Problem von Anonym - 19 Jahre

Brauche ich Hilfe?

Als ich circa 15 Jahre alt war und in der Pubertät habe ich mich mal mit einem Draht oder einem spitzigem Stein meinen Arm ein wenig aufgekratzt. Es steckte nichts dahinter, vielleicht wollte ich 'auffallen' ich weiß es nicht. Auf jeden Fall hatte ich keine ernsthaften Probleme. Allerdings hatte ich auch eine Zeit, in der ich (wenn ich geweint habe) mich mit einem Skalpell ein wenig geritzt habe. Das war derzeit im Freundeskreis und in der Schule ein etwas größeres Thema und ich schäme mich dafür, dass ich es tat. Aber ich war danach nicht süchtig und mir half es auch nicht mich besser zu fühlen...eigentlich war mir klar, wie dumm das war und ich tat es auch nur 3 oder vier mal und auch nicht zu arg.
Aber dennoch hatte ich die ganzen Jahre lang immer im Hinterkopf, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich hatte eine Weile eine etwas schwierigere Zeit mit meinen Eltern und habe nachdem wir Streit haben oft sehr stark geweint aber viel mehr als 'nötig'. Heute ist mir klar, dass die Phasen, die ich durchmachte normal sind aber dennoch lässt mich das Gefühl nicht los, dass ich zu einer Depression neige. Immer mehr war ich grundlos traurig, ging nicht mehr ans Telefon oder an die Tür und hatte sehr starke Probleme mit Menschen zu reden, die ich nicht kenne. Ich rede mir immer mehr ein, dass ich alles perfekt machen muss und sonst die anderen Menschen schlecht über mich reden. Ich traue mich nichts mehr in die Hand zu nehmen, weil ich Angst habe zu versagen. Obwohl ich weiß, dass ich Fehler machen muss. So nun meine aktuelle Situation:
Ich habe letztes Jahr im Mai circa mein Abitur mit 3,0 bestanden. Ich wusste noch nie wirklich was ich danach machen werde aber hatte in der Zeit als ich mein Abitur schrieb auch keine Zeit und keinen Kopf dafür mich zu erkundigen. Ich bin dann danach hin und wieder wo hingereist und habe dann im August einen Monat lang eine kurzfristige Beschäftigung gehabt.
Nach der Schule fühlte ich mich so hilflos in die Welt geschmissen und komplett überfordert. Also beschloss ich erstmal für mich in Ruhe raus zu finden was ich nun tun möchte. Meiner Meinung nach wird man in der Schule viel zu wenig für das 'richtige' Leben da draußen vorbereitet. Nach der kurzfristigen Beschäftigung verbrachte ich knapp 2 Monate damit raus zu finden was ich machen möchte. Ich wollte mir ganz sicher sein. Jetzt habe ich einen 'Traumstudiengang', zu dem ich mich allerdings erst nächstes Wintersemester wieder bewerben kann. Ich habe mir und meinen Eltern eingeredet, dass ich bis dahin ein FsJ machen werde und die Zeit sinnvoll überbrücken werde.Da ich Angst hatte, mich wo zu bewerben und den 'nächsten Schritt' zu gehen, hatte ich immer 'Besseres' zu tun, als mich wo zu bewerben. Ich habe sozusagen Angst vor den Menschen die schon älter sind als ich und meine Bewerbung anschauen und denken, dass sie 'falsch' ist oder nicht perfekt. Ich würde mich zu sehr schämen und habe Angst zu versagen, da ich noch nie eine richtige Bewerbung geschrieben habe. Das ist nur ein Beispiel von vielen Problemen. Ich habe Angst Auto zu fahren, da ich fürchte, dass sich jmd über meinen Fahrstil ärgert..darum fahr ich gar nicht erst. Wobei sich dieses Problem schon ein wenig verbessert hat.
Ende 2015 hatte ich eine schwierigere Zeit.. ich habe einen Freund seit über 2 Jahre und er ist sozusagen mein Anker. Ich hatte oft Tage in denen ich grundlos geweint habe.Ich hatte eine unendlich riesige Traurigkeit in mir und habe nur alles schlecht gesehen. In diesen Momenten lieg ich bei ihm im Arm und er weint manchmal mit aber sagt mir natürlich auch, dass ich Hilfe brauche. Allerdings will ich in diesen Momenten keinen einzigen anderen Mensch, der mich so sieht und dem ich mich so öffne. Aber in diesem Moment weiß ich auch, dass ich Hilfe bräuchte und das bringt mich noch mehr zum Weinen.
Dann habe ich ein Buch gefunden, dass mir mit meinen Problemen relativ geholfen hat.
Heute geht es mir Dank dem Buch um einiges besser und ich habe nicht mehr solche schlimmen Tage. Ich hatte sie immer mindestens 2 oder 3 mal im Monat. Seit Februar glaube ich habe ich nicht mehr so richtig geweint. Ich fürchte, dass ich mein Problem verdränge und es irgendwann wieder aus mir rausbricht.
Mein Problem:
Ich weiß selber nicht ob ich zu einer Depression neige oder nicht. An sehr schlimmen Tagen kann ich mir mein Leben nicht schlimmer vorstellen aber wenn ich mich wieder im Griff habe denke ich, dass alles in Ordnung ist und ich einfach übertreibe. Aber ich weiß nicht, ob das nur eine Art Schutzmauer ist. Wenn ich darüber nachdenke, dass ich im September alleine in einer Wohnung lebe und ganz alleine zur Uni gehen muss drehe ich durch. Damit würde ich nicht klar kommen. Mein Freund und ich haben den perfekten Plan, dass wir zsm wohnen, da er nach seiner Ausbildung auch studieren möchte und sein Studienort nah an meinem liegt. Solange ich meinen Freund bei mir habe, denke ich, dass ich mich im Griff habe aber ich weiß nicht was passiert wenn das nicht klappt und ich alleine sein muss.
Im Allgemeinen bin ich einfach überfordert und schieb ständig Sachen vor mir her, vor denen ich Angst habe. Ich trau mich nichts im Leben obwohl ich erwachsen werden möchte und mich mehr trauen will. Ich bin nun seit über einem halben Jahr daheim und tu nichts! An guten Tagen rede ich mir ein, dass das nichts ausmacht und an schlechten Tagen denke ich, dass ich deswegen meinen Studienplatz nicht bekommen werde und nur schlechtes darauf folgt, da ich (jetzt schon) eine riesen Lücke im Lebenslauf habe.
Meine Frage ist glaube ich schwer zu beantworten... was soll ich tun???
Darauf hoffen, dass der Plan mit meinem Freund klappt und abhängig von ihm sein?
Hilfe aufsuchen und erstmal meinen Kopf klar machen, dass ich selbstbewusst bin um den nächsten Schritt zu gehen? Denn momentan habe ich sehr wenig Selbstwertgefühl. Aber das Problem ist, dass ich mich nicht traue jemandem was zu sagen. Einmal habe ich es versucht aber meine Eltern haben es nicht ganz verstanden und es nicht ernst genug genommen. Gerade im Moment bin ich einfach nur verwirrt und fühle mich ganz anders als der Rest der Welt. Ich habe das Gefühl jeder macht was und arbeitet wo aber ich mache einfach nichts. Morgen ist aber vielleicht ein besserer Tag und ich kann mich überwinden einen kleinen Schritt zu gehen und z.B bei der Bundesargentur für Arbeit anzurufen(tat ich schon einmal aber es kam nichts).

Also zusammengefasst: Ich weiß nicht ob ich Hilfe brauche, da ich öfter 'normal' bin als depressiv aber trotzdem fühle ich mich die meiste Zeit anders und überfordert. Ich kann meine unendlich vielen Worte im Kopf schwer zusammenfassen wie man unschwer am Text erkennen kann und weiß nicht wohin mit meinen Gedanken. Ich lebe jeden Tag nur so vor mich hin und habe Angst meinen nächsten großen Schritt zu gehen. Ich möchte das alles loswerden und das nicht nur an meinem Freund, sondern ich möchte die Meinung von einem älteren Menschen hören, der mich versteht und mir im Leben helfen kann. Mein Gefühl sagt mir nämlich, dass ich nichts alleine schaffen kann und immer jemanden an meiner Seite brauche. Aber jemals professionelle Hilfe aufzusuchen ist für mich meist unvorstellbar, da ich nicht wüsste was ich sagen soll. Auch allein hierfür bräuchte ich jemanden, der anruft und auch diese Aufgabe für mich übernimmt, da mein mangelndes Selbstwertgefühl mir sagt, dass ich das nicht kann weil ich es noch nie gemacht habe(Ein Teufelskreislauf bei jeder kleinen Aufgabe von mir im Alltag).

Anna Anwort von Anna

Hallo Du,

vielen Dank für Dein wiederholtes Vertrauen. Ich habe gesehen, dass Du Dein Problem bereits anders formuliert von JuliaZ beantwortet bekommen hast, denke aber, dass ich Dir aus einer anderen Sichtweise heraus vielleicht noch einige Hilfestellungen bieten kann.

Die Verwirrung, die Du momentan über Dich selbst und über Dein Leben empfindest, macht Dir sehr zu schaffen und sicherlich weißt Du manchmal gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist und an anderen Tagen fragst Du Dich dann wieder, ob Du überhaupt Probleme hast. Ich denke, genau das ist Ausdruck für eben jende Verwirrung, in der Du Dich gerade befindest und Ausdruck dafür, dass Du vor oder inmitten einer Selbstfindungskrise stehst. Keine Angst! Das geht vielen oder wahrscheinlich den meisten Menschen so, die, wie Du, jetzt kurz davor sind, ihr eigenes Leben beginnen zu müssen, mit ihrem eigenen Haushalt und der Verantwortung für ein Studium und auch einer Beziehung. Diese Jahre sind wie eine zweite Pubertät. In der ersten Pubertät, die ja vor allem stark hormonell geprägt war, ging es einzig und allein darum, sich abzugrenzen und sich selbst in Abgrenzung zu den Eltern definieren zu können. Die zweite Pubertät ist quasi der Feinschliff. Hier geht es jetzt darum, nicht nur eine eigene Person zu sein, sondern auch noch darum, welche Person man eigentlich genau ist. Das gehört zum erwachsen werden dazu und kann häufig von depressiven Verstimmungen, Panikattacken, Ängsten und vor allem Verwirrungen begleitet sein.
Ob Du bereits psychotherapeutische Hilfe brauchst, kann man noch nicht sagen und ich denke, das wird sich für Dich im Laufe der nächsten zwei Jahre herausstellen. Solltest Du dann das Gefühl haben, einfach nicht weiterzukommen und in einem richtigen Loch zu sein, in dem Du die schönen Momente gar nicht mehr siehst, dann zögere nicht, Dich an einen Therapeuten zu wenden. Die Hilfe, die Du da bekommst, ist nämlich kein Ausdruck dafür, dass Du psychisch krank bist oder etwas nicht mit Dir stimmt, sondern einfach eine Hilfe auf Deinem Weg der Selbstfindung, der eben auch manchmal seine düsteren Schattenseiten hat.

Dass Du in einer festen Beziehung bist, freut mich für Dich und ich kann mir vorstellen, dass Dir dieser Anker dabei helfen wird, mit dem Gröbsten zurecht zu kommen. Dein Freund ist sicher froh, für Dich da sein zu können und froh, dass Du ihm so sehr vertraust. Ich denke auch, dass es in Ordnung ist, wenn man sich zeitweise mal mehr auf den anderen verlässt und sich irgendwie ein wenig abhängig fühlt, nur darf das nicht zum Dauerzustand werden. Daher ist es wichtig, dass Du versuchst, Dich immer als eigene Person wahrzunehmen und zu definieren. Vernachlässige Deine Hobbies nicht, versuche herauszufinden, was genau Dich persönlich ausmacht, was Dich von anderen unterscheidet. Führe neben Deiner Beziehung auch noch andere soziale Kontakte, sprich auch mit Freunden über Deine Ängste.
Das was Du fühlst, in Worte zu fassen, ist wirklich sehr schwer, aber ich finde, dass es Dir sehr gut gelungen ist. Manchmal reichen Worte aber einfach nicht dafür, was man fühlt, diese Gefühle auszudrücken, ist aber trotzdem unheimlich wichtig. Versuche einmal, Dein Innerstes vielleicht auf andere Weise auszudrücken, zum Beispiel durch Zeichnen oder Malen, durch eine Geschichte oder durch etwas anderes Künstlerisches.

Wichtig ist auch, dass Du Dich von Deinen Selbstzweifeln nicht unterkriegen lässt. Der Angst ab und zu mal nachzugeben und sich zurückzuziehen, ist nicht nur in Ordnung, sondern kann der Seele auch unheimlich gut tun. Wichtig ist aber, dass der Rückzug nicht zum Zwang wird und Dich die Angst nicht anfängt zu beherrschen. Auch hier ist es unheimlich wichtig, soziale Kontakte aufrecht zu erhalten und Dich nicht ganz zu isolieren. Vielleicht findest Du bis zum Studienbeginn ja auch eine Arbeitsstelle, wo Du die Menschen schon kennst? Irgendwo bei Dir in der Nähe? Auch, wenn die Arbeit nichts mit Deinem zukünftigen Studienfach zu tun hat, es wird Dir gut tun, wenigstens irgendetwas zu arbeiten, denn dabei sammlest Du ja auch viele Erfahrungen.

Im Folgenden möchte ich Dir gerne einige Übungshefte empfehlen. Du kannst Dich bei Amazon ja mal durchklicken, vielleicht sagen Dir die anderen ja auch zu?
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Und außerdem auch diese Internetseiten:
http://hochsensibelsein.de/hochsensibel/
http://www.zeitzuleben.de/der-schlussel-zu-einem-aktiven-leben-eigenverantwortung-ubernehmen/
http://www.zartbesaitet.net/survey/site.php?a=su_onepage&su_id=1
http://www.zeitzuleben.de/ein-wochenplan-fur-dein-zeitmanagement/

Bei Deinem Weg zu Dir selbst und zu dem Leben, das Du dann für Dich ausgesucht hast, wünsche ich Dir alles Gute und vor allem viel Kraft und Geduld mit Dir selbst. ;)

Viele Grüße,

Anna