Anwort von Johannes

Hallo Josie,

ich hatte dich in deiner letzten Mail so verstanden, dass das Problem mit dem Mobbing noch aktuell ist und du dazu Hilfe benötigst. Aber ich freue mich, dass dem nicht so ist. Wenn ich mit meiner Vermutung nicht falsch liege, verletzt du dich meistens in Stresssituationen. Begonnen hat es mit dem Mobbing in der Schule. Nun schreibst du, dass du es bei Streit mit den Eltern oder Freunden nicht lassen kannst. Das bedeutet schon, dass es Gründe gibt, warum du dich ritzt. Dies ist in den meisten Fällen so, jedoch nicht immer. Die Frage ist, was man dafür tun kann, dass es gar nicht erst zum Streit kommt und du somit auch kein Grund hast, dich zu ritzen. Natürlich lassen sich Streitereien nicht immer vermeiden und sie kommen leider ab und vor.

Vielleicht kann dich deine Freundin ein bisschen unterstützen. Sie sagt, dass du aufhören sollst und dich nicht verlieren möchte. Das zeigt mir, wie sehr sie sich um dich sorgt und ich tue es ehrlich gesagt auch. Wichtig ist, dass du verstehst, dass du deinem Körper damit nichts gutes tust. Wenn du damit aufhören möchtest, solltest du wirklich den festen Willen dazu haben. Falls dem so sein sollte, bist du schon einen großen Schritt weiter und es wird dir viel leichter fallen.
Ich habe dir schon einmal einen Link zu unserer Soforthilfe geschickt. Dort ist alles genau beschrieben. Du könntest versuchen das Problem in den Griff zu kriegen, wenn du dir Alternativen zum Ritzen suchst. Ich kopiere dir diese Alternativen noch einmal in die Mail und ich bitte dich wirklich, sie dir genau durchzulesen, denn so kannst du es schaffen.

- Versuche dich zu entspannen bzw. abzulenken, z.B. tief durchatmen, Baden, Musik hören,
Lesen, Fernsehen ...
- Mit jemandem sprechen (ein Freund, Therapeut oder Telefon-Krisendienst)
- Versuche, möglichst nicht alleine zu sein (einen Freund besuchen, einkaufen, spazierengehen).
- Tagebuch schreiben bzw. schreibe das auf, was du momentan fühlst, was dir durch den Kopf
geht.
- Versuche deine Gefühle kreativ umzusetzen, z.B. durch Zeichnen.
- Trage ein Gummi um Dein Handgelenk und lass es schnalzen, wenn du den Drang hast, dich
selber verletzen zu wollen.
- Male dir rote Striche mit wasserlöslichen Filzstiften auf die Haut anstatt zu schneiden.
- Presse Eiswürfel an Deine Haut. Die Kälte ist zwar schmerzhaft, aber weder gefährlich noch
gesundheitsschädlich.
- Versuche dich nicht in Versuchung führen zu lassen, d.h. halte dich nicht an Orten auf, wo du
z.B. deine Klingen aufbewahrst.
- Versuche deine Aggressionen loszuwerden (Schlag auf ein Kissen oder eine Matratze, geh
nach draussen und schrei alles aus dir heraus).
- Suche dir eine Sportart, bei der du deinen inneren Stress abbauen kannst.
- Weine, wenn du kannst. Du fühlst dich besser, wenn die Tränen erst einmal raus sind.
- Tu irgendetwas mit deinen Händen (Malen, Zeichen, Aufräumen, Abwaschen, Hausarbeiten).
- Schreibe einen Brief an die Person, die dich traurig oder wütend macht bzw. die dich verletzt
hat.
- Schreibe dir deinen ganzen Frust von der Seele, verfasse Kurzgeschichten oder Gedichte.
- Mach Musik, spiele ein Instrument spielen oder erlerne es.
- Höre laut Musik und versuche dich voll auf das Lied zu konzentrieren, lasse dich sozusagen
davon fesseln.
- Versuche deine Gefühle mitzuteilen anstatt sie zu schlucken oder sie für dich zu behalten.
- Nimm den Gegenstand, mit dem du dich sonst selber verletzt und richte es dieses Mal gegen
etwas anderes als dich selbst.
- Sage dir, dass du dich in 15 Minuten immer noch verletzten kannst. Versuche nach den 15
Minuten, ob du es nochmal 15 Minuten aushälst.
- Schreib eine Liste mit Gründen, warum du das Schneiden aufhören wirst. Immer wenn du dann
den Drang verspürst, dich selber zu verletzen, lies die Liste als Erinnerung daran, warum du es
jetzt nicht tun solltest.
- Wenn du kurz davor bist dich zu verletzten, versuche nachzudenken: Warum mache ich das?
Möchte ich es wirklich? Hilft es mir? Was werden die Folgen sein? Möchte ich mit diesen
Folgen leben?
- Wenn der Drang dennoch nicht weniger wird, erlaube dir das SVV, aber bestimme woher wie
weit und versuche die Grenze nicht zu überschreiten.

Ich kann gut verstehen, dass es schwer ist, aber ich bin fest davon überzeugt, dass du es so schaffen kannst, mit diesen Hilfestellungen damit aufzuhören. Falls es dennoch Schwierigkeiten geben sollte und du merkst, dass du es alleine nicht schaffst, spreche bitte unbedingt mit deinen Eltern darüber und lasse dir einen Termin beim Psychologen geben. Ich weiß, dass das ein großer Schritt ist, aber ich weiß auch, dass es viele Leute gibt (leider auch schon in deinem Alter), die psychologische Hilfe brauchen. Ich möchte nicht behaupten, dass es bei dir auch so ist. Daher habe ich dir so ausfürlich beschrieben, wie du das Problem alleine bzw. mithilfe deiner Freundin versuchen könntest zu lösen. Wenn du merkst, dass du auf diesem Weg nicht weiter kommst, rede mit deinen Eltern und sage ihnen, dass du Hilfe brauchst.
Hier noch ein passender Link dazu:
http://mein-kummerkasten.de/Soforthilfe/31/Wie-finde-ich-einen-Psychologen.html
Es ist wirklich keine Schande, sondern ein Zeichen dafür, wie stark du bist und dass du den festen Willen hast, an der jetzigen Situation etwas zu verändern.

Ich hoffe, dass ich dir ein wenig weiterhelfen konnte und wünsche dir ganz viel Kraft.


Alles Liebe,

Johannes