Problem von Stefan - 21 Jahre

Arbeitslos und ein totaler Nichtskönner...

Hallo Liebes Kummerkasten Team,

zu allererst möchte ich euch einmal ein ganz großes Lob aussprechen! Ich finde es echt toll dass ihr das hier macht!

Ich weiß nicht ob es richtig ist hier zu schreiben, aber ich versuche es einmal... Texte an euch habe ich schon oft verfasst, habe mich aber nie getraut sie abzuschicken und habe sie danach wieder gelöscht... Ich würde mich sehr freuen wenn ihr mir antworten würdet...

Ich möchte mich gleich noch dafür entschuldigen falls es etwas länger wird oder etwas durcheinander sein sollte.

Ich fange mal viele Jahre vorher an, damit ihr vllt. ein kleines „Bild“ von mir bekommt.
Es fing bereits damals in der Schulzeit an, aufgrund einer körperlichen Behinderung wurde ich in der Schule über viele Jahre immer geärgert und ausgelacht. Natürlich war ich so dumm, und habe es niemals jemandem erzählt und habe auch versucht dass es man mir nicht ansieht, so nach dem Motto „Ich lache nur um nicht zu weinen“, ich habe dies über viele Jahre hinweg über mich ergehen lassen, mit dem Gedanken „wenn du dich nicht darüber aufregst hört es irgendwann auf.“ Zum Ende meiner Schulzeit, so die letzten 2-3 Jahre wurde es dann tatsächlich auch leichter und hörte schließlich ganz auf. Nach der Schule hatte ich dann keine Ausbildung bekommen, so habe ich dann ein Vorbereitungsjahr gemacht, in einem Bereich wo ich nie Arbeiten wollte. Dort musste ich Praktikas machen und ich kam in einen Betrieb in dem es mir auf Anhieb sehr gut gefiel, nach diesem Jahr setzte sich der Chef dort sogar für mich ein dass ich meine Ausbildung dort machen kann, und ich habe diese auch gemacht, es stand aber von Anfang an fest dass ich nicht übernommen werden kann, wenn sich nichts ändert, in der Zeit hat sich auch nichts geändert. Nach der Ausbildung war ich Arbeitslos und bin es bis heute, inzwischen sind zwei Jahre vergangen. Nach meiner Ausbildung wollte ich eigentlich einen anderen Beruf erlernen, meinen Traumberuf, den ich schon mein ganzes Leben lang machen wollte und der einzigste Beruf wo ich mir sicher war dass ich es kann, ich wollte schon mein ganzes Leben lang Lokführer werden. Ich bewarb mich, wurde eingeladen zu einem Test, dieser dauerte 5 Stunden!! und anschließender Untersuchung. Den Eignungstest bestand ich mit der Note 2, die Ärztin machte die Untersuchung, sagte mir kurz vor Ende dass alles ok ist und alles passt, ich habe mich gefreut wie sonst was und erst ganz zum Schluss kam dann plötzlich ABER.... ich darf diesen Beruf aufgrund meiner Behinderung nicht ausführen... Für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen, und ich bin fast in Tränen da raus... Ich habe also 5 Std lang einen EIGNUNGStest gemacht den ich noch dazu bestanden habe und mich eine Std lang untersuchen lassen, um mir dann sagen zu lassen dass ich von Anfang an ungeeignet war, wir haben gekämpft, mit Rechtsanwalt und sind auch zum Verkehrsminister (der uns aber nicht helfen wollte) und haben zum Schluss dann doch verloren... Seit dem weiß ich noch nicht einmal noch welchen Beruf ich machen soll, es gibt keinen einzigen der zu mir passt... Ich bin derzeit in meinem früheren Ausbildungsbetrieb, allerdings mit einem anderem Chef als früher und mache dort ein Praktikum seit etwa 9 Monaten, er war bisher immer zufrieden mit mir, vor einer Woche wurde mein Praktikumsvertrag um ein halbes Jahr verlängert da dort in kürze jemand aufhört, wurde ich inzwischen ein paar wenige Wochen eingearbeitet, heute kam mein Chef dann zu mir er müsse mit mir sprechen, er sagte mir dass sie sich alle einig sind (7 Mitarbeiter die in diesem Bereich arbeiten), ich bekomme dass niemals auf die Reihe, ich werde die die aufhört niemals ersetzen können und er sagte auch klar und deutlich dass er mich nicht einstellen wird, er sagte weiterhin (das Gespräch dauerte etwa eine Stunde), ich sei viel zu ruhig, am Telefon zu leise, ich arbeite nur nach Anweisung, selbstständiges Arbeiten kann ich nicht, ich bringe keine Vorschläge mit ein, ich frage zu wenig warum ist das so, und ich verstehe nichts... Er meinte vllt. Will ich das was mir erklärt wird verstehen, aber kann es aus welchem Grund auch immer nicht verstehen... Ich habe kein Allgemeinwissen, und nur einen Tunnelblick und interessiere mich nur für mein Hobby...

Ich meine er hat ja auch recht... aber ich kann es einfach nicht ändern, es geht einfach nicht auch wenn ich es noch so will und versuche... ich bin hald einfach sehr ruhig, ich habe anderen Menschen gegenüber Angst und kann einfach nicht auf andere zugehen, ich kann mit den meisten Menschen nichts anfangen, ich kann kein Gespräch beginnen, am liebsten bin ich alleine und hab meine Ruhe... ich hasse es abgrundtief wenn ich telefonieren muss, ich kann nicht selbstständig arbeiten, ich brauche einfach eine Anweisung, mein Allgemeinwissen ist gleich null und ich verbringe sehr sehr viel zeit mit meinem Hobby... aber nur in meiner Freizeit und da kann ich doch wohl machen was ich will... ich hab von nichts ne Ahnung, von nichts... ich bin einfach nur dumm... ein Versager der es niemals zu etwas bringen wird...

Meine Noten in der Schule waren auch meistens nicht die besten, meine Abschlüsse habe ich immer gerade noch so bestanden, ich war immer der der in der Pause alleine rumsaß, auf meine Mitschüler konnte ich nicht zugehen, wenn mich mal jemand angesprochen hatte fing ich sofort an zu zittern, wenn der Lehrer mal etwas gefragt hat kam von mir entweder garnichts oder nur „keine Ahnung“, weil ich mich nicht traute vor der Klasse etwas zu sagen.. es könnte ja falsch sein und die anderen könnten lachen... referate waren für mich der reinste Horror und bis auf zweimal habe ich sie auch nicht gehalten und mir eine 6 geben lassen. Ich lebe sehr zurückgezogen, bin die meiste zeit meiner Freizeit zuhause, unternehme aber auch gerne mal etwas mit einem Freund. Ich bin immer müde und schlapp und habe selten mal zu etwas lust, wenn ich aufgestanden bin kann ich schon wieder ins Bett gehen, dass geht schon jahrelang so... normalerweise bin ich aber auch sehr fröhlich und gut gelaunt, aber es sind immer wieder Tage und Phasen dabei die mich einfach nach unten ziehen, und mein „Chef“ der hat mich heute sehr sehr weit nach unten gerissen und ich bin in Tränen aus seinem Büro raus... Da ich sowieso nie wirklich viel Selbstvertrauen hatte und mich schon lange für einen Versager und Nichtskönner halte...

Was soll ich machen? Könnt ihr mir helfen? Gibt es andere Möglichkeiten als zu einem Psychologen oder Arzt? Denn zu solchen möchte ich ehrlichgesagt nicht gehen... Es gibt so Hypnose CDs z. B. Um das Selbstbewusstsein zu stärken, ich habe schon oft überlegt solche zu kaufen, aber bringen die auch was?! Könnt ihr da etwas sagen?

Ich möchte euch dann auch nicht weiter mit meinen Problemen nerven, entschuldigt bitte dass ich soviel geschrieben habe, ich weiß ihr habt auch wichtigere Probleme. ..

Nochmal ein ganz großes Lob an euch dass ihr das hier macht. Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.

Liebe Grüße
Stefan

PaulG Anwort von PaulG

Grüße dich Stefan!

Ich finde es echt toll, dass du dich getraut hast, uns zu schreiben. Wenn der Zeitpunkt erst jetzt war, einen Text zu schicken, dann ist das in Ordnung. Es ist viel besser, dass du erst gewartet hast, bis du dir sicher warst. Sonst wäre es unbefriedigend für dich, oder? Ich halte deinen Text nicht für chaotisch, wirklich nicht - und du nervst uns in keinem Fall. Auch die vorherigen Entwürfe haben ja ihre Berechtigung, denn sie tragen auch zur Qualität des jetzigen Textes bei.

Ich möchte dir - auf die Gefahr hin, dass es dich ärgert, weil du es schon zu oft gehört hast -, sagen, dass es mir leid tut, was dir widerfahren ist. Du kannst sehr stolz auf dich sein. Ich weiß zwar nicht, um welche körperliche Behinderung es sich genau handelt; aber das muss ich auch nicht wissen, um dir sagen zu können, dass deine Entwicklung größte Hochachtung verdient.

Ob man von Geburt an eingeschränkt ist, oder durch einen Unfall - es gibt viele Arten, wie die Dinge sich entwickeln können. Vielleicht hättest du irgendwann resigniert, und dir wäre alles egal geworden. Vielleicht hättest du dich hinreißen lassen, die Leute zu hassen, die dich schlecht behandeln - und jene von dir zu weisen, die dir helfen möchten. Aber alles das, lieber Stefan, hast du nicht getan. Lass es mich noch einmal zusammenfassen: du hast, trotz schwieriger Hintergründe, jahrelangen Schwierigkeiten und deiner Einschränkung, immer noch alles rausgeholt. Du hast Praktika, Ausbildung und Tests gemacht, du hast alles versucht, deinen Traumberuf zu ergreifen. Ich wüsste nicht, was man mehr von dir erwarten könnte. Ich kann die Leute nicht verstehen, die dir sagen, das sei nicht mehr als genug. Und ich versichere dir, es ist wirklich bewundernswert.

Du stehst wohl vor einer schwierigen Situation, weil alles, was dein Traum war, sich in Luft aufgelöst hast - scheinbar. Aber ich verspreche dir, noch ist nicht aller Tage Abend. Möglicherweise wirst du niemals in deinem Traumberuf arbeiten können. Etwas Härteres ist kaum vorstellbar. Wenn dein Chef nicht begreifen konnte, was es für dich bedeutet, dann kann er uns beiden nur leid tun. Wie du es schreibst, bist du niedergemacht worden, wo man dich hätte loben sollen. Leider hat so ein Betrieb praktische Erfordernisse, die man nicht einfach ignorieren kann. Es mag sein, dass es wirklich keine Möglichkeit gab, dich zu übernehmen. Aber das sollst du dir nicht zum Vorwurf machen. Was auch immer du erdulden musstest, ist nicht deine Schuld. Niemand kann dir vorwerfen, dass du dich abkapselst, denn dein Hobby ist es, das dir Kraft gibt. Niemand kann dir vorwerfen, dass du nicht gut genug bist - denn du leistest mehr, als man erwarten kann. Auch du wirst deinen Platz in der Welt finden. Lass dich nicht entmutigen!

Was für dich vor allem wichtig ist, ist, dich nicht mehr so zu vergraben. Du hast das Problem klar erkannt: Du musst dir einen Ausgleich schaffen. Es ist richtig gut, dass du auch mal mit einem Freund was unternimmst. Darauf solltest du aufbauen. Versuch, mehr nach draußen zu gehen - in die Natur, unter Menschen, überallhin, wo du Ablenkung finden kannst. Wenn dein Gefühl der Minderwertigkeit sich darin begründet, dass du körperlich eingeschränkt bist, lass dir noch einmal deutlich sagen: Für mich bildet das keinen Anlass, dich irgendwie weniger zu achten und zu schätzen, als jeden anderen Menschen. Ob du stundenlang am Fluss sitzt, ob du beginnst, dir Opern anzusehen, ob du anfängst, Briefmarken zu sammeln - Vorschläge, die verrückt klingen, aber hier könnten noch tausend andere stehen: Was es ist, spielt keine Rolle. Was zählt ist, dass du dir Gelegenheiten schaffst, du selbst zu sein, wegzukommen von deinem Minderwertigkeitsgefühl. Dein Ziel ist das Erlebnis, zu merken, dass es eine Persönlichkeit Stefan gibt, ganz und gar richtig, vielseitig und in sich ruhend; dass du weißt, was dich ausmacht, dass dein Tun und Denken sich zusammenfügt zu einem Ganzen, einzigartig und dir angenehm. Ich wünsche mir für dich, dass du beginnst, dich als Mensch zu fühlen, als Person, nicht mehr als Sache, die von allen herumgestoßen wird. Und ich bin überzeugt, dass es dir gelingen wird. Brich auf, lass dich nicht entmutigen - denn du bist jung, nichts wäre falscher, als dein Leben einfach verstreichen zu lassen. Nichts, was bisher war, kann man dir vorwerfen. Es ist nicht so, dass du etwas falsch gemacht hättest. Du hast alles richtig gemacht. Jetzt ist der Punkt, dir dessen bewusst zu werden. Und ich habe die Hoffnung, dass mein Satz den Anfang dieser Erkenntnis bilden könnte: Du bist gut, so wie du bist.

Probiere, die guten Phasen voll auszuschöpfen, und zu erweitern. Du hast die Situtation sehr richtig analysiert. Es gibt immer wieder Rückschläge, aber das geht uns allen so. Jedoch, du weißt es, und nun kannst du Strategien entwickeln, damit umzugehen. Wenn ich wütend oder traurig bin, setze ich die Kopfhörer auf, und ziehe los, wohin auch immer. Ich muss meinen Körper spüren, mein Herz hören, bis ich alle Wut und Trauer herausgeatmet habe. Gibt es etwas, wo du deine Wut herauslassen kannst? Gibt es etwas, das dir das Gefühl vermitteln könnte, stark zu sein? Wir alle brauchen Ventile, und wenn es uns schlecht geht, können sie in Aktion treten. Gibt es solche Ventile für dich? Eine wichtige Aufgabe besteht darin, sie zu suchen und zu erhalten. Das möchte ich dir gern mitgeben.

Ich weiß nicht genau, wie sich deine berufliche Zukunft gestalten könnte. Es muss sich zeigen, ob du vielleicht doch einen Platz in der Nische finden kannst, die du dir wünschst? Vor allem zählt, dass du, soweit es geht, auf eigenen Beinen stehst, und etwas findest, mit dem du leben kannst. Es muss gar nicht mal das Tollste sein, wenn du nur gut damit sein kannst. Ich sage das nicht aus Überheblichkeit, sondern weil ich glaube, es wird dir desto besser gehen, je eher du von Anderen unabhängig wirst. Was jetzt ist, was dein Chef dir gesagt hat, das muss und wird nicht für alle Zeiten gelten. Es werden sich dir Türen öffnen - nur gib nicht auf, denn das ist die größte und einzige Gefahr. Ich habe das Gefühl, das du dich nicht aufgegeben hast, und das lässt mich für dich hoffen.

Die Frage, ob es einen Arzt oder Psychologen braucht, ist schwer zu beantworten. Letztlich kannst das nur du wirklich sagen. So spontan würde ich mal sagen: Es muss nicht zwingend sein, aber wenn du schon darüber nachdenkst, ist es mit Sicherheit kein Fehler. Denn gerade ein Psychologe kann dir regelmäßig zuhören und einen Rat geben, wenn gerade niemand anders da ist - oder wenn du einfach möchtest, dass du mal erzählen kannst, und keiner was dazu sagt. Jeder Mensch ist darauf getrimmt, seinen Senf zu allem abzugeben. Selbst enge Freunde geben oft Antworten, mit denen wir herzlich wenig anfangen können - weil sie eben von sich ausgehen, von ihren Erfahrungen mit uns, die nicht nur gut sein müssen. Da ist ein Psychologe jemand, der auch mal drüber steht - weil es sein Beruf ist, der ihn auch verpflichtet, nichts nach außen zu tragen. Das wäre doch eine Überlegung wert - aber wenn du nicht möchtest, musst du auch nicht. Hypnose kann auch funktionieren, das hängt von der Person ab. Wohlgemerkt, kann sie kein Allheilmittel sein. Wenn man möchte, kann man. Es gibt aber keine Garantie auf Erfolg, und auch nicht immer klappt es.

Ich möchte dir zum Abschluss nochmal sagen: Es ist NICHT so, dass du ein Versager wärst. Du hast alles gegeben - und ich bin ganz sicher, du wirst alles bekommen. Gib nicht auf, dein Weg wird sich finden. Denn was du geleistet hast, soll und kann nicht ohne Belohnung bleiben. Da habe ich keinen Zweifel.

Alles Gute und liebe Grüße,

Paul