Problem von Anonym - 18 Jahre

Innerlich Tot

Hi
Es ist das erste mal das ich über mein Problem offen rede, was mir relativ schwer fällt.
Ich bin jetzt 18 Jahre alt werde nächsten Monat 19 und weiß aber mit meinem Leben schon lange nichts mehr anzufangen.
Alles fing mit 15 an als ich mich aus meinem Leben zurückzog, keine
Zukunftsperspektiven, keine Freunde, ich wurde depressiv und mit 16 fingen die Suizidgedanken + das ritzen an.
Ich beschloss mit dem ritzen aufzuhören, fand eine Ausbildung und bin jetzt wie schon gesagt bald 19, aber geändert hat sich nichts.
Fing mit dem ritzen wieder an und die Gedanken und Depressionen wurden schlimmer
Ich möchte von diesen Qualen erlöst werden, möchte mich umbringen und
dieser Welt den rücken zu kehren.
Aber... ganz tief in meinem Herzen weiß ich, ich will leben, ich sehe/beobachte die Menschen in meiner umgebeung wie glücklich sie sind. Ich wünsche mir auch so zu sein, aber die Wahrheit holt mich schnell wieder ein, ich kann mich nicht ändern, nein, ich habe es doch schon mindest hundermal schon versucht.
Ich weiß nicht mehr weiter, ich weiß ich brauch professionelle Hilfe, aber genauso
weiß ich das ich nicht stark genug bin um mir diese zu besorgen.
Unter anderem habe ich auch große Angst davor, was wird mit mir passieren wenn ich mir Hilfe hole.
Werde ich ich in eine Klinik eingewiesen, werde ich mit drogen vollgepumpt um meine gedanken zu unterdrücken.
1000 Gedanken schwirren mir durch den Kopf und ich weiß nicht weiter.
Ein Labyrinth umgibt mich und es scheint ein entkommen wirds wohl für mich nie geben.
Ich danke fürs lesen undfür die ein oder anderen nützlichen worte.

mfg -X-

Marie Anwort von Marie

Lieber Ratsuchender,

ich danke dir für dein Vertrauen!

Ich lese aus deiner Mail einige Dinge heraus:
Zum einen: Dein Wunsch, ein lebenswertes Leben zu führen, ist stärker als deine Sehnsucht nach dem Tod. Du willst etwas verändern, aber du weißt nicht, wie.
Und zum anderen: Du weißt, dass du Hilfe brauchst. Aber du hast Angst, dass du nicht die Kraft findest, um dir diese Hilfe zu suchen und wirklich etwas zu verändern. Und du hast Angst davor, dass wenn du dir Hilfe suchst, etwas mit dir gemacht wird, das du nicht willst.

Die Idee, dir professionelle Hilfe zu suchen, finde ich sehr gut.
Ich denke, das ist wichtig, um die Ursachen für deinen Wunsch zu sterben herauszufinden und daran zu arbeiten, um deine Lebensfreude (wieder) zu entdecken und um dein Leben so zu gestalten, wie du es dir wünschst, damit es für dich lebenswert ist.
Das klingt jetzt nach ziemlich viel Arbeit, nicht? Du kannst dir im Moment wahrscheinlich gar nicht vorstellen, wie du das jemals hinbekommen sollst.
Aber wenn du den Mut findest, dir Hilfe zu suchen, und jemanden hast, der dich unterstützt und dir zeigt, wie du Schritt für Schritt diese Veränderungen bewirken kannst - dann ist es gar nicht mehr so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint. Wichtig ist, dass du nicht allein bleibst - denn du hast selbst schon gemerkt, dass du dich allein nicht von den Depressionen und den Gedanken befreien kannst.

Du denkst, dass du dich nicht verändern kannst.
Ich sage: Doch, das kannst du. Dir fehlt nur jemand, der dir zeigt, wie es geht.
Ein Psychotherapeut und vielleicht auch der Austausch mit anderen, denen es ähnlich geht oder ging, z.B. in einer Selbsthilfegruppe in deiner Nähe oder in einem Internetforum (z.B. http://depri.ch) können dir helfen, eine andere Sicht auf deine Probleme zu gewinnen und dir Mut und Kraft geben, sie zu überwinden.
Keine Angst, du wirst nicht den ganzen Berg auf einmal abtragen müssen, sondern immer nur ein kleines Stück - immer nur so weit, wie es deine Kraft zulässt, und dann noch ein Stück, und noch eins... Und am Ende wirst du erstaunt sein, wie viel du geschafft hast.

Aber es ist wichtig, dass du JETZT aktiv wirst und anfängst, etwas zu verändern, denn je länger du wartest, desto schwieriger wird es.

Was professionelle Hilfe angeht, hast du jetzt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: eine ambulante Therapie bei einem niedergelassenen Therapeuten, oder eine stationäre Therapie in einer Klinik für Psychiatrie/Psychotherapie.

Die ambulante Therapie hat den Vorteil, dass du dich nicht krankschreiben lassen müsstest und dass die Einzelgespräche i.d.R. länger und intensiver sind. Nachteil: niedergelassene Therapeuten haben oft sehr lange Wartezeiten (ca. 6 Monate) und man hat meist nur eine Therapiesitzung pro Woche.
Eine stationäre Therapie bietet dagegen den Vorteil, dass man eigentlich jeden Tag verschiedene Arten von Therapie hat und dass man mal für eine Weile aus seinem gewohnten "Trott", seiner gewohnten Umgebung rauskommt, was an sich schon einen positiven Effekt haben kann. Außerdem sind die Wartezeiten meist erheblich kürzer.

Ich würde dir eine Kombination aus beiden Therapieformen empfehlen. Ruf am besten zuerst bei verschiedenen niedergelassenen Therapeuten an und lass dir einen Termin geben, um wirklich jemanden zu finden, zu dem du Vertrauen fassen kannst und mit dem du arbeiten willst. Tipps zur Therapeutenwahl findest du hier: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html
Man hat i.d.R. fünf Sitzungen, bevor man sich entscheiden muss, zu welchem Therapeuten man gehen möchte.

Um die Wartezeit zu überbrücken, kannst du, wenn du möchtest, eine stationäre Therapie machen. Dann knüpfen sozusagen beide Therapien aneinander an.

Nun zu deiner Angst, in eine Klinik eingewiesen zu werden:
Das darf gegen deinen Willen nur dann passieren, wenn eine akute und erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung besteht. Also wenn du z.B. AKUT suizidgefährdet bist (z.B. schon auf einer Brücke stehst und runterspringen willst, oder ernsthaft ankündigst, dass du dich gleich umbringen wirst).
Wenn du lediglich sagst: "Ich denke manchmal daran, mir das Leben zu nehmen", rechtfertigt das noch keine Zwangseinweisung.

Mit den Medikamenten ist es ähnlich. In der Psychiatrie hast du immer das Recht, über die Wirkungen und Nebenwirkungen eines Medikaments aufgeklärt zu werden und frei zu entscheiden, ob du dieses Medikament nehmen willst oder nicht (außer bei akuter und erheblicher Eigen- oder Fremdgefährdung).
Ich hatte, was das angeht, auch viele Vorurteile, aber als ich dann selbst mal in der Psychiatrie gearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass da wirklich niemand zu einem Medikament genötigt wird, das er nicht will. Solange du niemanden körperlich angreifst, musst du dir da keine Sorgen machen ;-)

Davon abgesehen, können Medikamente begleitend zu einer Psychotherapie durchaus sinnvoll sein. Es geht ja nicht darum, dich "zuzudröhnen", sondern darum, z.B. vorübergehend deine Stimmung soweit auf "Normal-Niveau" zu bringen, dass du anstelle der Ausweglosigkeit auch wieder Zukunftsperspektiven für dich siehst.
Wenn du das Gefühl hast, dass die Medikamente deine Gedanken unterdrücken, dann kannst du auch jederzeit deinen Arzt darum bitten, das Medikament wieder abzusetzen oder es mit einem anderen zu versuchen, das nicht solche Nebenwirkungen hat. Von daher würde ich die Medikamente nicht von vornherein ablehnen - auch wenn ich deine Sorgen und Befürchtungen sehr gut verstehen kann. Aber einen Versuch ist es vielleicht doch Wert, meinst du nicht?

Egal, ob du dich für eine ambulante oder stationäre Therapie oder eine Kombination aus beiden entscheidest, ob du Medikamente nehmen willst oder nicht: Trau dich und nimm Hilfe in Anspruch - du hast nichts zu verlieren, aber viel zu gewinnen! Ein Leben ohne Depressionen, ohne ständige Selbstmordgedanken. Ein Leben, das es Wert ist, von dir gelebt zu werden!

Ich wünsche dir dafür alles Gute und ganz viel Kraft!
Du kannst dich auch gern wieder bei uns melden, wenn du möchtest.

Liebe Grüße!
Marie