Problem von Simone - 31 Jahre

Aggressionen (2)

Hallo Sabine,

vielen lieben Dank für deine schnelle Antwort. Es lag mir sehr am Herzen, die Meinung eines "Außenstehenden" zu hören, der vollkommen objektiv seine Stellung dazu nehmen kann.

Nach wie vor habe ich auf mein eigenes Herz gehört und nicht mit Michael Schluss gemacht. Obwohl mir immer noch nicht ganz klar ist, ob es wahrlich die richtige Entscheidung ist. Mein Therapeut hat mir den gleichen Rat gegeben, erst einmal keine "überstürzten Handlungen" vorzunehmen, die ich eventuell dann später bereue. Er meinte, es wäre vollkommen verfrüht, jetzt eine ehrliche und klare Meinung dazu abzugeben, ob Michael mir nicht gut täte. Immerhin - das dürfen wir alle nicht vergessen - leide ich unter diesen Aggressionsausbrüchen, die ich aus meiner Vergangenheit wohl auf Michael projiziere. Dass das alles nicht leicht für ihn ist, ich auch mal seine Seite sehe, versucht mir mein Therapeut oft klar zu machen. Da ich bei ihm augenblicklich wöchentlich Termine habe, denke ich einfach positiv und vertraue auf mich, auf ihn und auf Michael in meinem weiteren Leben!

Doch trotz allem leuchtet es mir immer noch nicht so genau ein, warum Michael sich manchmal so verhält, wie er es nun mal tut. Warum er diesen Gefühlsschwankungen unterliegt und mich mit seinen Worten dann verletzt. Ist es eine Art "Retourkutsche", weil ich ihm so oft weh getan habe? Ist es, weil es ihm schwer fällt und er nicht weiß, wie er mit der Gesamtsituation umzguehen hat? Warum dieses ständige Hin und Her?

Sabine, ich hoffe, dass es mir bald wirklich wieder richtig gut geht und das nicht nur für ein paar Stunden, ich wieder Gefallen an mir und meinem Leben finden kann. Denn - wie mir mein Therapeut sagte - erst, wenn ich mich selbst lerne anzunehmen und dazu bereit bin, mich selbst liebenswert zu finden - kann ich auch andere Menschen, meine Mitmenschen und meinen Partner lieben. Mein Glück wird sich dann wohl automatisch auf meine Mitmenschen übertragen.

Ich liebe Michael, aus meinem tiefsten ganzen Herzen. Aber warum fällt es mir so schwer, ihm das zu zeigen? Ich erwarte doch selbst immer, dass er in jedem meiner Momente weiß, wie es mir geht und was ich brauche. Und eigentlich darf ich das gar nicht erwarten, gar nicht voraussetzen... nach allem, was ich mir schon geleistet habe, kann ich mich wirklich glücklich schätzen, dass Michael mich immer noch auf meinem Weg begleitet. Er hat noch tiefe Hoffnung, dass alles wieder so wird, wie es einmal war und die Simone zurück kommt, die es mal gegeben hat. Und jedes Mal tue ich ihm wohl wieder damit weh, wenn ich wieder wütend und aggressiv ihm gegenüber reagiere... das verstehe ich ja, aber darf ich mich selbst so unter Druck setzen? Darf ich mir die "ganze Schuld" aufbürden? Ich weiß, immerhin ist es mein Verhalten, dass ich an den Tag lege und dass das nicht richtig ist - sondern mehr als falsch - das weiß ich ja...

Erwarte ich wohlmöglich zu viel? Was kann ich Michael noch abverlangen? Was darf ich ihm überhaupt abverlangen?
Fest steht für mich, ich will ihn nicht wieder verletzen. Ich will endlich wieder glücklich sein, Sabine. Glücklich mit Michael!

Doch eines wird nicht möglich sein: Eine gemeinsame Therapiesitzung mit ihm. Das habe ich schon mal mit ihm besprochen und er ist dazu leider nicht bereit. Nicht, weil er es nicht möchte, sondern einfach, weil er sich nicht öffnen kann. Ihm fällt es schon schwer, sich mir gegenüber zu öffnen. Meine Krankheit hat also auch etwas Gutes, zumindest kann er jetzt wenigstens mir gegenüber über seine Ängste, Hoffnungen und seine Traurigkeit sprechen. Einem anderen Menschen gegenüber könnte er das nicht. Und wenn er einfach dabei wäre, um zuzuhören - natürlich wäre es für mich schön, weil ich dann wirklich sehen würde, dass er auch dieses Stück seines Lebens mit mir gemeinsam geht - aber das darf ich nicht erwarten. Er möchte nicht, das muss ich respektieren und das tue ich auch. Ich denke, es ist einfach zu viel für ihn, wenn er sich das alles noch mal anhören müsste.

Bevor ich nach Rom fliege, werde ich ihn noch mal sehen. Vielleicht dieses WE oder aber in den nächsten Tagen. Bis Mittwoch nächster Woche ist es ja noch etwas hin. Auch hier versuche ich, Michael nicht unter Druck zu setzen. Ich denke doch, dass dies der richtige und einzige Weg für uns ist!

Es wäre schön, noch einmal eine Antwort von dir zu bekommen. Ich möchte mich schon jetzt für deine ehrliche, aufrichtige und klare Antwort vom letzten Mal bedanken. Auch, wenn es für mich nicht leicht war, es so schwarz auf weiß von jemand "Außenstehendem" zu lesen, so hat es mir doch geholfen, die Dinge besser zu verstehen, klarer zu sehen, wenn du verstehst, was ich meine?!

Lieben Gruß
Simone

Anwort von Sabine

Hallo Simone,

Der Spruch des Therapeuten hat mir sehr gut gefallen und es ist eine Menge dran. Hast Du schon mal darüber nachedacht? Dich selber zu erkennen und zu finden und zu wissen, was Du willst. Dich selber zu mögen. Vor dem Spiegel zu stehen und zu sagen, "I am what I am" und Dich zu akzeptieren, wie Du bist. Es ist wahr, wo wohl, wie man sich fühlt, so strahlt man es auch aus. Das ist die Simone, die Michael wohl kennengelernt hat und die er trotz Deiner Krankheit immer noch erkennen kann. Er weiß, dass es sie gibt und er glaubt an sie. Wahrscheinlich mehr als Du im Moment.
Ich finde es gut, dass Du dieses Wochenende noch wieder Kontakt mit ihm aufnimmst. Ihr solltet etwas unternehmen. Nur ihr beide.
Sucht euch einen schönen Platz in der Sonne und ruht euch aus. Warum viele Worte. Einfach nur ihr beide und an einem Ort. Gar nicht große Reden oder Diskussionen. Oder ihr geht ins Kino oder Essen und habt einfach Spaß.
Auch ein Urlaub zu zweit wäre mal eine Idee. Kein Alltag und ihr könnt einfach ihr sein. Keiner, der euch dazwischen kommen kann.
Ich denke, Du bist auf dem richtigen Wege Dich wiederzufinden und wieder glücklich zu werden. Es mag vielleicht noch dauern und es geht step by step, aber es gibt ein Ziel.
Das Du es schon vor Augen hast, dass ist Deiner Mail deutlich zu entnehmen.

Lieben Gruß.


http://mein-kummerkasten.de/8684/Agressionen.html