Problem von Anonym - 21 Jahre

Bin ich depressiv oder einfach nur anders?

Ich (w 21) habe das Problem, dass ich seit einigen Jahren - in letzter Zeit aber vermehrt - lebensmüde bin. Nicht im Sinne von suizidgefährdet, sondern ich habe keinen Spaß mehr am Leben, nichts fasziniert mich und mir ist alles gleichgültig. Ich bin auch ein Einzelgänger und liebe die Ruhe und das Alleinsein. Unter Menschen fühle ich mich unwohl und ich rede auch sehr wenig. Wenn mich andere auf etwas ansprechen, bin ich schnell gereizt und möchte in Ruhe gelassen werden. Demzufolge habe ich keine Freunde und in der Arbeit bin ich wohl auch schon verhasst. Ehrlich gesagt komme ich mit den wenigsten Menschen klar, ich weiß nicht woher dieser Hass kommt. Mit mir selbst bin ich eigentlich zufrieden, auch wenn ich im Gespräch mit anderen etwas unsicher erscheine. Da ich niemanden hab, gehe ich auch nicht mehr oft weg, vorallem meide ich große Menschenansammlungen - stattdessen sitze ich nur daheim rum oder gehe bei schönem Wetter in die Natur raus, in der Hoffnung alleine zu sein. So fühle ich mich pudelwohl, andererseits würde ich schon gerne offener und sozialer sein. Ich strebe nicht nach Beliebtheit, aber ein paar wenige gleichgesinnte Kontakte wären doch schön. Mit Gleichaltrigen kann ich mich nicht identifizieren - ich bin nicht so aktiv, aufgedreht und gehe nicht auf Partys. Ich fühle mich innerlich zu alt und ich bin davon überzeugt, dass ich auch eine "Alte Seele" bin, auf die die oben genannten Merkmale zutreffen. Daher bin ich verunsichert, ob ich einfach nur einen ungewöhnlichen Charakter hab oder sich schon eine Depression entwickelt. Vielleicht ist die depressive Stimmung auch eine Nebenwirkung der Pille, die ich seit 2 Jahren nehme - ich weiß es nicht. Jedenfalls sehe ich nichts positives am Leben und habe es satt, versteht es bitte nicht falsch, ich will mich nicht umbringen - aber ich kämpfe auch nicht sonderlich ums Überleben; wenn z.B. ein Krieg ausbrechen würde, würde ich es hinnehmen und wäre bestimmt sogar froh darüber, endlich alles hinter sich zu lassen. Eigentlich sollte ich mich glücklich schätzen für mein sorgenfreies Leben, aber ich kann mich nicht darüber freuen.

Christina B. Anwort von Christina B.

Liebe Anonyme!
Danke, dass du dich mit deinem Problem an uns gewandt hast. Es tut mir leid, dass dein Problem so lange liegen geblieben ist und du erst einen Monat später deine Antwort bekommst. Ich hoffe, dass du trotzdem etwas damit anfangen kannst, auch wenn das schon so lange zurück liegt. Ich fasse nochmal alles kurz zusammen, um zu überprüfen, ob ich dein Anliegen auch richtig verstanden habe.

Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich mit der Situation unsicher und unwohl fühlst. Du fragst dich, ob es möglicherweise Depressionen sein könnten, an denen du leidest, oder ob du einfach eben vom Charakter her so bist, wie du dich beschrieben hast? Du schreibst, du bist Einzelgängerin, liebst die Ruhe und das Alleinsein, unter Menschen fühlst du dich nicht wohl, redest wenig, du möchtest eigentlich hauptsächlich in Ruhe gelassen werden und kommst nur mit sehr wenigen Menschen klar. Du gehst nicht gerne aus, weil du Menschenansammlungen nicht magst und bleibst lieber zuhause, kannst dich mit Gleichgesinnten nicht identifizieren, weil sie alle eher aktiver sind und du nicht auf Partys gehen willst. Zudem siehst du im Leben nichts positives und wärst froh darüber, wenn du dein Leben hinter dir lassen könntest, wenn zum Beispiel Krieg ausbrechen würde.
Zu dem, wie du dich selbst beschrieben hast, denke ich, dass du wahrscheinlich vom Charakter her einfach ein introvertierter Mensch bist. Nicht jeder muss Menschenmassen, Partys, oder ständiges Gequassel mit anderen mögen, manche Leute sind eben lieber für sich, alleine, und wenn man nicht redselig ist, ist es klar, dass man sich nicht ständig mit Leuten abgeben möchte. Du scheinst dich ja mit dir selbst auch sehr wohl zu fühlen und das ist eigentlich etwas sehr positives. Viele Leute, die ständig andere um sich herum brauchen, können mit sich selbst gar nicht alleine sein, weil sie es nicht aushalten. Da steckt oft mangelnde Selbstliebe und Selbstwertgefühl dahinter. Du hingegen kannst die Ruhe und Stille mit dir selbst genießen und bist demnach auch schon um einiges reifer als deine gleichaltrigen Kollegen. Es gibt außerdem viele Leute, die mit Menschenmassen nicht gut umgehen können und daher auf keine Partys oder Konzerte gehen. Aber das bedeutet ja noch nicht, dass du gar nicht mehr rausgehen musst. Vielleicht fühlst du dich wohler, wenn du ins Museum gehst, oder in eine kleine nette Bar, oder ein Cafehaus? Vielleicht auch eine Bibliothek? Es gibt auch viele Orte, die man freizeitmäßig aufsuchen kann, die einem Ruhe und Stille bieten und welche man auch allein oder nur zu zweit oder zu dritt genießen kann.

Auf der anderen Seite hast du ja geschrieben, du würdest dir schon ein paar gleichgesinnte Kontakte wünschen, mit denen du ab und an auch was unternehmen kannst. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht leicht ist, Leute zu finden, die ebenso wie du eher schweigsam und eher introvertiert sind. Aber heutzutage kann man neue Leute auch übers Internet kennen lernen. Mithilfe von diversen Apps oder Websites wie https://www.studenteninserate.at/kleinanzeigen/freunde-freizeitpartner/ kannst du ein Inserat schalten oder dich mal durchschauen und so Freunde aus dem Internet finden. Wenn dir das nicht liegt, kannst du auch mal überlegen, mit wem du früher gern was gemacht oder unternommen hast. Gibt es irgendjemanden aus deiner Vergangenheit, dessen Gesellschaft du eigentlich sehr geschätzt hast? Dann schreib ihn doch mal an. Oder du gehst mal alleine ins Museum, die Bibliothek und schaust mal, welche Leute dort so zu finden sind.

Was deine depressive Verstimmung betrifft, könnte ich mir gut vorstellen, dass es eine Nebenwirkung von der Pille sein kann. Es könnte aber auch eine versteckte Depression sein - ich bin aber kein Arzt und kann keine Diagnosen stellen - aber deine Aussage, dass du froh wärst, wenn der Krieg ausbrechen würde und du dein Leben hinter dir lassen könntest hat mich da schon ein bisschen hellhörig gemacht. Siehst du für dich einen Sinn im Leben? Ist irgendetwas passiert in den letzten Jahren, dass dafür gesorgt hat, dass deine Grundstimmung eher negativ ist? Denn scheinbar hast du wirklich auch die Lebensfreude verloren. Wie warst du denn ein paar Jahre vorher? Warst du da auch schon ein eher zurückhaltender Mensch oder warst du offener? Hat sich das jetzt erst verändert oder warst du immer schon so? Das könnte dir helfen, herauszufinden, ob deine Charaktereigenschaften wirklich deine Eigenschaften sind, oder ob sie sich durch deine mangelnde Lebensfreude und Lust am Leben in diese Richtung verändert haben. Du kannst auch mal im Internet nach Symptomen für Depression googeln, dazu zählen zum Beispiel Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Haarausfall, Freudlosigkeit, Niedergeschlagenheit, Antriebsmangel, innere Leere, Interessenverlust, Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit, Schlafstörungen etc. Es gibt auch diverse Tests im Internet, wie zum Beispiel hier: https://www.netdoktor.at/diagnose/selbsttest/depressionstest-goldberg-308689
die du an dir selbst durchführen kannst. Am besten ist es natürlich auch, wenn du zum Hausarzt gehst und ihm deine Stimmung schilderst, dieser kann am besten wissen, ob es sich jetzt nur um eine depressive Verstimmung oder eine tatsächliche Depression handelt.

Vielleicht ist dir die Lebensfreude auch nur einfach ein bisschen verloren gegangen. Man muss nicht immer gleich vom schlimmsten ausgehen. Tipps, um sie wieder zu finden: Suche dir ein schönes Symbol, einen Stein oder ähnliches und nimm diesen jeden Abend vorm schlafen gehen in die Hand. Gehe dann den Tag durch und sage dir vor, was heute alles positiv war. Das dürfen die kleinsten Kleinigkeiten wie "Heute war die Kassafrau nett zu mir." oder "Ich habe den Bus rechtzeitig erwischt." sein, aber es können auch größere dabei sein - und wenn dir mal gar nichts einfällt, kannst du immer noch sagen, dass es gut und positiv war und du dankbar sein kannst, dass du ein Dach über dem Kopf und genug zu essen hast. Diese Übung kann helfen, die Augen zu den positiven Dingen hin zu lenken und eine Negativschleife zu durchbrechen. Außerdem: Versuche das Glas halb voll und nicht halb leer zu betrachten. Es lebt sich definitiv leichter, wenn man sich auf die guten Dinge konzentriert. Was kannst du noch tun, um wieder lebensfroher zu werden? Tu die Dinge, die dich glücklich machen oder mal glücklich gemacht haben. Vielleicht hast du sie einfach aus den Augen verloren. Was sind deine Hobbys? Greife sie wieder auf. Außerdem: auch wenn du dich nicht so gerne mit Menschen umgibst - such doch mal das Gespräch in der Arbeit mit einem Kollegen. Führe ein bisschen Smalltalk und von Tag zu Tag könnte das ja auch ein bisschen mehr werden. Auch wenn es nur ein kurzer Witz ist, den du reißt, so kannst du dann trotzdem mal über etwas lachen und mit diesen Momenten holst du dir die Lebensfreude wieder her. Eine andere visuelle Übung: gedanklich Blumen ins Herz legen. Holt auch die Lebensfreude wieder her (:

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Wenn du noch Fragen hast, oder mir noch was erzählen möchtest, oder auf meine Fragen eingehen möchtest, kannst du mich gerne erneut kontaktieren. Richte dazu bitte einfach deinen Text am Anfang "An Christina B.", dann wird mich die Nachricht erreichen. Alles Liebe und viel Glück wünsche ich dir.
Herzliche Grüße,
Christina B.