Problem von Angst - 36 Jahre

Angst

Liebes Kummerkasten-Team,

ich bin echt verzweifelt und weiss mir keinen Rat mehr. Meine Tochter ist in der 5. Klasse und macht sich das Leben selbst schwer. Sie ist seit Oktober in der Pubertät und hat damit schon zu kämpfen. Vor 1 1/2 Jahren fanden die Ärzte heraus, dass sie Epilepsie hat. Seitdem haben wir auch Probleme mit ihr in der Schule, wo keiner uns sagen kann, ob sie es nicht kann oder nicht will. Wir gehen von einem Arzt zum anderen, aber geholfen hat uns nicht wirklich jemand. Ich möchte ihr gerne helfen, weiss aber nicht mehr wie. Wir haben verschieden Anlaufstellen, wie Förderdiagnostik, pädagogische Einrichtungen usw. schon "abgelaufen", aber ihr wird das wahrscheinlich auch alles zu viel und sie lässt dann niemanden mehr an sich heran. Im Augenblick beschwert sich die Schule über ihr ganzes Benehmen und wir können von zu Hause aus ausser Reden nicht viel machen. Wer hat ähnliche Probleme und kann uns helfen?

Anwort von Michaela

Hallo,

zwar habt ihr schon eine Odyssee hinter euch, was Beratungen angeht, aber ich würde euch trotzdem noch mal vorschlagen, zu einem Kinderpsychologen zu gehen. Ich kenne deine Tochter zwar nicht, weiß aber, dass ihr Verhalten tatsächlich in ihrer Erkrankung begründet sein kann. Den Grund dafür herauszufinden ist nicht leicht, lohnt sich aber auf jeden Fall. Es passiert oft, dass Menschen nach einer Diagnose, die sie nicht verkraften, sich in den Augen der anderen seltsam benehmen und quasi ihr Benehmen "um die Krankheit herum" aufbauen. Das ist ein Selbstschutz, der ihnen auf lange Sicht eher schadet. Trotzdem ist es eine Bewältigungsstrategie für diese Menschen, aus der sie Kraft schöpfen. Für uns mag das paradox sein, ist aber ein weit verbreitetes Phänomen, das man Krankheitsgewinn nennt. Ich versuchs mal auf euch bezogen zu erklären: Deine Tochter findet evtl. die Diagnose belastend und fühlt sich dadurch minderwertig. Gleichzeitig weiß sie aber, dass sie nur mit der Krankheit existieren kann, also versucht sie alles, um trotzdem noch Anerkennung darüber zu bekommen, und definiert sich darüber. D. h. sie passt auch ihr Verhalten dem einer kranken Person an, wird auffällig, tranig oder was auch immer. Solches Verhalten kann man auch bei alten Menschen beobachten, die ihren Lebenssinn nur noch darin sehen, zum Arzt zu gehen und von ihren Krankheiten zu erzählen, weil sie ansonsten sehr einsam sind. Zwar können wir vielleicht dieses Verhalten nicht verstehen, aber wir sollten uns klarmachen, dass das eine Bewältigungsstrategie für sie ist, die für sie den größten Nutzen in ihrer Situation bringt.

Was könnt ihr konkret tun? Lass dir von eurem Kinderarzt einen Psychologen nennen, am besten wie gesagt einen Kinderpsychologen. Es kann sein, dass deine Tochter sich dagegen wehrt, aber du solltest darauf bestehen, weil die Situation ja eure ganze Familie belastet. Erkläre ihr in Ruhe, dass du ihr helfen möchtest, in der Schule besser zu werden und die Situation in den Griff zu bekommen, denn so kann es auf lange Sicht nicht weitergehen. Beim Psychologen wird dann überlegt, ob eine Einzeltherapie oder eine Familientherapie besser ist.

Es bedeutet übrigens nicht, dass ihr nicht in der Lage seid, mit eurer Tochter umzugehen, wenn ihr zum Psychologen geht! Ihr befindet euch in einer Krise, aus der auch kein anderer Familienverbund alleine herausfinden könnte. Das ist nicht leicht, deshalb ist es absolut legitim, sich jemand anderem zu öffnen und neue, bessere Strukturen für die Zukunft zu erarbeiten.

Ich wünsche euch viel Erfolg!

Viele Grüße,

Michaela