Problem von Lara - 18 Jahre

Ich mag es nicht, zu leben

Seit ich 12 bin habe ich schon Depressionen, die mich immer begleiten. Manchmal stärker und manchmal weniger stark ausgeprägt und sich immer auf andere Weisen zeigend. Seit einigen Monaten ist es wieder richtig schlimm und ich bin jetzt an einem Punkt angekommen, an dem ich das Gefühl habe, nicht mehr dagegen ankämpfen zu können.
Ich bin einfach komplett überfordert mit allem und kann mich zu nichts aufraffen weil es mir einfach an Kraft fehlt und sich alles so falsch anfühlt. Ich vernachlässige meine wenigen Freunde total weil ich es einfach nicht schaffe, mich in den Ferien mit ihnen zu verabreden. Ich kann mich dazu einfach nicht aufraffen weil mir alles in meinem Kopf zu viel ist. Niemand von ihnen weiß von meinem psychischem Zustand und ich will/kann ihnen auch nicht davon erzählen. Ich habs immer mal wieder versucht anzusprechen, dann aber bemerkt, dass sie meine Probleme gar nicht wirklich interessieren weil sie zu sehr mit ihren beschäftigt sind. Verständlich. Allgemein interessiert sich niemand wirklich für mich. Meine Essstörung macht mir in letzter Zeit auch wieder mehr zu schaffen. Ich hatte lange Zeit extremes Untergewicht und habe mich davon nun auf einen BMI von 16 wieder hochgekämpft. Am Anfang war es voll okay für mich, aber je mehr die Zahl auf der Waage steigt, desto mehr zieht es mich runter. Ich bin ein absolut hässlicher Mensch; Gesicht und Körper komplett schief. Dieses Dünnsein war immer das einzige, was meine Mitmenschen an mir mochten, wo sie mir Komplimente zu gemacht haben. Wenn das weg ist bin ich wieder nur die moppelige Hässliche, die sogar teils von Fremden wegen ihrer Visage beleidigt wird. Ich will diesen Körper nicht.
Ich kann auch nicht damit umgehen, dass ich mich auf das Leben nach der Schule vorbereiten muss. Ich weiß nicht, wie es für mich weitergehen soll. Es gibt nichts, was ich besonders gut kann, oder was ich mir beruflich für mich vorstellen könnte. Ich war schon bei so vielen Beratungen, die mir dabei helfen sollten, aber keine hat was gebracht. Am Ende wurde ich dann immer nur auf die gleichen Internetseiten oder Hefte hingewiesen.
Egal, was ich mache, alles fühlt sich falsch an. In meinem Kopf ist alles zu viel, ich kann weder klar denken, noch Entscheidungen treffen. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl, als würde ich nur sinnlos existieren und handeln. Ich bin gerade mal 18 und jetzt schon müde vom Leben. Ich hatte immer die Hoffnung, dass sich das mit den Depressionen bessern würde, aber nichts, was ich versucht habe hat geholfen. 6 Jahre geht es nun schon so und es wird einfach immer nur schlimmer und ich weiß nicht, was ich machen soll.
Ich habe schon so viele Dinge in/an meinem Leben geändert, aber ich hasse es immer noch. Ich hasse es einfach, zu leben und glaube mittlerweile schon, dass ich einfach ein Mensch bin, der für das Leben nicht gemacht ist. Anders kann ich mir diese ganzen verlorenen Kämpfe in meinem bisherigen Leben nicht erklären.

Janine Wochnik Anwort von Janine Wochnik

Liebe Lara,

du hast dich an uns gewendet um einen Rat zu bekommen.
Eigentlich würde ich gerne genau das tun, was die anderen vor mir getan haben. Internetseiten empfehlen, Stellen wo du dich hinwenden kannst.

Offensichtlich hat das bei dir aber nicht geholfen. Die Frage warum drängt sich mir auf.
Und eine Antwort darauf würde mir bei meiner Antwort für dich helfen.
Nun muss ich es ohne deine Antwort versuchen. Deshalb verlasse ich mich ein wenig auf meine Intuition und hoffe das beste ;).

Dein Leidensweg hat, aus deiner Sicht, mit 12 begonnen. Was ist in dieser Zeit geschehen? Welche Ereignisse haben dich so fühlen lassen?
War zu der Zeit schon keiner für dich da?
Es ist wichtig dir solche Fragen selbst zu stellen. Wenn man die Ursache für seine Probleme heraus findet, kann man besser damit umgehen.
Kennt man den Grund für ein Gefühl oder ein Problem, dann verliert es an Schrecken. Weil es benannt ist und man gegen etwas reales ankämpft.

Stellen wir uns einfach so unseren Problemen, dann ist es eine Unbekannte. Und dadurch wirkt es unbezwingbar, riesig groß.
Deshalb suche nach der Ursache.
Nicht immer schafft man das alleine. Hin und wieder braucht man dafür jemand anderen. Zb einen Therapeuten, Coach oder ähnliches.
Aber auch Freunde können sehr hilfreich sein.

Du hast geschrieben deine Freunde interessieren sich nicht für deine Probleme. Bist du dir sicher das es so ist?
Oder könnte es sein, dass du das vielleicht nur so empfindest?
Hin und wieder kommt es vor das wir uns nicht ernst genommen fühlen, weil wir mehr erwarten. Das unsere Freunde uns helfen.
Bei solchen Schwierigkeiten ist es für einen Laien jedoch nicht ohne weiteres möglich wirklich etwas zu tun. Schon gar nicht für Leute in deinem Alter.
Da solltest du noch einmal genau überprüfen ob es deine Empfindungen sind, oder ob du ihnen tatsächlich egal bist.
Wenn dem so ist, dann sind es auch keine Freunde.

Echte Freunde hören zu. Versuchen einen zu verstehen und im Rahmen des möglichen auch zu helfen.
Alles andere sind keine wahren Freunde.
Auch wenn es hart klingt, aber dann bist du ohne sie besser dran. Suche dir lieber Menschen die bereit sind zu geben und zu nehmen. Im gleichen Maße.
Mal der eine, mal der andere. Freunde zu finden ist einen leichte Aufgabe. Doch es ist eine sehr lehrreiche.

Wenn man nach Freunden sucht, muss man herausfinden wer zu einem passt. Dafür muss man aber erst einmal wissen, wer man selber ist.
Diese Aufgabe ist für dich eine gute Übung. Wenn du weißt wer du bist, wirst du auch weniger Probleme haben. Essstörungen zb sind oftmals ausgelöst durch fehlendes Selbstwertgefühl, fehlende Liebe, fehlende Anerkennung, usw.
Wenn du heraus findest, wer du wirklich bist, hättest du der Essstörung etwas entgegen zu setzen.
Außerdem würdest du Menschen kennen lernen, die zu dir passen. Die dich mögen und akzeptieren wie du bist.
Ohne dem Hungertod nahe zu sein.

Fehlendes Selbstwertgefühl scheint bei dir ein sehr großes Thema zu sein. Keine leichte Aufgabe da heran zu gehen.
Aber definitiv machbar!
Du musst an dich glauben, auch wenn es dir schwer fällt. Du musst unbedingt aufhören so abwertend über dich zu sprechen. Auch denken darfst du nicht so.
Du bist etwas besonderes! Und du bist es wert, dass du an dich glaubst!
Wer wenn nicht du sollte es tun? Jeder Mensch ist zu aller erst für sich selbst verantwortlich. Danach muss jeder handeln, denn ansonsten sind Defizite vorprogrammiert. Wir selber dürfen uns nicht vernachlässigen. Wir müssen uns etwas wert sein!

Warum sollte sonst irgendwer anderes sich um uns kümmern? Wenn schon wir selbst es nicht tun?
Wir beeinflussen uns und unser Handeln. Doch auch das Handeln der anderen beeinflussen wir bis zu einem gewissen Grad mit. Wir bekommen nur das entgegen gebracht, was wir anderen entgegen bringen. Dazu gehört auch Liebe. Selbstliebe.

Es kommt nicht darauf an, wie jemand aussieht. Dies ist keine Flosskel. Es ist eine Tatsache. Jeder kann etwas. Jeder ist jemand! Auch DU!
Du musst es nur erkennen.
Denke über dich nach. Über die Dinge die toll an dir sind.
Zb: du suchst dir Hilfe. Du gibst dir Mühe. Du bist stark. Du bist mutig.
All diese Dinge kann ich schon anhand deiner Nachricht erkennen!
Und falls du selbst nicht erkennen kannst, dann frage andere Menschen. Deine Familie, Lehrer, oder sonstige Menschen aus deinem Umfeld!
Und dann glaube den Menschen! Sie sagen das nicht ohne Grund!

Du denkst, du bist nicht für dieses Leben geschaffen. Das ist eine verständliche Denkweise. Was wäre, wenn genau das Gegenteil der Fall wäre?
Menschen die psychisch krank sind/psychische Probleme haben, sind meistens die Menschen, die sich am meisten Gedanken machen. Die das Leben nicht als gegeben hinnehmen. Einfach so vor sich hin Leben ohne je zu merken was sie haben.

Das mag sich seltsam anhören, doch es ist wirklich so.
Schau dir doch mal an, was du schon alles geschafft hast. Trotz deiner Handicaps. Trotz deiner Krankheiten.
Und das in so jungen Jahren.
Dein Weg ist nicht zu Ende! Er beginnt gerade erst. Das Leben ist nicht leicht, so viel weißt du schon.
Nun bist du bestens gerüstet, für das was kommt.
Du hast jede Chance noch etwas zu machen.
Fehlt dir noch ein Abschluss? Dann mach ihn?
Eine Ausbildung? Dann mach sie.
Oder vielleicht ein Studium?

Du weißt nicht wohin deine Weg dich führt....Aber das wirst du nie wissen. Das Ziel ist nicht das Ende des Weges! Denn der Weg selbst ist das Ziel. Nur wer einen Weg gegangen ist, kann sagen warum und wie er ihn gegangen ist.
Es gibt Hindernisse, Abzweigungen, Löcher und vieles mehr. Vorher kann man das nicht wissen.
Keine Ahnung zu haben ist nervig. Am Ende der Schulzeit wissen die meisten nicht was aus Ihnen wird.
Doch bei dir sind doch ein paar Dinge gegeben, die in eine Richtung zeigen.

Wie wäre es mit dem sozialen Bereich? Du als Betroffene könntest ganz anders auf Patienten eingehen.
Oder wie wäre es mit einem Beruf in dem Teamgeist gefragt ist?
Schau dir an was du gut kannst. Woran du Spaß hast. Dann wirst du zumindest eine Ahnung davon bekommen was in Frage kommt.
Und notfalls sattelst du später noch einmal um. Das ist gar nicht selten. Außerdem warum sich sofort festlegen?
Ausprobieren. Praktika machen.
Oder wie wäre es mit einem Jahr im Ausland?
Du siehst was von der Welt, bist beschäftigt, lernst Unmengen an Menschen kennen. Verbesserst deine Sprachkenntnisse, usw.

All das hört sich jetzt viel an. Stressig. Kraft zehrend. Doch so ist es nicht. Deine Kraft wird im Moment von negativen Dingen aufgefressen. Negative Gefühle, belasten uns und kosten unheimlich viel Energie.
Positive Gefühle hingegen geben Energie.
Doch wenn man drin steckt in dieser Abwärtsspirale, dann sucht man verzweifelt nach dem Anfang. Man glaubt erstmal Energie aufwenden zu müssen.
Das ist aber nicht so. Wir müssen die Energie quasi nur aufsammeln.
Dinge die uns Spaß machen. Die uns gefallen. Die wir gern tun, sind Dinge die uns Kraft geben.
Hin und wieder auch mal jemandem zu helfen. Oder auch sich selbst zu helfen.
Und ein letztes Beispiel: Entscheidungen!

Entscheidungen nicht zu treffen kostet Energie.
Denn man beschäftigt sich ständig mit den Alternativen. Trifft man Entscheidung, ist man das los. Es wird einem keine Kraft mehr abgezogen!
Und wenn man denkt, man kann keine Entscheidung treffen, dann wirft man einen Münze.
Oder lässt das Schicksal anders entscheiden.
Hauptsache man sagt hü oder hott.
Entscheidungen können auch mal nach hinten los gehen. Falsch sein. Doch auch das, wissen wir erst hinter her.
Zudem sind manchmal die falschen Entscheidungen die besten.

Mir ging es oft so. Und eigentlich jeder Mensch den ich kenne hat solche Erfahrungen gemacht. Das einzige womit wir nicht klar kommen sind Dinge, die wir nicht entschieden haben. Dinge, die uns vorgegeben wurden. Bei denen wir überhaupt keine Wahl hatten.
Alles andere ist Luxus, den wir manchmal eben einfach ein wenig zu viel finden.
So ähnlich wie ein Kind was man in einen Spielzeugladen aussetzt und sagt: "Such dir was aus!".

Das kann nicht gut gehen. Es sei denn man beschränkt es ganz stark.

Ich habe das Gefühl Du bist eine wundervolle Person!
Versuche die Ratschläge umzusetzen und mach was aus dir!!!

Ich wünsche dir alles Glück der Erde!
Liebe Grüße
Janine