Anwort von PaulG

Kürzlich ist ein Feedback einer Mitleserin für dich eingetroffen, ich verlinke es dir hier:

http://mein-kummerkasten.de/intern/problem/edit/324810

Liebe Misa,

Tja, da erhältst du nun eine Antwort... vielleicht wirst du dich nicht mehr erinnern, uns geschrieben zu haben. Vielleicht wirst du auch sehr verärgert sein, weil es so lange gedauert hat, dass du schon gar nicht mehr damit gerechnet hast. Und dein Leben stand ja nicht still! Es ist nicht in Ordnung, dass es so passiert ist. Die Verantwortung liegt allein bei mir. Warum? Weil wir vom Kuka-Team, wenn wir uns einem bestimmten Problem zuwenden möchten, dieses "reservieren" können, falls die Zeit in dem Moment nicht reicht. Dadurch wird es jedoch dem Rest des Teams entzogen. Und Paul hat in den letzten Wochen etliche Probleme reserviert, war aber nur sehr wenig aktiv. Es tut ihm sehr leid - und er hofft, du kannst / möchtest seine Antwort noch zur Kenntnis nehmen.

Was sehr auffällig ist, Misa: Du ziehst gar nicht erst in Erwägung, dass dein Busen auch in Ordnung sein könnte, wie er ist. Möglicherweise ist das der Satz, bei dem du am ehesten genervt wegklicken möchtest. Nun ist es aber so: Möchtest du denn Jahre um Jahre deinen Körper verleugnen? Immer kompliziertere Wege ersinnen, wie du die Anderen täuschen könntest? Damit verlängerst du deine jetzige Belastung ja nur noch. Ich kann nicht sagen, ob es, wenn du zum Schwimmen erscheinst, bissige Bemerkungen geben wird - jedenfalls ist damit zu rechnen. Doch sag ehrlich, was ist besser: Die Dämlichkeiten deiner Klassenkameraden - die auf etwas stolz sind, worauf sie überhaupt keinen Einfluss hatten - anzuhören. Einmal. Zweimal. Bis es dann bald wieder langweilig wird, weil du nicht darauf eingehst. Oder du unempfindlich gegen solchen Schwachsinn geworden bist, wie jemanden wegen ihres Busens zu ärgern. Oder verzweifelt bemüht zu sein, es irgendwie zu verstecken. Was deine Angst und dein Minderwertigkeitsgefühl nur immer mehr in die Länge zieht. Es ist keine besonders schöne Wahl. Doch im Augenblick muss sie sein. Es kann durchaus sein, dass dein Busen noch wächst - gut möglich ist es, auch wenn ich es nicht sagen kann. Zurzeit ist es aber wichtiger, dass du deinen Körper so anerkennen lernst, wie er ist. Denn was machst du, wenn du im nächsten Jahr einen furchtbaren Pickel hast, der einfach nicht verschwinden will? Eine Narbe vielleicht, von einer OP? All das sind auch Sachen, wegen denen man - vollkommen unnütz - aufgezogen werden kann. Da hilft nur: Wissen, dass es unnütz ist. Und sich erinnern, dass Schönheit nicht bedeutet, wie ein Cover-Girl auszusehen. Schließlich willst du in den Augen der Freunde schön sein, die dir wirklich wichtig sind, oder? Und in den Augen des Jungen den du liebst - und der (noch wichtiger) dich auch liebt? Und eben nicht in den Augen der Eingebildeten, die zwar makellos sind, aber keinen besseren Zeitvertreib wissen, als anderen Leuten das vorzuhalten? Eben. Und darum: Ich kann verstehen, dass du am liebsten heulen möchtest. Doch es führt kein Weg daran vorbei, die Tatsachen erst einmal anzuerkennen. Weil du dir nicht hilfst, wenn du so tust, als ob du jemand anders wärst.

Bei den Mädchen ist es der Busen - bei uns Jungs gerne mal der Du-weißt-schon-was... Immer geht es um Größe. Geht es darum, Eindruck zu machen, hervorzustechen. Aber es gibt auffallen und auffallen. Du kannst so auffallen, dass jeder auf der Straße dir hinterher pfeift, und jeder dich gewinnen möchte - der Nachteil: Du weißt nie, woran du bist. Kannst niemandem vertrauen. Und musst unendlich viel Energie investieren, so makellos zu bleiben. Denn wenn du einmal krank wirst, oder schwach, oder kraftlos, dann fallen alle auf einmal aus sämtlichen Wolken: Was, die ist ja auch bloß... ein Mensch? Ja, und so ist das, wenn man seinen Ruf auf sein Aussehen baut. Manche Frauen sind mit einem großen Busen gesegnet, manche Männer bauen leicht Muskeln auf. Wenn aber die Welt nur große Oberweiten und dicke Arme bräuchte, dann gäbe es keine kleinen und dünnen mehr. Die Jungs, die wirklich an dir interessiert sind, suchen nicht nach einer ausladenden Brust - sondern nach deinen Eigenheiten, nach dem, was dich besonders macht. Vielleicht hast du einen verdammt süßen Leberfleck auf der Wange, der einem supersüßen Kerl nächtelang nicht aus dem Kopf geht? Lach nicht, es ist so! Vielleicht hast du strahlende Augen, oder jemand denkt immerzu an die Art, wie du eine Strähne aus dem Gesicht pustest, wie du deine Schultern anziehst, wie du lachst, an deinem T-Shirt zupfst? Diese ganz kleinen Sachen sind es, die man erinnert. Eine freche Antwort. Einen guten Witz. Eine Schlagfertigkeit. Einen kleinen Gefallen. All das, was du ohnehin tust, wenn du dir nichts Böses denkst: Das zieht auch das Gute an. Und wenn du danach trachtest, ohne Makel zu sein, kostet dich das endlos Energie - für das zweifelhafte Gefühl, begehrt zu sein. Nur, begehrt ist eben begehrt. Im Mittelpunkt stehend. Aber nicht unersetzlich. Das bist du nur, wenn du auf dem aufbaust, was dir mitgegeben wird. Dazu kann auch ein kleinerer Busen gehören, und ein zierlicher Körperbau. Es mag eine Weile dauern, bis du das für dich anerkennen kannst - und ich behaupte durchaus nicht, dass es einfach ist. Doch wenn man zwischen zwei Übeln wählen kann, ist es da nicht leichter, das kleinere und kurzlebigere zu nehmen? Du lastest dir nur eine endlose Kette aus Zwang und Verletzlichkeit und Angst auf, wenn du nicht zu dir stehst. Das Gegenteil würde auch denen mal gut tun, die so restlos selbstverliebt sind - die gibt es doch überall. Wenn sie nämlich nicht zeitig auf jemanden treffen, der ihnen durch sein Leben beweist, dass sie nicht das Maß aller Dinge sind, sondern nur von der Schar ihrer schwachen Bewunderer dazu gemacht wurden, weil sie auffallen - wenn sie so jemanden nicht treffen, könnten sie auf den Gedanken kommen, die Welt drehe sich nur um sie. Und davor willst du die Leute, die ihnen später begegnen werden, doch bewahren? Du könntest jetzt damit anfangen. Es bleibt nicht ohne Folgen, auch wenn es dauern kann, wirst du davon profitieren. Denn du bist immer auch ein hoffnungsvolles Beispiel für die, die ihre eigenen Handicaps haben, und sie bisher auch vor dir verborgen haben.

Willst du das sein? Ich weiß nicht, ob es dich im Moment sehr tröstet, das von mir zu hören. Leider kann ich dir auch nicht zu dem verhelfen, was du dir so wünschst. Doch es wird nicht die letzte Situation sein, in der du jemandem um etwas beneidest, was man vermeintlich so nötig braucht - in Wahrheit aber zufällig ist, und deswegen auch nur am Rande wichtig ist. Eine Weile noch wird das ein besonders heißes Thema sein - aber so lange dauert es nicht mehr, bis sie merken, dass Äußerlichkeiten einem nicht weiterhelfen, wenn es um die wirklich wichtigen Dinge geht. Denn wenn darum geht, im Leben zu bestehen, ist eine große Oberweite das Letzte, was einem unbedingte Vorteile sichert. Klingt das nicht logisch? Ich kann dir, wie erwähnt, nicht mehr sagen, als dass ich dir wünsche, du könntest dich mit dir selbst vergleichen - und merken, dass du doch sehr schön bist. Aber wenn es dazu käme, wäre ich schon sehr glücklich.

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul