Lügen aus Scham
Hallo
Ich bin in einem verkrachten, gescheiterten Elternhaus aufgewachsen. Alkohol, Arbeitslosigkeit, psychische Probleme, unklare Strukturen.
Hab mich immer sher dafür geschämt und bereits mit 8-9 Jahren angefangen, Dinge zu verschweigen, kaschieren, zurechtzulügen und mich zu isolieren um nicht aufzufliegen.
Kam dann nach dem Abi auch nicht klar. 3 Jahre Kampf und Absturz, kein Job, keine Ausbildung, Wohnung weg. Völlig entkräftet wieder zu Mama gekrochen und 5 Jahre dort hängen geblieben. 2 Jahre davon gearbeitet, sonst ähnlich wie vorher.
In dieser Zeit habe ich meine erste Freundin kennen gelernt. Und zwar übers Internet. In einem Board - ein thematisches, kein Datingforum. Ich hatte überhaupt nicht vor, irgendjemanden dort kennen zu lernen und hab auch gedacht dass ich es eh weiter kontrollieren kann wen ich treffe - daher habe ich aus Scham dort wieder (ist so schön einfach wenn man anonym ist...) Mist erzählt. Nichts dolles - ich hab einen Sch*job erfunden und eigene Wohnung, um nicht als der Versager aufzutreten als der ich mich fühlte.
Da hinein lernen wir uns nun näher kennen. Ich bin dann (da kannten wir uns noch nicht persönlich) doch wieder ausgezogen und mache jetzt eine Ausbildung. Letztes Jahr haben wir uns dann getroffen und verliebt.
Ich habe aber noch nicht die Kraft gefunden ihr die Wahrheit über mich zu sagen. Auch daß sie meine allererste war weiß sie nicht.
Daß ich sie angelogen habe. Sie hat damit in der Familie sehr sehr schmerzhaftes erlebt und ist extrem empfindlich was unnaufrictigkeit angeht.
Ich habe Angst, bin feige, will ihr nicht wehtun, ich schäme mich für das was ich getan habe, weiß gleichzeitig daß ich es auflösen muß - und bin total verwirrt deswegen.
Was soll ich bloß tun.
Ich komme so schlecht mit der Aussicht zurecht daß es die Basis unserer Beziehung ganz gewaltig angraben wird und nicht klar ist ob sie dann noch trägt.
Kann ich irgendwo Unterstützung bekommen? Ich habe echt Angst vor der Zeit wo ich die Karten auf den Tisch lege und sie mich überdenken wird.
Anwort von Dana
Grüße Dich!
Die Wahrheit sollte auf den Tisch - das ist Dir klar. Mit jeder Woche Schweigen mehr, wird die Verletzung auch ein Stück tiefer. Ich würde damit beginnen, wie ich schon in der Kindheit gelogen habe, damit niemand weiß, wie mein Leben wirklich ausschaut. Weiter gehen über die Versuche, da heraus zu kommen, sie kennenlernte und dann wieder im alten Muster log. Je mehr Du Dich erklärst, desto eher kann sie auch verstehen. Beginne mit der Erklärung - dann hat sie noch eher ein offenes Ohr und Herz dafür.
Inzwischen hast Du die Lüge auch ein Stück Realtität werden lassen, wenn ich das richtig verstanden habe? Eigene Wohnung, Job bzw. Ausbildung - das gibt es jetzt. Das macht es leichter. Denn im Jetzt ist es wahr... verstehst Du, was ich meine? Ich denke, dass sie es verstehen kann, dass Du die Vergangenheit nicht so leicht auf den Tisch packen konntest. Eben auch, weil ihr euch nicht unter dem 'Beziehungsstern' kennengelernt habt.
Vielleicht wird sie eure Beziehung überdenken - ich kann sie nicht einschätzen. Wenn Du in dieser Zeit Hilfe brauchst, kannst Du Dich jederzeit an einen Arzt wenden, um ggf. mit einem Therapeuten zu sprechen. Vielleicht nicht nur, um diese Zeit zu überstehen, sondern auch um mit der Vergangenheit aufzuräumen?
Du kannst Dich auch an das Sorgentelefon wenden. Dort sitzen geschulte Menschen, die ein Ohr für Dich haben werden und all das mit Dir zusammen auffangen.
Telefonseelsorge
Telefon 0800 111 0 111 (evangelisch)
oder 0800-111 0 222 (katholisch)
Internet: www.telefonseelsorge.de
Wenn Du 'einfach nur erzählen' möchtest und Dir eine Antwort von uns ausreicht, dann kannst Du uns natürlich auch wieder schreiben. Gebe dann diesen Titel wieder mit an (damit ich Dich wieder erkenne und weiß, worum es geht).
Alles Gute und Kraft und Mut!
Dana