Problem von Anonym - 24 Jahre

Bin ich der Depp der Familie ?

Hallo!

ich habe das Problem, dass ich der Depp der Familie bin und meine Familie anscheinend meine positiven Seiten nicht sehen will.
Naja mir wurde noch nie wirklich viel zugetraut. Mittlerweile wohne ich in einer kleinen Wohnung, aber am Wochenende komme ich immer zu besuch. Ich spiele seit ein paar Jahren Tischtennis im Verein, und meine eltern haben zu Hause einen Holztisch, einen Gummiball und zwei Plastikschläger. Auf dem spiele ich immer gegen meine kleinen Schwester. Aber mit dem Gummiball und dem Plastikschläger ist es natürlich nicht das Gleiche und ich wirke da dann wie ein depp wenn ich verlieren. Naja meine Schwester denkt aber, dass ich in echt genau so spiele, obwohl sie mittlerweile volljährig ist. Das führt dann immer zu dummen sprüchen und Behelligungen von ihr, sie will mir erklären wie es richtig geht. Sie denkt tatsächlich dass ich in echt auch so spiele und sie viel besser ist als ich. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, obwohl sie weiß dass mein Verein in der Bezirksliga spielt. Wenn meine Schwester jetzt 8 oder vllt auch 13, 14, 15 wäre, dann wär das was Anderes. Aber als erwachsene Frau ? Wenn ich mal sage komm wir gehen mal irgendwo spielen wird das immer abgelehnt. Wenn wir irgendwo mit der Familie hinfahren, wo eine Tischtennisplatte sein könnte gemeinsam, suchen meine Eltern immer Orte, wo keine Tischtennisplatte ist, damit ich ja nicht zeigen kann, dass ich in echt anders spiele.

Wenn es eine einmalige Sache wär, würde mich das auch nicht interessieren, aber ich werde jede Woche damit konfrontiert und finde das ganz schön erniedrigend. Mittlerweile habe ich das gemeinsame Spielen da gedrosselt, weil es auf dauer doch ziemlich erniedrigend ist, wenn man weiß dass man es viel besser kann und sich immer solche Behelligungen anhören muss. Man könnte natürlich sagen augen zu und durch, aber auf dauer ist das wirklich ziemlich schwierig. Ist von außen betrachtet vielleicht nicht so schlimm, aber wenn man da drin steckt ist es viel schlimmer als es sich anhört. Besonders weil in den Jahren wo ich schon spiele weder meine Schwester noch meine Eltern auch nur eine Sekunde gesehen haben wie ich an einer normalen Tischtennis platte spiele. Und das obwohl ich als Kind z.B. auch immer auf den Fußballspielen meines Vaters zum zugucken war, und jetzt ab und zu immer noch. Meine Famliienmitglieder kriegen von mir genug Aufmerksamkeit, aber ich fühle mich ein wenig auf der Strecke gelassen. Das hört sich alles harmlos an klar, aber man muss sich vorstellen, wie es auf dauer ist, wenn man wirklich JEDES mal sich sprüche dazu anhören muss und in den vielen Jahren kein einziges mal, wo man zeigen kann dass man es doch kann, obwohl es schon so viele gelegenheiten dazu gab. Und ich würde meine hand dafür ins feuer legen, dass meine familie, oder zumindest nur ein Familienmitglied für 1 Minute mal sieht, dass ich gar nicht so ein depp bin. Naja ich finde es zumindest etwas schade, wenn ich mir angucke wie viel Aufmerksamkeit ich im Vergleich dazu meinen Familienmitgliedern schon entgegengebracht habe. Auch bei meinen freunden: wenn einer ne sportart oder so macht, wissen die eltern immer bescheid. Ein Kumpel spielt zB. fußball. Der Vater kommt immer mit auf seine spiele und ist stolz auf ihn. Ich weiß, dass es mir darum eigentlich nicht gehen sollte, aber das macht mich alles ziemlich traurig. Aber es scheint keine Möglichkeit zu geben für mich und ich weiß nicht wie ich das erreichen kann, dass mal einer aus meiner Familie mit kommt wo ne ordentliche tischtennis platte ist usw. und dann nur ein paar Sekunden. Ja das hört sich ziemlich lächerlich an ich weiß, aber das ist die Dimension des Problems. Es geht hier um ein paar Sekunden, weil bisher wirklich meine Familie null von mir gesehen hat. Es kommt aber nicht zustande und ich habe das gefühl, meine familie streubt sich regelrecht davor. Immer wenn ich mal sage "hat einer lust mit zu dem turnier zu kommen gucken ?" oder ähnliches, will nie einer mitkommen. Einmal ist mein Vater zufällig bei einem spiel vorbei gegangen, aber das spiel fand drinnen statt. Ich hatte gerade pause und musste aber kurz danach wieder ran, aber auch da ist mein vater nicht mit gekommen kurz das angucken.

PS: damit keiner meine Geschichte und mich erkennt sind ein paar Details abgeändert. Aber das Problem ist das Gleiche.

Wie würdet ihr damit umgehen ? Würde euch sowas überhaupt interessieren, oder würdet ihr es einfach dabei belassen ?

Danke im Voraus für eine Antwort und Freundliche Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Hallo du!

Du hast Recht: Auf den ersten Blick wirkt dein Problem tatsächlich lächerlich - doch finde ich es fast noch offensichtlicher, dass es nur der Aufhänger für das eigentliche Problem ist, das tiefer unter dieser Oberfläche liegt - die Oberfläche, die sich "Konflikte rund um Tischtennis" nennt.
Die interessanten Details stehen in einzelnen Sätzen von dir, so schreibst du gleich am Anfang, dass dir von Seiten deiner Familie noch nie viel zugetraut wurde. Darüber hätte ich ehrlich gesagt gerne mehr erfahren, um mir ein besseres Urteil zu bilden.

Es kann durchaus sein, dass deine Schwester die bessere Spielerin ist - warum auch nicht? Weil du im Verein spielst und sie nicht? Weil sie jünger ist als du??

Zusammengefasst ist doch dein eigentliches Problem in etwa: Dir fehlt Respekt, Zuwendung und Wertschätzung durch deine Eltern und deine Schwester. Das Spannende an der Sache ist, dass sie das eventuell völlig anders wahrnehmen - als z.B. durchaus der Ansicht sind, dir genügend Anerkennung und Liebe entgegenzubringen, vielleicht nur nicht in den Bereichen, welche du besonders auf dem Schirm hast. Es würde sich also lohnen, genauer hinzuschauen, ob sie dich tatsächlich scheinbar grundlos "niedermachen" und kein Lob für dich übrig haben oder ob du zum Teil einfach blind dafür (geworden) bist...
Wenn du jedoch schon vor dir selbst einräumen musst, dass nicht alles so dramatisch ist, wie es sich für dich oft anfühlt, können auch schon kleine Veränderungen, z.B. in der Wortwahl, helfen. Das sind so Sachen wie "Ich würde mich freuen, wenn ihr bei meinem nächsten Turnier dabei wärt" anstatt "hat jemand Lust...?" (es kann nämlich sein, dass ihr Interesse für Tischtennis schlicht nicht so übermäßig vorhanden ist und sie deswegen nicht mitkommen möchten. Dann würden sie die persönliche Ebene dabei nicht erkennen, dass es dir wichtig wäre, stolz wärst, etc.)

Für den Fall, dass es du trotz erweitertem Nachdenkens über euch als Familie zu dem Ergebnis gelangst, dass du wahrhaftig benachteiligt wirst, gelten meine folgenden Gedanken:
Aus bestimmten Gründen, die du vielleicht selbst für dich feststellen kannst, könnte es bei euch in der Familie ein strukturelles Defizit geben - euer gesamter Umgang miteinander ist möglicherweise davon durchzogen. Anscheinend haben sich über die Jahre negative Verhaltensmuster herausgebildet, die euch alle betreffen, aber in unterschiedlicher Form. Ich habe den Eindruck, dass du dich selbst als ohnmächtig, deine Eltern und Schwester allerdings als machtvoll und stark wahrnimmst. Du hast die Opferrolle angenommen bzw. wurdest vielleicht hineingedrängt.
Wenn du feststellst, dass du generell schlecht wegkommst und dich eklatant gekränkt fühlst, musst du aktiv werden: Mache ihnen klar, dass du anders behandelt werden möchtest! Und: Frage sie direkt in einem solchen für dich erniedrigenden Moment, weswegen sie so über dich denken. Verschweige dabei nicht, was ihre Worte und Gesten in dir auslösen! Beschreibe dein Unwohlsein, ohne anzuklagen. Es besteht ja wie schon geschrieben die Möglichkeit, dass keine böse Absicht dahintersteckt und sie dich nur necken oder ein bisschen provozieren möchten.
Um mal eine andere Perspektive einzunehmen: Du wirkst auf mich wie ein weinerliches Kind, das unbedingt Aufmerksamkeit möchte, aber das nicht artikulieren kann.
Werde erwachsen insofern, dass du zu dem stehst, was du brauchst und was man von anderen erwachsenen Menschen erwarten kann, nämlich die Wahrung angemessener Umgangsformen und ein Mindestmaß an Feingefühl und Akzeptanz! Folglich solltest du dein eigenes Verhalten kritisch hinterfragen (Was trage ICH dazu bei, dass sich die Lage nicht verändern kann?), aber natürlich musst du ihnen ebenso reinen Wein einschenken. Versuche es zuerst auf die sanfte Art wie oben beschrieben. Hilft das nicht, geige ihnen deine Meinung, sage ihnen, dass du es nicht mehr hinnehmen wirst, permanent Hohn und Spott ausgesetzt zu sein! Und sei konsequent dabei. Sage ihnen, wenn noch weiter blöde abfällige Bemerkungen fallen, fährst du zurück und schränkst in Zukunft den Kontakt ein.
Insgesamt solltest du von diesem passiv - gekränkten in einen aktiv - lenkenden Zustand übergehen. Das wäre im Übrigen reiner Selbstschutz für dich, falls sie sich immun gegen eine konstruktive Auseinandersetzung mit eurem gemeinsamen Problem zeigen.

Dein Hunger nach Selbstbestätigung scheint mir schon verdächtig, dass du familiär irgendwie zu kurz gekommen bist.
Falls irgend möglich, sollten die tief verborgenen Ursachen in dir und/oder in eurer Familie gefunden und angegangen werden.
Ob ihr das alleine schafft, hängt eben sehr von eurem Engagement im Einzelnen ab und wie sehr ihr reflektieren und tiefgreifend verstehen und durchdringen könnt, was alles an ungünstigen Aspekten vorhanden ist. Weil das meistens total schwierig ist (weil festgefahren, komplex, zeitaufwendig... ), gibt es unter anderem spezielle Therapieformen, welche alle Familienangehörigen umfassen. Voraussetzung wäre natürlich, dass alle merken, dass eine grundlegende Veränderung nötig ist und bereit sind, ihren Teil zum Gelingen beizutragen.

Warum fährst du jedes Wochenende zu deiner Familie? Bist du vielleicht sehr abhängig von deinen Eltern, seelisch wie materiell? - Was auch dahinterstecken mag, gut ist es nicht. Es kann sich nichts ändern, solange du an diesem Verhalten festhälst. Bleibe häufiger in deiner eigenen Wohnung (immerhin könnten sie dich auch in - und wieder besuchen, wenn ihnen etwas daran gelegen ist, dich zu sehen!), konzentriere dich auf dein Leben außerhalb deiner Familie! Suche dir Rückhalt bei anderen Menschen und verlasse dich nicht allein auf deine Verwandten.

Desweiteren empfehle ich dir für den Ist - Zustand, nicht in der Spirale aus Enttäuschung und Hoffnung auf schnelle Anerkennung zu verharren. So wie ich die Lage einschätze, wirst du diese nicht bekommen. Höre auf, das Thema Tischtennis zu benutzen, um dir das zu holen, was dir so fehlt. Du merkst ja selbst, dass es nicht funktioniert. Dadurch bekommt dein Hobby einen schalen Beigeschmack, was schade ist. Halte es in deinem Leben außerhalb deiner Familie, rede von dir aus nicht darüber, spiele nicht mehr gegen deine Schwester und antworte nur noch auf höfliche und ernsthaft aus Interesse gestellte Fragen, solange sich nicht wirklich etwas an eurem Klima zum Positiven verändert.
Versuche, dich auf andere Themen und besonders Gemeinsamkeiten innerhalb eurer Familie zu fokussieren. Das kann schon viel Frust nehmen.

Ich wünsche dir gutes Gelingen für diese Herausforderung!
Nuala