Problem von Anonym - 15 Jahre

Essen? Nein danke ...

Hallo :)

Ich habe ein Problem, das immer wieder kommt.
Mit 11 hatte ich schon einmal Essstörungen, die ich zum Glück mit ärztlicher und psychologischer Hilfe bekämpfen konnte.
Danach war es nie wieder so extrem, obwohl ich immer stark auf mein Gewicht achte und mich dieses Gefühl, viel zu dick zu sein immer wieder einholt.
Manchmal gibt es Zeiten wo es mir Monate lang richtig gut geht und ich überhaupt keine Probleme habe.
Doch wenn ich viel Stress habe und mich auch seelisch etwas bedrückt, läuft das mit dem Essen ziemlich aus dem Ruder. :(
Im Moment ist das der Fall.
Ich habe keinen Hunger und wenn ich etwas essen kann ist es sehr wenig und manchmal muss ich mich sofort übergeben.
Aber eigentlich habe ich nie Lust etwas zu essen oder es ekelt mich regelrecht an.
Meine Eltern machen sich Sorgen, aber ich strenge mich an, dass sie wenig davon mitbekommen, weil ich sie nicht enttäuschen will.
Ich will nicht wieder als das schwache Mädchen da stehen, vor niemandem.
Kann ich irgendwas dagegen tun, dass ich keine Lust auf Essen habe oder dass meine Eltern sich so Sorgen machen?

Franzi Anwort von Franzi

Liebe Unbekannte,

ich freue mich,dass du dich an uns wendest!

Weißt du,eine Essstörung kann man nicht heilen.Man kann die Situation aber in den Griff kriegen,dass man unbeschwerter Leben kann.

Eine Essstörung ist eine Sucht.Wie bei jeder Sucht,besteht diese ein Leben lang.Ein Alkoholiker bleibt ein Leben lang Alkoholiker.Selbst wenn er keinen Alkohol trinkt, ist er Alkoholiker.Geht er seiner Versuchung nach und trinkt einen Schluck,hat die Sucht ihn wieder eingeholt.Deshalb muss er ständig an sich arbeiten und gegen die Sucht kämpfen,damit sein Verstand größer ist,als die Gier nach Alkohol.er benötigt sehr viel Disziplin,um auch in Stress-Situationen stark zu sein.Er kann z.B. nur auf eine Party gehen,wenn er so strak ist und "Nein" zum Alkohol sagen kann.Kann er das nicht,beherrscht ihn wieder die Sucht.

So ist es bei Essstörungen auch!Man muss immer gegen die Sucht ankämpfen.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist und wie viel Kraft das kostet.Aber glaube mir,eslohnt sich,gegen die Sucht zu kämpfen.Es wird immer wieder Momente in deinem Leben geben,wo du glaubst,dass dir deine Sucht alles einfacher machen kann.Aber das ist leider ein Irrtum.Denn wenn deine Sucht dich wieder in den Fängen hat,musst du wieder von vorne anfangen.Du musst wieder lernen,dass du dein Leben alleine beherrschen kannst und dass du ein Mensch bist,der ohne diese Sucht leben kann.

Das soll jetzt nicht böse sein, aber ich glaube,dass die Angst deiner Eltern berechtigt ist.Sie haben vor ein paar Jahren mitbekommen,wie die Sucht deinen Körper beherrscht hat.Das ist für Eltern alles andere als leicht.Nun sehen sie wieder,dass du weniger oder gar nichts isst.Natürlich haben sie Angst,dass du wieder in die Situation kommst,wo du absolut hilflos bist.Sie wollen,dass es dir gut geht.Und das geht nur,wenn du gegen die Sucht kämpfst und nicht mit ihr lebst!

Ich möchte dich um was bitten: Spricht bitte mit deinen Eltern darüber.Es ist kein Zeichen von Schwäche,wenn du deinen Eltern die Wahrheit sagst.Es zeigt,wie stark du bist,wenn du dir Hilfe suchst.

Alternativ kannst du natürlich zu einem Psychologen gehen,der dir dabei hilft,wieder normal zu essen.

Glaub mir,es ist wirklich ganz starkvon dir,wenn du dir helfen lässt.Es hat überhaupt nichts damit zu tun,dass du ein "schwaches Mädchen" bist.Ganz im Gegenteil.

Ich kann dir ja mal erzählen,wie es mir nach meiner ersten Therapie ergangen ist.Zuerst dachte ich,dass ich zu Hause ganz gut klar komme.Ich war schließlich mehrere Wochen in einer Klinik und habe dort gelernt,wie ich mich gesund ernähren kann und dass ich ein verzerrtes Selbstbild habe.
Leider verflüchtigten meine guten Vorsätze sich ziemlich schnell.Um genauer zu sein: Nach einer Woche zu Hause war ich wieder so drauf, wie vor dem Klinikaufenthalt.Ich habe nichts mehr gegessen,war jeden Tag mehrere Stunden im Fitness-Studio und versuchte,dieses Verhalten vor meinen Eltern zu verstecken.Nach ca.2 Wochen (ich hatte schon wieder mehrere Kilos abgenommen und war wieder bei dem Gewicht,mit dem ich damals in die Klinik kam) war mir bewusst,dass es so nicht weiter gehen kann.Ich bin zu meinen Eltern gegangen und habe ihnen gesagt,dass ich es nicht alleine schaffe.Sie gingen zusammen mit mirin die Klinik,um mit meiner Therapeutin zu sprechen.ich entschied mich,nochmalin die Klinik zu gehen.Diesmal war es etwas strenger.Ich durfte kein Handy haben,ich durfte keinen Besuch empfangen und ich durfte nicht alleine raus gehen.Die Verbote wurden mit jedem gramm,was ich zugenommen habe,etwas gelockert,bis ich schließlich wie jeder andere patient behandelt wurdel.Es war die schwerste Zeit meines Lebens.ich fühlte mich verraten und allein gelassen.Nun kommt aber das große "aber"!Diese Therapie hat mir wirklich was gebracht.Ich habe wahnsinnig viel gelernt und kann heute voller Stolz sagen,dass ich diese Sucht nicht mehr in mein Leben lasse.Klar,es gibt immer wieder Momente,wo ich denke,dass ich ohne Essen besser dran wäre.Es fällt mir schwer,mich an die Regeln zu halten,die ich während des Klinikaufenthalts hatte.Dennoch schaffe ich es,weil ich nicht nochmal so eine Zeit erleben möchte.ich weiß,wie es mir ohne Sucht geht und ich weiß auch,wie es mir mit der Sucht ging.
Ich weiß,wie sich der Kampf anfühlt,wenn man die Sucht loswerden will und ich weiß, wie sich der Kampf anfühlt,wenn man möchte,dass die Sucht da bleibt, wo sie ist und dass sie nicht mehr zu einem zurück kommt.Glaub mir, liebe Unbekannte,der Kampf,den du gerade führst,ist wesentlich anstrengender, als der Kampf,den ich führe.
Du musst dich ständig verstecken und verstellen,du musst aufpassen,dass niemand etwas mitbekommt.Du musst aufpassen,deine gesunde Fassade erhalten bleibt.Ich muss lediglich aufpassen,dass ich in Stress-Situationen nicht das Falsche tue!

Deshalb bitte ich dich nochmal: Such dir Hilfe!Geh mit deinen Eltern zu einem Therapeuten.

Ich habe dir ein paar nützliche Links rausgesucht:

http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html

http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/23/Essstoerungen-bin-ich-zu-dick.html

Vielleicht hast du ja auch Lust, dich mit anderen Betroffenen auszutauschen.Ich bin sicher,dass es einige Mädchen gibt,die dir eine ähnliche Geschichte,wie ich dir geschrieben habe,erzählen können.

http://www.magersucht-online.de/

http://www.hungrig-online.de/cms/

http://www.magersucht.de/forum.php

Auf diesen Seiten kannst du dich zusätzlich über deine Krankheit informieren.


Übrigens: Ich habe gestern ein ähnliches Problem beantwortet.Vielleicht hast du ja mal Lust, dir die Antwort durchzulesen: http://mein-kummerkasten.de/224440/Pro-Ana.html

Als ich das Problem beantwortet habe, habe ich der Fragestellerin ein paar Links für Videos mitgeschickt.Als ich die Antwort los schickte, habe ich bei youtube einen ganz tollen Spielfilm über Magersucht gesehen.Ich mache mir immer viele Gedanken über die Menschen,denen ich versuche,zu helfen.Dieser Film beschreibt meine frühere Situation sehr gut.Das Mädchen in dem Film war schon mal in einer Klinik.Zu Hause klappte es aber nicht so,wie sie sich das vorstellte.Sie versuchte, ihre Situation zu verheimlichen.Genau so, wie du.
Ich würde mich freuen,wenn du dir diesen Film einmal ansehen würdest.Vielleicht kann er dir ja ein paar Denkanstöße geben.

http://www.youtube.com/results?search_query=film+%C3%BCber+magersucht&aq=0

Hier findest du alle 9 Teile des Films!

Ich hoffe, du nimmst meine Ratschläge an und kämpfst für ein Leben ohne deine Essstörung!

Alles Liebe,
Franzi