Problem von Anonym - 25 Jahre

Bin ich der Depp der Familie ? - Teil 2

Hallo Nuala!

ich bin es nochmal.
Danke für deine erste Antwort. Jetzt werde ich einige Sachen nochmal
genauer erläutern.

Das mit dem nicht mehr zu Hause Tischtennis spielen finde ich eine
sehr gute Idee und ich werde das so umsetzen. Zu den anderen Punkten
hab ich noch ein paar Sachen, damit du dir ein genaueres Bild machen
kannst:

1) dass mir noch nie viel zugetraut wurde
Meine Schwester hat den Realschulsabschluss gemacht, ich nur
den Hauptschulabschluss. Danach habe ich eine Berufsausbildung
gemacht und meine Schwester auch. Die Ausbildung meiner Schwester
ist aber intellektuell fordernder und dementsprechend habe meine
Eltern ein Bild von mir. Das ist aber nur ein geringer Unterschied.
Der Unterschied kommt durch noch mehr Faktoren rein:
Als ich in der Schule mal nen Durchhänger hatte haben meine
eltern natürlich auch ein bild von mir und haben mir
dementsprechend bei sowas auch wenig zugetraut.
Mein Hauptschulabschluss war trotzdem gut am ende.
Aber selbst nach dem hauptschulabschluss hatten meine
Eltern mich für Faul gehalten, aber meine
Ausbildung habe ich auch gut abgeschlossen.
Also erster Punkt: Schulisches
Dann gibts noch den Punkt mit Fußball. Früher haben wir
immer Fußball gespielt auch im Garten. Meine Schwester
war immer etwas besser als ich und dann war ich halt
immer der Unsportliche, der es nicht so drauf hat.
Mir wurde dann z.B. auch gesagt, dass miene Schwester
motorisch besser ist und ich motorisch nicht so
begabt bin. Also der zweite Punkt: Motorisches
Generell auch bei anderen motorischen Sachen
wurde oft gesagt, dass ich dafür keine Begabung habe,
obwohl meine noten in sport in der schule immer gut waren.
Es gibt natürlich auch tatsächlich eine Sache, die meine
Eltern mir zutrauen: sie halten mich für mathematisch
begabt. Meine Schwester in der Rolle der Pragmatikerin,
die als Frau gut Fußball spielt und noch besser
in mathe ist als ich.
Generell wird mir aber nicht nur das Motorische
aberkannt, sondern alles Praktische, auch
sprachen, wobei ich zugebe, dass ich da auch
wirklich nicht begabt bin. Aber
wirklich alle praktischen Sachen werde mir nicht
zugetraut und da könnte ich jetzt dutzende
weitere Beispiele nenne wo meine eltern mir
schonmal nen spruch gegeben haben.
Unterm Strich wird mir viel zu wenig zugetraut,
nur gut in Mathe, mehr nicht. Das ist eine einzige
Sache, und das auch nur mit Einschränkungen. Da gibt es
über 5 Dinge die bei mir schon
als schlecht tituliert wurden.
Dabei sind meine Eltern und meine Schwester nichtmal
unbedingt "gemein", sondern sie sagen halt
auch ihre ehrliche Meinung.
Unterm Strich einfach etwas zu viele negative Punkte
und wenig Positives.

2) wollte ich dann noch mal was zu meiner Schwester schreiben
meine Schwester gab mir immer "Tipps" oder kritisierte. Aber
wenn man auf eine bestimmte Weise tipps gibt, kristallisiert
sich da heraus, dass man meint dass man besser ist. Und sie hat ja
auch gewonnen, ist auch klar dass man dann denkt man sei besser.
Aber das sind tatsächlich zwei paar Schuhe, entweder
zu Hause spielen mit keinem richtigen Material, wo man
einfach nur Kraft haben muss um zu gewinnen oder
mit einem richtigen Tisch/Schläger/Ball.
Vielleicht ist meine Schwester tatsächlich besser,
aber solange wir kein ordentliches Spiel machen, kann man
das nicht sagen. Sie kann an unseren Spielen
zu Hause nicht festmachen, das sie woanders mit anderem material auch besser ist.
Aber sie spielt immer darauf an.
Meine Schwester trainiert überhaupt nicht, und ich trainiere
3x pro woche mit meinen kollegen aus der mannschaft. Dort
sind in etwa genau so viele Leute besser wie schlechter
als ich in der Mannschaft.
Ich weiß auch, dass Talent oft überschätzt und Trainingsfleiß
sowie die Spielstärke im Verein oft unterschätzt wird.
Aber auch wenn man talentiert ist, kann man mit Null Training
nicht gut sein. Meine Schwester ist da ziemlich eingebildet,
sie meint fast sie könnte mit nem Fingerschnipp jeden schlagen.
Aber ich habe auch mehrere Jahre regelmäßig trainiere müssen
um da mitzuspielen, da kann keiner einfach mit nem Fingerschnipp
hin und ohne übung jeden schlagen.
Und man merkt auch, wenn man seine normale Technik nicht
erfolgreich anwenden kann und sieht einen Unterschied wie man
im Verein spielt und wie man woanders spielt wenn man
seine Technik nicht ordentlich anwenden kann, wenn z.B.
keine guten Spieleigenschaften gegeben sind. Wenn man ein
volles und ein leeres Tetrapack nebeneinander stellt,
sieht auch beides gleich aus. Man kann vom äußeren Erscheinungsbild
nicht auf die Spielweise mit richtigem Material schließen.
Und für bestimmte Dinge muss man einfach trainineren,
um gut zu werden. Alleine um sich die Technik anzueignen,
braucht man Zeit.

Du hast Recht, wenn du schreibst dass mir viel an der Aufmerksamkeit meiner
Familie liegt. Es wird leider kaum Positives gesehen und meine Familie
bekommt von mir auch viel Aufmerksamkeit: Vater hat mir schon oft
sein Können beim Fußball gezeigt und früher immer auf den Spielen
habe ich auch immer zugeschaut. Heuzutage ab und zu immernoch.
Meine Mutter zeigt mir auch oft wenn ich da bin ihre Kunstwerke
die sie was bastelt. Wenn ich das vergleiche mit dem,
was ich an Aufmerksamkeit zurück bekomme, finde ich es berechtigt,
wenn man sich über sowas zumindest ärgert.

Das mit dem Strukturellen Defizit kann ich nicht beurteilen. Es gibt
in meiner Familie bestimmte Rollen in denen man steckt, aus denen man auch nur schwer
rauskommen kann.

Deinen Ratschlag, mich zu distanzieren finde ich sehr gut. Auf jeden Fall
das mit dem nicht-mehr-spielen dort werde ich umsetzen.
Die andere Frage ist, wie man damit umgeht. Mir bleibt ja keine Wahl.
Wie du schon richtig beschrieben hast, wird diese Aufmerksamkeit nicht
zu erlangen sein. Das ist zwar schade, aber man kann ja nix machen.

Es würde niemanden aus meiner Familie umbringen, sich auch mal ein Spiel von mir
anzugucken.

Danke im Voraus für eine Antwort und Freundliche Grüße

Nuala Anwort von Nuala

Hallo zurück!

Ok, das macht die Sache schon klarer.
Ich bin beruhigt, dass meine Gedanken brauchbar für dich sind und du den Aspekt mit dem Tischtennisspielen annehmen kannst.
Dennoch hoffe ich, dass du dir meinen Rat zu Herzen genommen hast, nicht mehr jedes Wochenende nach Hause zu fahren. Ich finde das deswegen so wichtig, weil du 1) nicht mehr so fixiert auf das Familien - Problem bist, denn wenn du unregelmäßig heimfährst, kann es sich nicht so in deiner Lebenswirklichkeit breit machen. 2) finden deine Eltern und deine Schwester vielleicht mal heraus, dass sie etwas netter zu dir sein könnten und genießen die durch dein selteneres Erscheinen exklusiver gewordene Zeit mit dir mehr. Mit etwas Glück sind sie dir dann zugewandter und zuvorkommender. Ich habe stark das Gefühl, dass es für sie schlicht sehr bequem und selbstverständlich ist und sie sich dementsprechend "gehen" lassen, auch wenn das keineswegs logisch daraus folgt. 3) Findest du andere Bereiche der Erfüllung und Selbstbestätigung, wenn du an den Wochenenden woanders bist, etwas mit deiner Clique, Freunden, Freundin, Verein etc. unternimmst. Das macht sehr viel aus!

So, nun zu den Punkten, welche deine Eltern zum Anlass nehmen, eure Unterschiedlichkeit so sehr zu betonen. Ich glaube, das sind nur Scheingründe, um dich niederzumachen bzw. dich kleinzuhalten. JEDER hat Stärken und Schwächen, das sollte mittlerweile jeder mitgekriegt haben. Man liebt sein Kind doch nicht für bestimmte Charakterzüge und Verhaltensweisen, sondern bedingungslos?! Zumindest sollte es so sein!
Ich habe den Verdacht, all diese Einzelaussagen dienen in eurer Familie nur dem Zweck, dir das Gefühl zu geben, nicht gut genug zu sein (sozusagen als Begründung bzw. Rechtfertigung, so als ob man mit einem angeblich "weniger begabten" Menschen so umgehen dürfte). Das ist natürlich totaler Unfug.
Ich finde es echt unmöglich. Weißt du, sicherlich kann man hin - und wieder konstruktive (!) Kritik an seinem Kind üben, sofern es der Situation angemessen ist. Doch dieses reflexhafte, permanente und auch nichts positiv bewirkende (!) Herumkritteln an Dingen, die sowieso nicht zu ändern sind, empfinde ich persönlich als empörend. Ich muss dir ehrlicherweise schreiben, dass es sich für mich fast so liest, als ob sie entweder sehr unzufrieden mit ihrem Leben oder mit bestimmten Teilbereichen sind und es an dir abladen oder aber deine Schwester viel lieber haben und diese Tatsache nicht human verbergen können. Das gibt es leider, dass ein Kind nicht erwünscht war und das sein ganzes Leben lang zu spüren bekommt. Oder dass es die (unrealistischen) Erwartungen seiner Eltern nicht erfüllen kann. Warum sollte es auch? Kinder kommen schließlich nicht auf die Welt, um ihre Eltern glücklich zu machen.
Es könnte auch eine Form von Machterhalt sein und so weiter.....
Ich bin dafür, dass du sie konfrontierst! Sie können nur dann immer weitermachen, solange du lieb und nett und schweigend bleibst. Sie haben sich daran gewöhnt, dass du alles runterschluckst und ihr Verhalten nicht aktiv angehst.

Wenn wieder ein für dich unpassender Spruch kommt, könntest du z.B. so etwas erwidern:
"Du findest also, dass ich faul bin? Woran machst du das fest? Findest du wirklich, dass du derart verallgemeinernd über ich sprechen darfst?"
"Und wenn ihr noch 1000 Mal sagt, ich kann das und das nicht so gut, was ändert das? Akzeptiert mich doch einfach so, wie ich nun mal bin!"
"Warum vergleicht ihr mich mit meiner Schwester? Bin ich nicht ein ganz anderer Mensch, der es verdient hat, entsprechend behandelt zu werden?"
"Ich kritisiere euch doch auch nicht am Laufmeter, also lasst das bitte auch bei mir."
"Sag mir konstruktive Kritik oder halte dich zurück:"
"Über andere Leute redet ihr doch auch nicht so, was soll das?"
"Ich verlasse das Haus, wenn ich weiterhin nur kritisiert werde." Dann aber auch in die Tat umsetzen, sonst verpufft die Wirkung sofort.
Du kannst natürlich auch noch offensiver werden und sie fragen, ob du ein Wunschkind warst oder nicht, ob sie sich einen ganz anderen Jungen erträumt haben, ob sie dich wirklich lieben etc. Sprich offen aus, wie es dir geht, wenn sie so etwas Ungerechtfertigtes und - mit Verlaub - Dummes sagen. Vielleicht merken sie dann, wie sehr sie dich kränken. Vielleicht bricht ein Damm, der bisher gut gehalten hat und es nur das Ventil über den Weg der Kritik an dir gab.

Zu deiner Schwester: Probier es erstmal mit dem nicht mehr zuhause - Spielen. Falls sie trotzdem immer weiter stichelt, würde ich sie dazu auffordern, sofort (!) mit dir zu einer richtigen Tischtennisplatte zu fahren, weil du dich davon überzeugen willst, dass sie es "wirklich drauf hat". Ansonsten soll sie den Mund halten, weil es ja offenbar nur leeres Gerede ist. Lass sie richtig auflaufen!
Wenn sie sich bereit erklärt und mit dir woanders spielt und dort auch gewinnt, würde ich das anerkennen und sie aber vielmehr dafür loben, dass sie sich der echten Herausforderung gestellt hat und sich nicht auf den Sprüchen ausruht.

So, und zuallerletzt will ich dir schreiben, wie beeindruckend ich deine Zeilen finde. Du wirkst du mich wirklich schlau und deine Beschreibungen gefallen mir. Ich denke, du hast echt was auf dem Kasten, das musst du aber niemandem beweisen!
Du hast auch sehr schön beschrieben, dass Talent nicht alles ist. Ich stimme dir absolut zu, dass das viele Leute unterschätzen, wie wesentlich Training ist.

Du machst dein Ding, davon gehe ich fest aus!
Hau rein,
Nuala