Problem von Anonym - 17 Jahre

Mein Vater akzeptiert nicht dass ich Erwachsen werde

Ich bin in einem halben Jahr 18 und werde auch weiterhin bei meinen Eltern wohnen müssen, da mir die Finanziellen Mittel für eine Eigene Wohnung während des Abiturs/Studiums fehlen. Ich habe Gute Noten in der Schule, nehme keine Drogen und gehe nicht häufig feiern oder ähnliches. Eigentlich kein Grund unzufrieden zu sein für meine Eltern sollte man meinen. Doch trotzdem meint mein Vater meinen Internetzugang beschränken zu müssen und stellt auch mal gerne einwöchige Computerverbote auf wenn er "das Gefühl hat" ich würde zu viel Zeit damit verbringen. Wenn ich dann versuche vernünftig mit ihm über das Problem zu sprechen und offensichtlich auch die besseren Argumente habe, welche seine weithergeholten Vermutungen außer Kraft setzen, blockt er ab und sagt einfach nur "du wirst mich hier nicht mit Worten überzeugen können, das ist jetzt so und du hast damit zu leben". Er wendet Methoden an die vielecht noch bei einem 14 Jährigen Wirkung gezeigt hätten aber bei einem fast 18 Jährigen einfach nur albern wirken, hier würde über die Probleme Reden sinnvoller sein sagt auch meine Mutter. Auch spricht er mit mir noch, als sei ich ein Kind und kein fast Erwachsener. Wenn ich nun meinerseits Merke, dass ihm mit vernünftigem Reden nicht zu kommen ist und ebenfalls blockiere und sage "Nein! ich lasse mir nicht mehr alles gefallen" so fange ich mir eine. Auch wenn es darum geht im Haushalt/Garten zu helfen (was natürlich selbstverständlich ist, keine Frage) habe ich seiner Meinung nach alle meine Termine (wie: Geburtstage, Termine im Fitnessstudio, Friseurtermine) abzusagen um zu Verfügung zu stehen. Wenn ich nun den Vorschlag mache mir an einem anderen Tag Zeit für diese Aufgaben zu nehmen, so wird der Vorschlag abgeblockt und ich habe zu gehorchen. Wieder haben wir die Situation ich blockiere und kassiere eine saftige Ohrfeige mit Aussich auf die Nächste sollte ich nicht sofort spurten. Ich sei respektlos gewesen ist die Begründung für diese Ausraster und zusätzlich bekomme ich dann Hausarrest. Aber wie soll ich ihn respektieren wenn er das kein Stück bei mir tut? Wenn nun meine Mutter meint, er solle doch vernünftig mit mir sprechen, ich sei bald 18 und dann könne er mir nicht mehr solche Vorschriften machen so antwortet er nur "mit 18 wohnt er doch immer noch hier und solange das so bleibt mache ich die Regeln". Ich habe schon oft das Bedürfnis gehabt einfach zurück zu schlagen (die Kraft dazu fehlt mir nicht) doch glaube ich, dass diese Reaktion unsere Probleme nur verschlimmern würde. Am liebsten würde ich zu meinen Großeltern ziehen, doch die haben eigentlich keinen Platz für mich in ihrem Haus und meine Mutter möchte nicht das ich gehe. Eine andere Möglichkeit wäre das betreute wohnen doch habe ich keine Ahnung ob es eine solche Einrichtung in der Nähe gibt, was das für mein Studium bedeutet, ob ich überhaupt ein Anrecht darauf habe und wer das bezahlt. Ich fühle mich unterdrückt nicht ernst genommen und brauche eine Lösung denn so halte ich es nicht länger aus.

Bernd Anwort von Bernd

Hallo,

irgendwie erinnern mich Deine Wortwahl und der Konflikt, in dem ihr beide (Du und Dein Vater) steckt an mein eigenes "Erwachsenwerden" :

Mein Vater hatte seine Gymnasialzeit in amerikanischer und französischer Gefangenschaft verbracht. Hatte danach eine Lehre gemacht und war froh darüber, vom Arbeiter zum Angestellten zu werden.
In unserer Familie war ich der erste, der die Möglichkeit zum Abitur hatte.
Als ich in Deinem Alter war, hatte mein Vater keine Chance, mir sprachlich das Wasser zu reichen. Notfalls spickte ich meine Argumente mit einigen Fremdwörtern, und ich hatte ihn genau an der Stelle, wo Du über Deinen Vater erzählst:
"blockt er ab und sagt einfach nur "du wirst mich hier nicht mit Worten überzeugen können, das ist jetzt so und du hast damit zu leben".
Im nachhinein kann man meine eigene Strategie witzig, traurig oder einfach albern nennen:
wenn ich nicht anders kann, als meinem Vater zu demonstrieren, dass ich wohl in allen Gebieten besser bin und überall Recht habe, weiß ich, dass er blocken wird! Wenn ich es nicht wüsste, wäre ich blöd!
Und weiß, dass er mir meine Abhängigkeit von seiner Gehaltsabrechnung unter die Nase reiben wird: das Argument konnte ich ihm nicht nehmen.
Und was habe ich davon?
Das tolle Gefühl, einen imaginären Sieg errungen zu haben :-) (noch so ein Sieg und der Krieg ist verloren! :-) )
So wie der Autofahrer, auf dessen Grabstein steht: "aber ich hatte Vorfahrt!"
Im Grunde war es meine jugendliche Überheblichkeit, die es mir und meinem Vater schwer machte, ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis zu haben.

Bei mir persönlich war es so, dass ich meinen Vater in der Studienzeit konsequent auch in seinem letzten Argument ins Unrecht gesetzt habe: als er mir zum wiederholten male sagte: "so lange Du Deine Beine unter meinen Tisch stellst.....",
ging ich, suchte mir eine Arbeit, mit der ich den Rest meines Studiums alleine finanzieren konnte und verzichtete auf Papas Scheck. Damals unterbrach ich mein Studium für ein Jahr und arbeitete an Bohrtürmen.

Den Begriff "kommunikative Kompetenz" hatte ich damals anders ausgelegt, als ich es nun tue.
In Deinem jetzigen Alter war es wichtig für mich, mich durchzusetzen. Recht zu behalten.
Mein ganzes Selbstwertgefühl hing davon ab.
Zumal mein Jugendfreund und viele andere mir damals noch vor machten, wie erwachsen und selbstständig man mit 18 wirklich schon sein kann: die hatten mit 15 die "Volksschule" abgeschlossen, eine Lehre begonnen und waren mit 18 bereits Facharbeiter und verdienten ihr eigenes Geld.

Davon konnte ich (und kannst Du) nur träumen: so gescheit wir auch immer sein mögen, um so länger sind wir abhängig gerade von denen, die sich leicht von uns ausgenutzt, runtergeputzt und nicht geachtet fühlen.
Ist auch irgendwie eine schizophrene Situation: einerseits soll sich die Jugend abnabeln, andererseits bleiben sie abhängig von der Gesundheit, Arbeitskraft und ~Willen der Eltern.
Diese andere Seite wurde mir erst viel später bewusst. Ich ließ es erst viel später zu, dass diese andere Seite mich berühren konnte: dass mein Vater oft Samstags und Sonntags arbeiten gegangen war, um mir die Modelleisenbahn und nachher das Studium leisten zu können.
Und erst da - viele Jahre später - kam ich mir mit meinen jugendlichen "Spielchen" arrogant und armselig vor.
Nun selber Vater von zwei erwachsenen Söhnen weiß ich genau, dass ein Streit nicht erst mit der wörtlichen Auseinandersetzung beginnt: es beginnt oft schon, bevor auch nur ein Wort gesagt wurde. Beginnt mit einer Geste, einem Augenaufschlag. Beginnt mit dem schlechten Gefühl und der Erwartung, dass es gleich wieder so ausgehen wird, wie das vorherige mal.

Und wenn man mit diesem Gefühl daran geht,wird es wieder so ausgehen, das ist gewiss!

Warum erzähle ich Dir das alles?

Sicherlich nicht, um Dir ein schlechtes Gewissen oder gar ein Schuldgefühl einzutrichtern.
Mein Vater hat mich z.B. niemals geschlagen! So schlimm das ist, dass Dein Vater es tut,
so sehr ist es aber auch ein Zeichen dafür, dass er sich hilflos und in die Enge gedrängt fühlt.
Deine Mutter und Du habt ja eigentlich schon Recht: dass es besser wäre, vernünftig über eure Probleme zu reden.
Was ich Dir ein wenig zeigen wollte ist nur, dass man ein Gespräch miteinander führen kann (wo jeder auch auf den anderen eingehen kann) oder man kann gleich einmal einige verbale Ohrpfeifen verteilen, damit der Andere schon mal blickt, wo die Glocken hängen.
Was ich mit "Verbalen Ohrfeige" meine: Deine Wortwahl:

"versuche vernünftig mit ihm ...zu sprechen" und
"offensichtlich auch die besseren Argumente habe", welche
"seine weithergeholten Vermutungen außer Kraft setzen", ......
oder
" Er wendet Methoden an die vielleicht noch bei einem 14 Jährigen Wirkung gezeigt hätten aber bei einem fast 18 Jährigen einfach nur albern wirken,...."
und:
"werde auch weiterhin bei meinen Eltern wohnen müssen, da mir die Finanziellen Mittel für eine Eigene Wohnung während des Abiturs/Studiums fehlen".
Deine Logik bei all diesen Äußerungen basiert restlos auf Behauptungen (Du sprichst vernünftig! die besseren Argumente sind offensichtlich bei Dir! Seine Vermutungen sind weit hergeholt!). Sie sind logisch nur, wenn Deine Voraussetzungen richtig sind.

Du schreibst z.B.:
"habe ich seiner Meinung nach alle meine Termine (wie: Geburtstage, Termine im Fitnessstudio, Friseurtermine) abzusagen um zu Verfügung zu stehen. "

Was mir da fehlt ist der Ansatz:
wie sieht das denn aus, wenn Du Deine Eltern einmal in der Woche fragst, was anliegt? Und Deine Termine erst danach machst?

Zwar ist die Macke Deines Vaters nicht schön! Aber zugrunde liegt die Erfahrung, dass Du zuerst Deine Privattermine machst und die Familie mit dem Vorlieb nehmen darf, was übrig bleibt und nur dann, wenn es übrig bleibt.
Geburtstagsfeiern sehe ich ja noch ein: wenn Du da eingeladen bist, wird wohl niemand seine Feier für Dich verschieben.
Aber Frisör? Fitnessstudio? Das sind frei vereinbare Termine und damit entscheidest Du schlichtweg, was Dir wichtiger ist!
Genau dieses Signal kommt bei Deinem Vater an.
Und wenn es dann dagegen um familiäre Aufgaben geht, die in irgend einer Weise aufeinander abgestimmt sein sollten, stehen Deine Termine bereits fest?!
Gartenarbeit macht man meist lieber gemeinsam; wenn heute Getränke fehlen nutzt es nichts, wenn Du erst übermorgen Zeit hast, Deiner Mutter beim Einkauf die Sprudelkisten zu tragen.
Das sind aber alles planbare Arbeiten! Warum plant ihr sie nicht gemeinsam?
Vorher!
Bevor Du Deine verschiebbaren Termine zu Zwangspunkten machst, nach der sich alle richten müssen!
Der Rest der Familie hat auch Zwangspunkte, die ihnen von außerhalb aufgezwungen werden: Arbeitgeber, Ämteröffnungszeiten, Verfügbarkeit der Familienkutsche und ähnliches mehr.

In unserer Familie war meine Mutter meist diejenige, der ich genauso entgegengetreten bin, wie Du Deinem Vater:
"jetzt habe ich gerade keine Zeit! aber heute Abend mache ich das!"

Du weißt genauso gut wie ich, dass es "heute Abend" nichts mehr zu tun gibt, weil Mama es schon allein erledigt hat!
Das macht Papas manchmal böse :-(


Zu Deinem Ansatz:
"werde auch weiterhin bei meinen Eltern wohnen müssen, da mir die Finanziellen Mittel für eine Eigene Wohnung während des Abiturs/Studiums fehlen".
Der Satz ist zwar vollkommen logisch. Aber nur, wenn Du Dir die unterschwelligen Aussagen mal "offensichtlich" vor Augen führst, wird es zu einem schlüssigen Gesamtbild, das Deine Denkweise erklärt.

Damit es nicht so hart ausfällt, versuche ich es mal mit der Antithese:

Du wirst nicht weiterhin bei Deinen Eltern wohnen müssen!
Erwachsen sein bedeutet, die Selbstverantwortung vollständig zu übernehmen!

Vielleicht kannst Du daraus ja etwas erkennen? Es würde mich freuen!

Alles Liebe

Bernd