Problem von Anonym - 24 Jahre

Wie eine kleine Schwester

Hallo,

ich arbeite z.Zt.als Praktikant in einer Jugendeinrichtung in einem sozialen Brennpunkt. Sie befindet sich in einer großen Straße, die von Hochhäusern(Plattenbauten) durchzogen ist. In dem Container wird u.a. Hausaufgabenhilfe für Kinder angeboten. Ich habe mich mit einigen der Kinder im Laufe der Zeit(3/4 Jahr) angefreundet und das bevorstehende Ende meines Praktikums in ca.2 Wochen beunruhigt mich(Zukunftsangst). Eine Drittklässlerin habe ich sehr ins Herz geschlossen. Ich habe ganze 5 Monate mit ihr Hausaufgaben gemacht. Ich habe bereits alle Facetten an ihr kennen gelernt. Von ganz böse bis umwerfend charmant die ganze Palette. Während der Hausaufgaben hat sie mir von ihrem Tag erzählt und was sie am nächsten Wochenende machen will, etc. kurzum, sie erzählte mir fast alles von ihrem Leben im Laufe der Zeit. Sie war jeden Tag da. Sehr selten, daß sie mal fehlte. Sie kam immer wieder gerne zu mir, um mit mir zu arbeiten, denn sie wusste von wem sie am meisten Aufmerksamkeit bekam. Während des Aprils hat sich diese Beziehung vertieft aufgrund des Ferienprogramms und anderer Sonderaktionen in diesem Monat. Ende März: sie wollte wissen, warum ich so ein großes Interesse daran hatte, daß sie lesen soll. Mein pädagogischer Fehler: Daraufhin sagte ich ihr, daß ich sie sehr gern habe und sie für mich wie eine kleine Schwester ist. Während der Hausaufgaben nannte ich sie dann manchmal ,,Maus?. Das Problem ist, daß ich mich während der Hausaufg. immer wieder dazu hinreißen ließ, ihr teilweise vorzusagen. Ihre Drohung: ,,Sonst mach ich nie mehr mit dir Hausaufgaben.? Ich selbst habe von meinen Eltern während meiner Kindheit sehr viel Zuwendung bekommen. Die gleiche Zuwendung habe ich weitergegeben, vor allem an meine Lieblingsschülerin. Ich hatte mir früher als Kind immer Geschwister gewünscht, so etwa bis zum 17./18.Lebensjahr. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Wunsch jemals wiederkommen würde. Es gibt tatsächlich eine große Ähnlichkeit im Aussehen zwischen uns. Zwei andere Kinder haben unabhängig voneinander diese Ähnlichkeit festgestellt(?wie Bruder und Schwester?). Das hat mich damals sehr berührt. ,,Nimm mich huckepack!? oder ,,Tu so, als wenn Du mich über den Zaun schmeißt.? Sie ist sehr schlank und klein, daher auch sehr leicht für mich. Ich habe sehr gern mit ihr gespielt. Jetzt darf ich nicht mehr mit ihr Hausaufgaben machen, mindestens bis zu den Sommerferien(möchte viell.weiter als Ehrenamtler arbeiten). Ich komme damit überhaupt nicht klar. Ich befinde mich in einem psychischen Ausnahmezustand, bin völlig unausgeglichen. Gegenüber meinem Chef (Dipl.-Soz.päd.) mache ich einen auf heile Welt.
Der bleibt stur, weil es vorher bereits mind. zwei Sperren gab, die allerdings zeitlich befristet waren(ca. 2 Wochen).
Meinen Frust und meine Wut lasse ich teilweise an meinen Eltern aus. In den ersten Tagen nach der Sperre Anfang Mai habe ich Sachen durch den Raum geschmissen und war am Heulen vor Wut und Resignation. Danach versuchte ich meinen Kummer zeitweise in Alkohol zu ersäufen, was aber nur jeweils sehr kurzfristig gelang. Ich brauche diese Nähe, die ich zu ihr hatte. Ich gehe innerlich ein und es tut mir weh im Herzen. Es ist so ein Drücken, das manchmal etwas intensiver ist. Die Arbeit macht mir dementsprechend kaum noch bis gar keinen Spaß mehr und jeder Tag schleppt sich langsam dahin. Darüber hinaus scheint sie genauso Probleme mit der Trennung zu haben, denn sie verhält sich immer wieder aggressiv und frech anderen Kindern und z.T.auch Erwachsenen(inkl.mir) in einer solchen Intensität gegenüber, so wie sie sich früher nie gezeigt hatte. Denn nun muss sie mit einer jungen Kollegin bei den Hausaufgaben zusammenarbeiten, die sich sehr distanziert und gefühllos zeigt, also im Prinzip fast das genaue Gegenteil meiner Person. Vielleicht könnt ihr mir einen Tipp geben, wie ich mich jetzt verhalten soll.

MfG

Anwort von Sabine

Hallo!

Du machst gearde ein Praktikum in dieser sozialen Einrichtung, weil Du Dich für den Beruf interessierst und vielleicht eine Lehre in dieser Richtung starten möchtest. Im Laufe kürzester Zeit hast Du Dich intensiv um ein Mädchen gekümmert und sie nicht nur an Deinen Fähigkeiten teilhaben lassen, sondenr auch an ihrem Leben und an Deiner Liebe und Zuneigung. In diesem Beruf wirst Du aber nicht nur für ein Mädchen da sein können, sondern all die anderen werden Dich auch brauchen. Dich und Deine Fähigkeiten mit Menschen umzugehen. Es ist nicht gut, wenn Du Dich anfängst emotional sehr an dieses eine Mädchen zu hängen. Ich kann Deine Gefühle und das, was Du mit ihr erlebt hast, gut verstehen. Du hast es in Deiner Mail sehr schön beschrieben. Es ist auch schön zu lesen, mit wieviel Liebe Du diesen Job machst. Nur, Du solltest ihn nicht nur von einem Mädchen abhängig machen. Entweder machst Du diesen Job wirklich im Allgemeinen sehr gerne und Du lernst damit umzugehen, oder es könnte in Zukunft immer wieder zu Schwierigkeiten kommen. Dein Einsatz ist wahrscheinlich in mehreren Bereichen gefragt. Ich kann verstehen, dass Du sie vermisst, aber ich kann nicht verstehen, dass Du agressiv und mit Alkohol versuchst diese Gefühle zu verdrängen. Du solltest lernen damit umzugehen und deswegen möchte ich Dir gerne raten mit Deinen Vorsetzten darüber zu sprechen. Vielleoicht haben sie in ihrem Beruf ähnliche Erfahrungen damals gemacht und mußten auch erst lernen, wie man damit umgeht, wenn man jemanden ins Herz geschlossen hat. Langjährige Mitarbeiter haben Berufserfahrung können Dir bestimmt gute Ratschläge geben. Vielleicht sprichst Du mal mit ihnen über die Situation und wie Du Dich fühlst.

Lieben Gruß