, dass Du Dich davon nicht allzu runter ziehen lässt. Es gehört dazu, dass nach Ursachen gesucht wird und auch nach psychischen Störungen. Das ist zum einen wichtig, damit Du die richtige Therapie bekommst und zum anderen eine ganz unwichtige Maßnahme um der Krankenkasse mitzuteilen, was Dein Leiden ist, für das sie zahlen sollen.

Viele Therapeuten vermeiden es, den Patienten die Diagnosen zu sagen, weil sie lediglich für die Krankenkasse notwendig sind und viele Patienten damit schlecht umgehen können. Ich finde es schade, dass Du dich deswegen so fertig machst. Die Diagnosen sagen nicht über Dich aus und werden Dich und Dein weiteres Leben nicht weiter beeinflussen, nur in dem Maße in dem Du möchtest. Ich wünsche Dir, dass Du den Diagnosen nicht so viel Wert schenkst.

Nun noch zu Borderline: Wenn Du diese Diagnose bekommst, was ich für unvernünftig halte, weil man diese Diagnose erst im Erwachsenenalter geben sollte, dann heißt das nicht, dass Du Borderline bist, sondern, dass Du von der Borderline Persönlichkeitsstörung betroffen bist. Es ist eine Persönlichkeitsstörung und wenn Du es genau beleuchtest, könntest Du wohl fast jedem Menschen, den Du kennst eine Persönlichkeitsstörung zuweisen. Jeder hat seine Ecken und Kanten und das ist auch gut so. Die Borderline Persönlichkeitsstörung wahrscheinlich deshalb, weil viele Betroffene ein Hochrisikoverhalten betätigen und auch suizidal werden können. Es gibt Eckdaten, die dann, manchmal zu vorschnell, auf Borderline zu schließen sind. Meist sind das selbstverletzendes Verhalten, Hochrisikoverhalten, traumatische Erlebnisse, Impulsivität, instabile Stimmung, etc. Wenn ein paar Kriterien auf Dich zutreffen, dann kann es sein, dass Du diese Diagnose bekommst. Diese sollte man aber erst ab ca. 21 Jahren geben und nur wenn genügend Kriterien über einen gewissen Zeitraum (mehrere Jahren) anhalten.

Was wäre, wenn Du damit konfrontiert wirst, die Diagnose zu erhalten? Was bedeutet das für Dich, dass Du denkst, dass Dein Leben zerstört wäre?

Ich hoffe ich kann Dir ein bisschen Angst nehmen. Ich würde sagen, es würde nichts an Dir verändern. Vielleicht nur positives. Die Therapeuten wüssten um was es geht, die Krankenkassen zahlen, es können spezielle Therapien helfen, wie DBT und Du könntest Dich selbst besser verstehen. Früher war Borderline verpönt und es hieß, dass es unheilbar ist und man arbeitsunfähig ist, aber das stimmt nicht. Borderline ist heilbar und Du kannst dazu vieles beitragen. Hast Du Dich schon einmal über Borderline informiert? Die meisten Internetseiten sind nicht gut informiert, daher würde ich Dir ein Buch empfehlen. Wir zum Beispiel das Buch „Borderline – das Selbsthilfebuch“ von den Balance Ratgebern.

Darf ich Dir etwas über Borderline erzählen, was Dir vielleicht helfen könnte, Dich selbst zu verstehen? Wenn man als Kind weint, dann kommt z.B. die Mutter und tröstet das Kind, weil das Kind noch zu klein ist um sich selbst zu trösten. Dadurch passiert etwas in dem Kind und es eignet sich diese Fähigkeit an. Wenn das Kind dann ein Erwachsener ist und wieder etwas Schwieriges passiert, dann hat es gelernt sich selbst zu trösten. Das nennt man Selbstregulierung und gilt neben Trauen auch für Wut und andere Gefühle. Wenn es diese Mutter aber nicht gab, oder das Kind nicht genau das richtige bekommen hat, dann kann es passieren, dass das Kind eine Selbstregulierungsstörung bekommt. Es kann sich nicht regulieren und kommt mit den aufkommenden Gefühlen nicht gut zurecht. Das kann auch passieren bei den besten Eltern, wenn das Kind einfach etwas anderes oder mehr/weniger gebraucht hat. Dadurch sucht man sich dann andere (krankhafte) Ventile um das Gefühl zu beenden, wie zum Beispiel Dein Suizidversuch.

Borderline ist sehr vielseitig und Betroffene sind meist hochsensible Menschen. Ich hoffe sehr, dass Du der Diagnose nicht zu viel Aufmerksamkeit schenkst. Nimm Dir die Hilfe, die Du möchtest und brauchst und lass Dir sonst nicht mehr einreden, was Dir das Leben schwer macht. Die Therapeuten verdienen damit ihr Geld und Du bist sehr sensibel, sodass Du so stark darauf reagierst. Ich würde Dir auch raten, dass Du mit Deinem Psychotherapeuten darüber sprichst, was es in Dir auslöst, wenn Du eine Diagnose wie Borderline bekommst, er kann Dich bestimmt auch etwas beruhigen. Es ist nichts schlimmes und Du kannst trotzdem ein gutes Leben führen und vielleicht mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen Dir selbst Vorteile schaffen. Also lass Dich nicht runter ziehen und sei stolz auf Dich, was Du nun schon geschafft hast.

Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Zukunft und hoffe, ich konnte Dir ein bisschen helfen?!

Alles Liebe,
Pia