Problem von Anonym - 14 Jahre

Kaputte Familie, Depressionen und Homosexualität

Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wo ich anfangen soll. Meine Familie war nie die beste, meine große Schwester hat mich als kleines Kind (Kindergarten/Grundschule) regelmäßig geschlagen, irgendwo eingesperrt, mir eingeredet, dass ich erbärmlich bin ect... (Ich habe heute noch irre Angst vor ihr, sie droht mir immernoch ab und zu und ist sehr stolz darauf, das sie mich früber immer geschlagen hat). Geschrei zwischen meinen Eltern oder der ganzen Familie stand an der Tagesordnung.

Letztes Jahr hat meine Mutter meinen Vater dann mit einem anderen Mann betrogen, auf den ich später noch genauer eingehen werde. Mein Vater war nachdem er davon erfahren hat noch mies gelaunter als vorher. Er hat mich zwar nie geschlagen, aber er brüllt und brüllt... Letzten Endes haben meine Eltern sich dann getrennt. Mein Vater lebt fortan alleine, meine Schwester auch und meine Mutter und ich teilen uns eine Wohnung seit ca 2 Monaten. Ich sehe meine Schwester und meinen Vater dennoch fast täglich, da er sie und mich zur Schule fährt. Geschrei im Auto gibt es natürlich immernoch.

Nun zu dem festen Freund meiner Mutter. Er kommt ständig vorbei. Das erste, was er macht, wenn er durch die Tür geht, ist es, sich 2 Bier zu holen und wegzusaufen. Er raucht ständig. Dank ihm stinkt unsere Wohnung oft nach Alkohol und Rauch, einfach abartig widerlich. Ich kann seine ganze Persönlichkeit nicht ausstehen. Wenn er da ist, verlasse ich mein Zimmer schon gar nicht mehr, weil er stinkt und unfreundlich ist. Er ist sehr leicht reizbar und seine Persönlichkeit kann man meiner Meinung nach in die Tonne treten. Meine Mutter ist aber leider sehr verliebt in ihn... Sie nennt mich egoistisch, wenn ich ihr sage, dass ich es nicht mag, dass er das ist. Nachts höre ich sie beim Sex, ist echt widerlich. Der Freund meiner Mutter wohnt in einer WG mit seinem kleinen Bruder und da treffen wollen sie sich nicht. (Frei nach dem Motto: Den erwachsenen Bruder wollen wir nicht belästigen, aber das kleine Mädchen soll uns nachts ruhig hören...) Außerdem bringt er oft homophobe Sprüche, dabei bin ich Lesbe...

Dass ich homosexuell bin ist eine weitere Sache, die mich sehr belastet. Meine besten Freunde und meine Mutter wissen es, aber ganz offiziell outen kann ich mich nicht, weil ich gemobbt werden würde.

Meine Mutter hat sich total verändert seit sie ihren Freund kennt. Sie ist jede Woche ca auf 2-4 Partys, ist unzuverlässig und ihr Freund hat immer vorrang.

Ich leide schon seit Jahren an starken Depressionen, aber Therapie hat für mich nichts genutzt... Meine Mutter spielt es als pubertär runter, wenn ich ihr von meinen Problemen erzähle. Dabei hat sie nicht die leiseste Ahnung davon, wie schrecklich es mir eigentlich geht. Ich kann ja nicht einfach sagen "Hey Mama, ich denke ständig daran, mir die Arme aufzuschlitzen, mich vor ein Auto zu werfen oder vom Dach zu springen" Ich würde nicht sagen, dass das in der Pubertät normal ist, ich habes das immerhin schon seit ich 10/11 bin. Ich habe starke Schlafprobleme, bin immer erschöpft, fühle mich wie ein nutzloses Stück Scheiße, verschlafe ständig, habe immer Kopfschmerzen... Ich kann das einfach nicht mehr.

Liebe Grüße

Däni Anwort von Däni

Liebe Ratsuchende,
vielen Dank, dass Du Dich uns gegenüber so geöffnet hast und uns somit das Vertrauen schenkst.
Ich bedanke mich darum, weil es vermutlich sehr viel Energie und Kraft gekostet hat, Deinen Text zu verfassen. Und das ist kein Wunder, denn Du hast in Deinen jungen Jahren schon sehr viel durchmachen müssen.

Es ist schrecklich, dass Dich Deine Schwester früher geschlagen und so erniedrigt hat. Es ist schrecklich, dass Du eine Scheidung durchleben musstest. Es ist schrecklich, dass Du Tag für Tag mit Streitgesprächen konfrontiert wirst. Und es ist schrecklich, dass Deine Mutter gar keine Rücksicht auf Dich, Deine Bedürfnisse und Gefühle nimmt. Es ist überhaupt kein Wunder, dass es Dir so miserabel und schlecht geht. Ich kann mir auch vorstellen, dass die von Dir genannten Punkte auch nur die Spitze des Eisberges sind.

Aber auch gerade in solchen schweren Situationen ist vor allem die zwischenmenschliche Kommunikation sehr wichtig. Ich weiß, dass gerade das in Deiner Familie ein Hauptproblem darstellt, da man mit einfach Gesprächen vermutlich nicht viel bezwecken kann. Es wäre allerdings ein Fehler, aufgrund dieser Tatsache, sich selbst zu verschweigen und zu verschließen.
Wenn Dich also beispielsweise der unüberhörbare Sex zwischen Deiner Mutter und ihrem Freund anekelt, sprich es an. Vielleicht fruchtet das irgendwann, wer weiß.
Versuch auch alle anderen Konflikte, die Dich in Deinem Zuhause stören, mit Deiner Mutter in einer ruhigen Minute zu besprechen und Kompromisse zu finden.

Aufgrund der Tatsache, dass Dein Vater häufig schlecht gelaunt und auch überwiegend nur am rumbrüllen ist, weiß ich auch nicht, inwiefern es vielleicht eine Lösung wäre, wenn Du zu ihm ziehen würdest. Du kannst Euer Verhältnis besser einschätzen und am ehesten sagen, ob Du Dich bei ihm wohler fühlen würdest, als bei Deiner Mutter. Wenn dies der Fall sein sollte, wäre dies vielleicht auch eine Option für Dich.

Wenn beides keine Option für Dich darstellt, kann ich Dir nur nahelegen, dass Du Dich an eine/n Vertrauenslehrer/in Deiner Schule wendest. Hierbei brauchst Du keine Angst zu haben, was Du von Deiner Familie preisgibst, da der/die Vertrauenlehrer/in der Schweigepflicht unterliegt. Deshalb kannst Du ruhig Eure gesamte Situation erzählen und man wird Dir helfen, zu einer Lösung zu finden.
Alternativ kannst Du Dich auch mit einer anderen Person, wie z.B. Onkel, Tante, beste Freundin oder Freund, zusammensetzen und gemeinsam eine Beratungsstelle für Dich heraussuchen. Hierzu kann ich Dir auch folgenden Link empfehlen:
http://www.dajeb.de/suchmask.php

Was Deine Schwester betrifft, muss ich Dir ganz klar sagen, dass Du möglichst jeglichen Kontakt zur ihr vermeiden solltest. Es ist zumindest schon mal gut, dass sie ausgezogen ist und Dich nicht mehr schlägt oder anderweitig erniedrigt. Besteht denn des Weiteren die Möglichkeit, dass Du mit dem Bus zur Schule fährst? Wenn ja, würde ich an Deiner Stelle auch diesen Weg in Betracht ziehen. Ich kann mir nämlich gut vorstellen, dass der kleinste Kontakt für Dich schon sehr belastend ist, weshalb der Schulweg mit Deinem Vater und Deiner Schwester sehr unangenehm sein muss.

Bei Deinem Familienchaos kann ich mir gut vorstellen, dass die bisherigen Therapieversuche bei Dir nicht viel genutzt haben. Ich vermute, dass Deine Familie auch die Ursache dafür ist, dass es Dir so unfassbar schlecht geht. Eine Therapie zu beginnen, ohne die eigentliche Ursache zu bekämpfen macht also vielleicht nicht so viel Sinn. Deshalb musst Du versuchen, mithilfe von Vertrauenspersonen, eine Lösung finden. Trotzdem wäre es ein Fehler zu denken, dass eine Therapie an sich keinen Erfolg bringen würde. Aufgrund der Tatsache, dass Du manchmal über Suizid nachdenkst oder darüber Dich zu ritzen, wäre eine Therapie wirklich ratsam. Es würde Dir alleine schon gut tun, dass Du Dir solche Gedanken frei von der Seele reden kannst.

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EINSCHUB - BITTE BEACHTEN!
Notfalltelefon.: 030/8730111
Diese Nummer bitte in Deinem Handy abspeichern und anrufen, wenn Du akute Suizidgedanken haben solltest!

Folgende Seite bitte lesen:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/30/Ich-ritze-mich-was-kann-ich-tun.html
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Liebe Ratsuchende, ich saß an der Bearbeitung Deiner Nachricht sehr lange, da ich wirklich die richtigen Worte für Dich finden wollte. Und ich hoffe, dass ich Dir mit meiner kleinen Beratung zumindest eine kleine Hilfestellung bieten konnte, um Deine Probleme richtig anzugehen. Ich kann Dir wirklich nur Mut machen und Dir zureden, dass es sich zu kämpfen lohnt. Es wird Dich stärker machen, wenn Du es nicht ohnehin schon bist.
Und was Deine Homosexualität betrifft - Du bist toll, so wie Du bist und lass Dir nicht einreden, dass Du krank bist. Homosexualität ist etwas vollkommen natürliches und jeder der was anderes behauptet, hat eine riesen Bildungslücke.
Da Du momentan sowieso Dein Augenmerk auf die Probleme mit Deiner Familie legen solltest, würde ich Dir ein zeitnahes Outing sowieso nicht empfehlen. Du selbst wirst merken, wenn Du für Dein Outing bereit bist. Ich selbst habe mich auch erst letztes Jahr im Alter von 22 Jahren geoutet - es eilt also erst mal nicht. :)

Ich hoffe und wünsche Dir alles Gute und sehr viel Kraft für Deine Zukunft.
Du darfst Dich bei uns jederzeit wieder melden. :)

Dein Däni