Problem von Anonym - 25 Jahre

Scheisse gebaut

Hallo. Meine Freundin und ich sind nun knapp 2 Jahre zusammen und ich sie ist meine erste Freundin. Hatte vorher auch keine F+ oder dergleichen bin bei Frauen abgeblitzt und hab dann Prostituierte aufgesucht weil ich irgendwann echt verzweifelt war.
Nun den, in letzter Zeit haben wir mehrere Probleme gleichzeitig zu bewältigen was unser privates Leben betrifft und dadurch sind wir beide angespannt und haben uns die letzten Tage häufiger gestritten. Wir merken beide relativ schnell wie dumm, dass dann war und haben uns wieder eingekriegt jedesmal. Dennoch fühlt sich das alles schon länger nicht mehr so an wie vorher und ich frage mich immer mal wieder ob ich nur noch aus Gewohnheit mit ihr zusammen bin. Eigentlich war es aber immer so, dass ihre Nähe und wenn wir beisammen waren mich glücklich machen und ich sie liebe.
Jetzt zum eigentlichen: Irgendwie fing ich an über Tinder mit Frauen zu schreiben und hatte auch den ein oder anderen positiven Chatverlauf. Ich hab dann gemerkt was ich da eigentlich mache und habe alles beendet und gelöscht. wie gesagt waren nur 2,3 Chats mehr nicht. nicht mal lang. Jeder nur 1-2 Tage.
Jetzt sitz ich hier und bin absolut verzweifelt. Ich war bei einer Prostituierten, bis zum Ende. Ich bin gerade absolut Wütend und Enttäuscht von mir und Schäme mich dafür. Ich kann mich nichtmal mehr in Spiegel anschauen. Ich habe selber am anfang der Beziehung Angst geahbt, dass mir sowas passieren würde und jetzt war ich es der sowas absolut dreckiges gemacht hat. Ich schäme mich so sehr und könnte heulen wenn ich daran denke, dass ich sie betrogen habe, auf so eine billige & eklige Art und Weise.
Ich liebe sie, dass weiß ich den sie bringt mich immer zum lachen mit ihrer Art. Eig weiß ich, dass ich ihr das sagen muss aber ich hab einfach zuviel Angst sie zu verlieren. Sie ist so ein toller und guter Mensch und ich anscheinend nicht. Ich fühl mich einfach nur dreckig und würd mir am liebsten die Birne wegsaufen.

PaulG Anwort von PaulG

Lieber Anonymer,

ich will ganz offen zu dir sein: Bei deinem Text kann man nur den Eindruck bekommen, dass du nicht ehrlich zu dir selbst bist.

Du hast zwar nicht näher ausgeführt, was genau die Probleme waren, die euch in letzter Zeit beschäftigt haben. Jedoch liegt der Gedanke nahe, dass dieser Streit eben nicht überwunden und beigelegt war, wie du es sehen möchtest, sondern dass er im Gegenteil das Symptom von etwas war, das noch immer im Raum steht. Und das am Ende dazu geführt hast, dass du deine Freundin betrogen hast. In deiner Erzählung möchtest du es so aussehen lassen, als hättet ihr eure Differenzen beseitigt, du aber dann aus einer Laune heraus mit anderen Frauen Kontakt aufgenommen und sie schließlich betrogen. Diese Sichtweise ist nicht wirklich plausibel: Denn wenn ihr wieder versöhnt gewesen wärt, dann hättest du doch - wenn ihr so glücklich wart, wie du es schilderst - kaum Anlass dazu gehabt, überhaupt an andere Frauen zu denken? Und wenn das, was du getan hast, dich selbst gar nicht so überrascht hat - wie kommt es dann, dass dich die Tatsache beschäftigt, dass es mit einer Prostituierten war? Im Grunde bist du ja wirklich in den Lebensstil zurückgefallen, den du vor eurer Beziehung hattest. Dass du an anderen Frauen interessiert warst (bist?), zeigt dir, dass du via Tinder zu ihnen Kontakt gesucht hast. Entweder gab es also Gründe, dein altes Leben zu vermissen (beziehungsweise: eines ohne deine Freundin zu ersehen), oder es ist sonst etwas vorgefallen, dass dich so frustriert hat, dass du dich zu dieser Handlung hast hinreißen lassen. Dann wäre es wohl gut, diesen Stein des Anstoßes zu beseitigen, statt dich nur dafür zu geißeln, was du getan hast, weil es ihn gibt. Sonst hast du keine Gewähr, dass es nicht wieder passiert.

Mich beschäftigt deine Formulierung, wonach du sie "auf so eine billige und eklige Weise" betrogen hättest. Ist das denn der Fall? Du bist zu einer Prostituierten gegangen. Zum Thema Prostitution gibt es verschiedene Meinungen, und ich will mich hier keiner anschließen. Möglicherweise bist du ein Mensch, der Prostitution eigentlich total ablehnt - dann stellt sich jedoch die Frage, wieso du immer wieder die Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen hast. Und ebenso, wieso dein erster Impuls, als du deine Freundin hintergehen wolltest, war, es gegen Geld zu tun. Ist, den Partner zu betrügen, nicht irgendwo immer billig und eklig? Oder fühlt sich zumindest so an, wenn man den- oder diejenige eigentlich liebt? Wo also liegt der Unterschied dabei, dass du es mit einer Frau für Geld gemacht hast: Wäre es besser, hättest du eine Frau auf Tinder gefunden und dich mit ihr zum Sex verabredet? Was genau wäre daran besser? Das, was du gemacht hast, kann man so oder so sehen: Man kann die Tatsache, dass dein Fremdgehen mit einer käuflichen Frau war, so deuten, dass es dir gar nicht darum ging, dass du mit deiner Freundin als Person nicht mehr zufrieden bist - sondern dass du nur im Bett unzufrieden bist. In diesem Fall könnte es sogar als tröstlich empfunden werden, dass du eben nicht mit einer anderen Frau Nachrichten getauscht, geflirtet, ein Treffen vereinbart, sie verführt hast: Du hast stattdessen Geld bezahlt. Die, der du es bezahlt hast, hat wohl schon von vielen Männern Geld für Sex genommen. Es ist ihr Broterwerb, und wir müssen davon ausgehen, dass sie dir gegenüber keine besonderen Gefühle hegt. Sie wäre schlecht beraten, würde sie in ihre Arbeit zu viele Emotionen hineintragen. Bei einem Tinderdate ist das anders - wen du da triffst, könnte deine Freundin potenziell ersetzen. Und hätte womöglich auch Gefühle für dich. Vielleicht würde deine Freundin es also weniger schlimm finden, dass du sie mit einer Prostituierten betrogen hast? Du weißt es nicht. Es kann natürlich auch andersherum sein - also so, wie du es siehst, nach dem Motto "Er hatte noch nicht mal den Anstand, einen Ersatz für mich zu suchen, vielleicht hat er gar keine Lust auf eine Beziehung, ist vielleicht gar nicht der, für den ich ihn gehalten habe..." Du weißt es nicht! Entscheidend ist: Warum hast du es getan? Denn egal, mit wem du deiner Freundin fremd gegangen bist, es muss dafür einen Grund geben. Und um ihr in Zukunft gerecht zu werden, ist es selbstverständlich die allerschlechteste Lösung, dich zu betrinken, sondern es gilt, diesen Grund herauszufinden und ihn anzugehen.

Was ist dieser Grund? Nehmen wir doch mal auf, was du über dein Leben erzählt hast: Du warst sehr lange ohne Beziehung, hast für Sex bezahlt, um Erfahrungen vorweisen zu können. Dann hast du deine jetzige Freundin getroffen, bist mit ihr glücklich geworden, aber dann kam es zum Streit. Konflikte bleiben in keiner Beziehung aus, auch nicht in der besten. Wenn du das, worum es da ging, also unter Verschluss halten möchtest, dann wirst du es mir hoffentlich nicht verübeln, wenn ich darüber meine Vermutungen anstelle: Du hast durch deine Beziehung an Selbstvertrauen gewonnen. Du fühlst dich begehrt, geliebt, du hast endlich das gefunden, was du lange vermisst hast - du fühlst dich als kompletter Mensch. Weswegen du auch jetzt, wo die Beziehung in Gefahr ist, Angst hast, in den "unkompletten" Zustand von davor zurückzufallen, und am liebsten alles vergessen möchtest. Als du mit anderen Frauen geschrieben hast, hast du geschafft, was dir lange nicht gelungen ist: Offen zu sein, dich auszutauschen, dein Interesse zu signalisieren - mit überraschendem Erfolg gar. Entweder also hast du, so glücklich du in deiner Beziehung warst, das Gefühl gehabt, das könnte oder sollte noch nicht alles gewesen sein - du warst nicht unzufrieden, aber hattest Angst, etwas zu verpassen. Oder: Du warst vielleicht schon dabei, innerlich mit dieser Beziehung abzuschließen, wolltest eine weitere beginnen, wolltest deiner Kette an Erfahrungen neue hinzufügen... du warst jetzt ein Mann. Das wolltest du ausleben. Und sagen wir es offen: Es ist nichts Verwerfliches, eine Beziehung zu beenden, wenn es einfach an Gefühlen fehlt, wenn du dich noch nicht dauerhaft binden möchtest... doch das sollte offen kommuniziert werden. Vor allem solltest du es dir selbst eingestehen. Denn was du jetzt gerade empfindest, scheint mir eher Ausdruck deiner Angst zu sein, als der "Böse" dazustehen, der, der zu Recht selbst verlassen wird, der, der es nicht hingekriegt hat... und wieder "unkomplett" zu sein. Nehmen wir an, du wirst verlassen: Gut - du hast einen Fehler gemacht. Das kommt vor. Aber eine neue Liebe wartet immer am Horizont. Wenn du deine Freundin für deine große Liebe hältst, dann frage ich mich, warum du ihr deinen Fehltritt nicht gestehen möchtest: Dir muss doch klar sein, dass jeder Tag alles nur noch schlimmer macht, wenn es rauskommt? Oder geht es dir am Ende gar nicht um deine Freundin, sondern darum, nicht mehr vollständig zu sein, nichts mehr zu haben, weder Tinder-Flirts noch deine Freundin, sondern wieder nur alles gegen Geld... ganz von vorne anfangen zu müssen?

Ich kann es dir nicht sagen, lieber Anonymer. Ich weiß nur, dass du nicht ehrlich zu dir bist - denn was du getan hast, muss Ursachen gehabt haben. Und diese liegen entweder darin, dass du mit der Beziehung, die du hast, gar nicht so zufrieden bist, wie du glauben machen möchtest. Oder aber, dass du dich fürchtest, allein zu sein. Und es auf deine Freundin als Person gar nicht so ankommt. Nur du kannst dir das beantworten. Und vor allem: Nur du kannst es hinkriegen, Konflikte in Zukunft zu lösen, an ein Ende zu bringen, nicht davonzulaufen und deinen Frust nicht in Alkohol oder gar käuflichem Sex zu ertränken! Beides ist unsouverän und gefährlich, und das weißt du. Also: Gehe in dich und frage dich, ob dir noch etwas an dieser Liebe liegt. Wenn ja - mach dich schnellstmöglich auf, beichte es ihr und ziehe dich dann eine Weile zurück. Sie wird sich von sich aus bei dir melden und dir sagen, ob sie damit leben kann. Lass ihr aber diese Zeit und bedränge sie nicht. Dann hast du einen Fehltritt gehabt, aber das muss ja noch nicht das Ende sein. Vielleicht ist es aber auch so, dass es nicht nur die ungelösten Konflikte waren, sondern dass die Konflikte überhaupt nur kamen, weil du dir mehr und etwas Neues wünschst. Ist das der Fall? Dann kannst du deine Handlungen nämlich auch als Zeichen sehen, dass du es bist, der sich auf die Reise machen muss. Und dann tu das besser jetzt, bevor du deiner Freundin noch mehr Kummer bereitest, indem du ihr irgendwann wieder fremd gehst - und noch mehr Zeit in einer Beziehung verbringst, die dich gar nicht ganz erfüllt. Es ist immer schwierig, einen Neuanfang zu machen, auch dann - gerade dann! - wenn man ihn eigentlich will. Aber die Augen verschließen hilft nichts. Triff eine Entscheidung, irgendeine - und setze sie um. Mehr kannst du jetzt nicht tun. Die Vergangenheit ist nicht zu ändern, doch die Zukunft gehört dir. Gestalte sie!

Alles Gute und Liebe Grüße,

Paul