Problem von Anonym - 16 Jahre

Ratloses Schweigen

Hallo,

ich weiß nicht genau, warum ich hier schreibe, aber vielleicht hilft es ja, mal eine objektive Meinung zu hören.

Ich habe gerade eine Ausbildung als Sofa begonnen. Nicht ganz freiwillig. Ich habe mich im letzten Jahr sporadisch bei verschiedenen Firmen beworben und bekam prompt einige Zusagen. Die Ausbildung, die ich jetzt mache, ist fachlich anspruchsvoll und die Ausbildungsvergütung ist im Vergleich zu anderen illusorisch hoch. Aber ich habe diesen Job nur auf das Drängen meiner Eltern angenommen. Ich betone: Nur! Sie arbeiten in der gleichen Berufsbranche und fanden es ?toll?, dass ihre Tochter auch in dieser Richtung lernt. Eigentlich wollte ich nach meinem Realschulabschluss mein Abi dranhängen. Die Zensuren dafür hatte ich locker. Danach wollte ich Journalistin werden. Ich schreibe seit zwei Jahren für verschiedene Zeitungen und denke schon, dass ich eine recht reale Vorstellung von diesem Beruf habe. Meine Eltern sind total dagegen. Sie unterstützen mich weder in meinen Zukunftsplänen noch sprechen sie mir in irgendeiner Art Mut zu. Im Gegenteil. Sie reden davon, dass ich mich als Journalist auf ein ?Jäger- und Sammlerniveau? herunterlasse und das ich es doch sowieso nicht schaffen kann, weil andere sowieso besser als ich wären. Sie finden, dass nur Menschen studieren, die nichts Besseres mit sich anzufangen wissen. Deshalb haben sie mir auch jegliche finanzielle Unterstützung verweigert, falls ich mir erlauben würde, irgendwann noch mal den Wunsch zu äußern, zu studieren. Momentan ist mir das egal. Mit meinem
Ausbildungsgehalt kann ich gut leben, aber in drei Jahren möchte ich eben gern noch mein Abi nachholen. Das könnte ich in einem Jahr Vollzeitunterricht tun. Und danach will ich das von meinen Eltern gehasste Studium beginnen ? aber wie soll das gehen, ohne Unterstützung? Beide verdienen gut, d.h. mein Bafög würde wohl recht spärlich ausfallen. Neben dem Abi jobben? Leichter gesagt als getan. Abendschule? Das würden noch mal drei Extrajahre bedeuten. Meine Eltern verklagen? Eigentlich habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen, aber bei diesem Thema kommen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. Selbst Freunde und Verwandte haben schon versucht zu vermitteln. Zwecklos. Ich weiß nicht mehr, an wen ich mich wenden kann. Mit reden komme ich nicht weiter. Das haben wir schon stundenlang getan. Immer mit dem Ausgang, das sie mich als naive Göre abgestempelt haben, die ihren Träumen nachhängt. Sie meinen, ich solle froh sein, das ich einen krisensicheren Beruf lernen kann. Die Ausbildung an sich ist okay, meine Betreuer sind nett - aber ich bin wohl einfach nicht dafür gemacht. Immer kommt mir auf Arbeit der Gedanke, dass ich dort nur sitze, weil meine Eltern das so wollten. Da leidet einfach die eigene Motivation, die so schon nicht sonderlich ausgeprägt ist. Das lasse ich mir auf Arbeit aber nicht anmerken.

Und jetzt? Ich ertrage es aber nicht mehr länger, mit Menschen unter einem Dach zu leben, die mir offen ins Gesicht sagen, das sie sich ab meinem 18. Geburtstag nicht mehr verantwortlich für mich fühlen.

Das Problem ist einfach, das meine Eltern nur das Beste für mich wollen, aber mit ihrem Handeln das komplette Gegenteil davon erreichen - nämlich, das ich langsam persönlich sehr weit unten angekommen bin.

Hört sich alles verworren an? Ist es auch.

Anwort von Michaela

Hallo,

so verworren es auch sein mag, du hast die Lösung schon in deine E-Mail hineingeschrieben:

"Ich ertrage es aber nicht mehr länger, mit Menschen unter einem Dach zu leben, die mir offen ins Gesicht sagen, das sie sich ab meinem 18. Geburtstag nicht mehr verantwortlich für mich fühlen."

Das ist einerseits natürlich sehr hart. Andererseits trägst DU dann die Verantwortung für DICH. Was wiederum bedeutet, dass du danach tun und lassen kannst, was du willst, d. h. auch das Abitur nachholen, studieren und und und. Ohne jemandem darüber Rechenschaft schuldig zu sein.

Mit 16 ist das alles noch gefährlich und unbekannt - das hat wohl jeder so empfunden, der schon mal 16 war. Aber wenn du die Noten hast und eigentlich was anderes machen willst - so what? Manchmal hilft abwarten (wenn auch mit knirschenden Zähnen) und am eigenen Ziel arbeiten. Ich kenne eine ganze Reihe Leute, die zwei oder drei Ausbildungen eher lustlos hinter sich gebracht haben, bis sie sich endlich zu ihrem Traumberuf vorgearbeitet haben. Klar hat das mehr Mühe und Zeit in Anspruch genommen, als es gebraucht hätte, wenn sie von vornherein daran gearbeitet hätten. Aber manchmal verläuft der Lebensweg eben nicht schnur gerade (oder sogar ziemlich oft), sondern hält Erfahrungen und Überraschungen bereit, die einem später nützlich werden können. Das ist meine Erfahrung. (In meinem "ersten" Berufsleben war ich auch Bürokauffrau.)

Was kannst du tun? Erkundige dich beim Jugendamt, ob du vielleicht die Möglichkeit hast, in einer WG unterzukommen, wenn du es zu Hause nicht mehr so toll findest, wie ich zwischen den Zeilen zu lesen glaube.

Erkundige dich auch, welchen Vorteil es hat, deine Ausbildung jetzt zu Ende zu führen - als Mittel zum Zweck! Denn jeder Arbeitgeber liest es gerne, wenn ein Student vorher schon mal eine Ausbildung gemacht hat, weil das nämlich Praxis bedeutet (die sich Nur-STudenten erst erarbeiten müssen). Evtl. kannst du über ein Volontariat auch schon semiprofessionell in den Journalismus hineinschnuppern und hast damit ideale Voraussetzungen für den Job.

Ich würde an deiner Ausbildung festhalten, auch wenn sie derzeit keinen Spaß macht. Sie kann dir später das Geld einbringen, das du während des Studiums brauchst. So habe ich es vor ein paar Jahren gemacht: erst arbeiten, Geld sparen und dann studieren. Auch wenn das sich als jahrelanger Schlauch vor deinem inneren Auge ausstrecken mag, hast du in der Zeit ein Ziel vor Augen, das du erreichen möchtest - und damit hast du schon viel mehr als die meisten Menschen, die ziellos vor sich hin leben.

Ich wünsche dir alles Gute! Schreib uns doch mal bei Gelegenheit, wie es bei dir weitergegangen ist!

Viele Grüße,

Michaela