Problem von J. - 16 Jahre

Angst, Hilfe zu holen (Versuch 2)

Hallo liebes KuKa team,

ich möchte euch erstmal sagen wieviel Respekt ich vor dieser Seite und ihren Helfern habe, ihr macht einen unglaublich wichtigen Job! J

Nun zu meinem Problem. Ich hatte euch schonmal deswegen geschrieben, aber keine Antwort bekommen. Mein Problem umfasst eigentlich mehrere Aspekte, also fang ich erstmal ganz von vorne an.

Ich hab ziemliche Probleme mit meiner Mutter. Seit ich klein bin, hat sie mich immer wegen der kleinsten Sachen angeschrien. Zum Beispiel wenn ich ein Wort auf der Milchpackung vorgelesen habe oder so. Wenn mein Zimmer unaufgeräumt war, dann ist sie wirklich ausgerastet, hat teilweise sogar mein Zimmer verwüstet und meine Sachen aus dem Fenster geworfen (wir wohnten im Hochhaus ;) ) Nun bin ich etwas älter, 16, aber wirklich geändert hat sich nicht viel. Wir haben ein Haus gekauft, und mein Vater ist dort eingezogen, ich seh ihn nur noch ganz selten. Dafür leb ich hier jetzt mit meiner Mutter in einer kleineren Wohnung. Weil meine Mutter mich seit ich 4 bin praktisch täglich angebrüllt hat, kam in meinem Kopf der Gedanke auf, sie würde vielleicht nicht mehr brüllen wenn ich mich entschuldigen würde. Seitdem entschuldige ich mich für alles was ich tue, es ist so zur Angewohnheit geworden, ich kann es nicht mehr wirklich kontrollieren. Teilweise ist das sogar so schlimm, das ich mich entschuldige sobald einer meiner Freunde auch nur den Gesichtsausdruck ändert. Wenn ich versuche mit meiner Mutter darüber zu reden, dass sie nicht schreien soll, könnt ihr euch wohl denken, was passiert . ;)

Weiter ginge es dann mit meiner „Schulgeschichte“. In der 5. und 6. Klasse wurde ich ziemlich gemobbt, es wurden Gerüchte über mich verbreitet, die selbst heute, die selbst 2 Jahre später noch „topaktuell“ waren. Damals waren es hauptsächlich 2 Personen, die die Fäden gezogen haben, das Mädchen, das erst do tat als wäre sie meine beste Freundin, und dann einfach mitgemacht und mich auch beklaut hat. Der Junge hatte es jeden Tag wirklich drauf, mich durch den Dreck zu ziehen und mein Selbstvertrauen einzustampfen. Ich hatte nur 2 Freunde, und einmal waren beide krank, und ich verfluche diesen Tag bis heute, da das der allerschlimmste war. Außerdem, hat dieser Junge später auf der Klassenfahrt meine beste Freundin (eine von den zweien) geschlagen, ich stand hinter ihr, und seine Kumpels standen in der Tür, sodass ich nicht rauskonnte um einen Lehrer zu holen. Ich mache mir immernoch große Vorwürfe deswegen, und ekel mich deswegen etwas vor mir. Nach dieser Zeit hatte ich wieder den Moment: Hey, die tun dir bestimmt nur was weil du so auffällig bist. Wenn du schüchterner wirst, ignorieren sie dich vielleicht. Das hat ein bisschen funktioniert, aber wie mit dem Entschuldigen kann ich bis heute nicht damit aufhören, ich hab panische Angst vor Fremden. Ich versuche Strategien, die ich nachher nicht wieder ablegen kann.

In Folge dieser Ereignisse, kam eine lange Zeit, bis zur 8ten Klasse, also 2 Jahre, in denen ich gar nichts mehr empfunden habe. Gar nichts war mehr witzig, gar nichts war mehr traurig, hat sich angefühlt als wär ich innerlich tot. Meine Mutter hat davon nichts mitbekommen. Nochmal 2 Jahre nach dieser Episode, wollte meine Oma 2mal umziehen. Meine Mutter hat sofort reagiert, und gesagt wir müssen mit ihr zum Psychologen etc. Ich war einfach unheimlich wütend auf sie, weil ich wirklich dachte sie hätte meine Lage die ganze Zeit mit Absicht ignoriert. Ich hab während dieser Zeit auch wirklich über Selbstmord nachgedacht, es ein paar mal auch fast getan.

Meine neueren Probleme machen mir auch zu schaffen. Eine Freundin hat sich vor einiger Zeit von mir abgewendet, und dann versucht, Selbstmord zu begehen. Sie war dann in einer Tagesklinik (psychiatrisch), und seitdem hab ich nichts mehr von ihr gehört. Ich denke die ganze Zeit nur, dass ich das doch hätte bemerken müssen, und warum ich nichts unternommen habe. Und dann frage ich mich wieder warum ich denn von meiner Mutter erwartet habe, dass sie meine Situation bemerkt, wenn ich das selbst nicht einmal geschafft habe.

Ich habe in letzter Zeit oft das Gefühl, als würde ich innerlich zusammenbrechen. Meine Klassenlehrerin wollte mich vor einigen Jahren aufgrund meines Verhaltens zu einem Psychologen schicken. Meine Eltern lehnten das ab, aber heute denke ich, es wäre besser so gewesen. Ich habe aber irgendwie Angst zu einem Vertrauenslehrer zu gehen, und ihn zu fragen was ich tun könnte, oder wie es weitergehen sollte. Wir haben nämlich ein Beratungszimmer an unserer Schule, das nur in den Pausen geöffnet ist, und mich würden alle sehen, wenn ich dahinginge. Ich gelte ja so schon jetzt als „Seltsam“, da möchte ich nicht wirklich, dass alle sehen wie ich ins „Problemzimmer“ gehe.

Da dies mein 2 Versuch ist, hat sich wieder einiges geändert, jedoch nicht unbedingt zum guten, lediglich dass meine schulischen Leistungen langsam in den Keller gehen, obwohl ich versuche mich anzustrengen. Da ich in der 11. Klasse Gymnasium bin, mach ich mir da große Sorgen, weil alles was ich tue in meine Abinote eingeht.


Alles Liebe, und ich hoffe, ihr könnt mir Rat geben

J.

Marie Anwort von Marie

Liebe J.,

ich danke dir für dein Vertrauen!

Es tut mir Leid, dass du in deinem jungen Leben schon so viel Schlimmes durchmachen musstest. Ich finde deine Idee, dir Hilfe zu suchen, um das alles aufzuarbeiten und auch die aktuellen Probleme zu lösen, sehr gut.
Dazu musst du dich nicht unbedingt an einen Vertrauenslehrer wenden. Du kannst auch einfach so bei einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten anrufen und einen Termin ausmachen. Das würde auch niemand aus deiner Schule mitbekommen. Du kannst auch deinen Hausarzt ansprechen, wenn du ein gutes Verhältnis zu ihm hast, und dir von ihm eine Überweisung geben lassen.
Therapeuten unterliegen der Schweigepflicht, d.h., es muss eigentlich nicht einmal deine Mutter davon erfahren, wenn du das nicht willst (sofern du nicht privat versichert bist). Das kannst du einfach mit dem Therapeuten und der Krankenkasse absprechen. Die Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.
Die Therapie würde dann so ablaufen, dass du den Therapeuten erst einmal kennen lernst und dich entscheidest, ob du mit diesem Menschen arbeiten möchtest oder nicht. Deshalb ist es günstig, gleich bei mehreren Therapeuten einen Termin zu vereinbaren, damit man eine gewisse Auswahl hat, falls man sich beim ersten nicht gut aufgehoben fühlt. Dann hättest du jeweils ein Gespräch pro Woche mit dem Therapeuten (jeweils ca. eine Stunde). Da würdet ihr dann Schritt für Schritt gemeinsam erarbeiten, welche Probleme in der Therapie bearbeitet werden sollen, wo die Ursachen für diese Probleme liegen und was du selbst dagegen tun kannst.
Wenn du möchtest, kannst du dir dazu auch einmal unsere Soforthilfe durchlesen: http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html

Falls du dich dazu entschließt, eine Therapie zu machen, findest du Adressen von Therapeuten in deiner Nähe über Google oder im Telefonbuch. Du kannst dich auch an ein Ausbildungsinstitut für angehende Psychotherapeuten wenden; dort sind die Wartezeiten oft kürzer. Eine Liste dieser Institute, geordnet nach PLZ, findest du hier: http://www.therapie.de/psyche/info/ausbildung/adressen-und-links/kinder-jugendpsychotherapie/

Ich hoffe, dass ich dir ein wenig weiterhelfen konnte, und wünsche dir alles Gute!

Liebe Grüße,
Marie