Problem von Anonym - 23 Jahre

Vergewaltigt vom Ex-Verlobten (2)

Hallo noch mal,

danke für die schnelle und liebe Antwort!
Ja, es war schwer es so weit zu schaffen. Ich weiß nicht woher ich die Kraft hatte. Teilweise war es wohl auch die Angst, dass irgendjemand mir etwas anmerken könnte. Ich hab mich total verstellt und tue das vor meiner Familie heute noch. Selbst meinem Freund verheimliche ich manchmal meine wahren Gefühle, weil ich mir schon selber auf die Nerven gehe ?
Im Grunde weiß ich selber ganz genau, dass er nicht damit davonkommen darf. Aber es ist komisch, kurz nachdem es passiert war (also so ca. ein halbes Jahr später noch) konnte ich kaum darüber sprechen, dann kam die Therapie und ich hab ohne Ende darüber gesprochen. Jetzt ist es irgendwie manchmal so als wäre das alles nicht mir passiert, sondern einer Freundin oder so. Ich hab also so einen gewissen Abstand gewonnen und will gar nicht mehr darüber reden, nicht weil es schmerzlich wäre, sondern weil ich es, wie gesagt, endlich geschafft habe es ruhen zu lassen. Wenn ich jetzt aber zur Polizei gehen würde, würde das vielleicht alles wieder hochkommen lassen und ich möchte mir das nur antun wenn es auch wirklich Wirkung hätte, denn würde die Polizei das überhaupt jetzt noch als Anzeige aufnehmen?
Ich meine, ich hab mich ja intensiv beschäftigt und auch von vielen Frauen gelesen, dass sie es schwer hatten mit einer Anzeige nach so langer Zeit und ohne Beweise durchzukommen, außerdem soll so eine Anzeigenaufname schon erniedrigend sein. Ich hab Angst davor und Angst vor ihm. Er wird ja nicht ewig im Gefängnis sitzen, wenn überhaupt und dann ?
Er ist nicht mehr der der er mal war. Außerdem würde die Polizei vielleicht nach seinem Freund fragen und von dem weiß ich nur den Vornamen und dass er aus dem Kölner Raum kommt. Und dann ist da noch die Sache mit dem Geld, dass ich ja nach zwei erfolglosen Versuchen es zurück zu überweisen jetzt ?behalten? habe. Wie soll ich das erklären? Macht mich das nicht unglaubwürdig?
Zu alldem kommt, dass alle meine Bekannten es nicht verstehen können, warum ich ihn nicht hasse und keine Rachegedanken hege. Meine beste Freundin sagt immer wenn der Name meines Ex fällt, dass sie ihn an meiner Stelle am liebsten umbringen würde. Ich hab solche Gefühle aber nicht und hatte sie auch noch nie. Ich hab eher Mitleid mit ihm und würde ihm am liebsten aus dem Drogensumpf helfen. Das ist doch nicht normal, oder?

Ich weiß schon, dass es sehr wichtig ist ihn nicht so ungestraft davonkommen zu lassen, auch weil er das was er mit mir gemacht hat auch noch anderen antun könnte, aber wenn ich nur daran denke fühle ich mich so kraftlos und leer. Mir dreht sich fast der Magen um wenn ich daran denke, das jemand völlig fremden zu erzählen während ich diesem Menschen gegenübersitze. Für mich war es immer total einfach darüber zu schreiben, aber darüber zu sprechen ist unglaublich schwer. Und dann auch noch einem Unbekannten. Das war ja schon bei meinem Therapeuten hart. Aber meine beste Freundin meinte, dass es vielleicht sogar besser wäre, wenn es ein Mann wäre und sie war dann auch beim ersten Gespräch auf meinen ausdrücklichen Wunsch dabei.

Aber ich hab mal vor ein paar Jahren eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aufgegeben und da durfte niemand dabei sein, während die Anzeige aufgenommen wurde. Ich glaub ich schaff das einfach nicht. Und dann wird die Polizei sicher alles ganz genau wissen wollen und zig Mal nachfragen. Ich weiß das ja noch von damals. Ich möchte einfach das was ich erreicht hab nicht durch so ein Gespräch gefährden.
Zudem ist es ja so, dass ich auch eine ganze Zeit lang Drogen genommen hab um das alles zu ertragen oder zu vergessen. Ich will mich da aus nichts rausreden. Ich weiß, dass es total falsch war. Wenn ich also alles erzähle werde ich auch das mit den Drogen nicht auslassen können, was ja eine Straftat ist. Was wenn er am Ende davonkommt, weil ich keine Beweise habe aber ich für den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz belangt werde? Kann das passieren?
Alles was ich möchte ist Normalität. Das sag ich meinem Ex und allen die es wissen auch immer wieder. Ich will nicht wie ein rohes Ei behandelt werden, ich will aber auch nicht vorbestraft sein ?
Das ist übrigens auch so ein Problem: Nur wenigen Leute gelingt es wirklich mich zu behandeln wie davor, bei manchen kommt es mir auch vor als hätten sie Schuldgefühle mir gegenüber ?
Liebe Grüße

Anwort von Sabine

http://mein-kummerkasten.de/101999/Vergewaltigt-vom-Ex-Verlobten.html

Hallo!

Ja, ich kenne das Gefühl, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist. Men denkt, dass es gar nicht ein eigener Teil des Lebens ist oder war, sondern man es nur irgendwo gehört hat. Ich denke mal, es ist ein Teil des Verarbeitens. Vergessen kann man sowas wohl nie, aber man kann lernen damit zu leben. Man vergisst auch schon Details, die unmittelbar nach der Tat noch so eingeprägt waren, wie ein schlechter Film.

Sicherlich kann man nachträglich auch Anzeige erstatten und ein Verfahren ins Rollen bringen, aber sicherlich hast Du auch Recht, wenn Du sagst, dass es nicht ganz so einfach wird. Alleine schon wegen der Beweislage. Wahrscheinlich stünde Aussage gegen Aussage. In so einem Fall könnte man sich anwaltlich beraten lassen. Ein guter Anwalt (Fachanwalt für Strafrecht) wird Dich da durchziehen und Dein Recht erkämpfen. Er kann Dir aber auch dann bei der Beratung schon sagen, wie Deine Erfolgsaussichten stehen. Wenn Du ehrlich erklärst, wie es ist oder war, dann wird auch nichts fragwürdig sein. Sicherlich gibt es auch für diese Dinge einen Beweis, was das Geld angeht.

Das Du Mitleid mit ihm hast, kann ich auch nicht nachvollziehen. Mitleid ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich hätte es anders formuliert. Ich hätte vielleicht gesagt, dass man es zu bedauern ist, was für ein armer Wurm er ist. Helfergefühle könnte ich auch nicht entwickeln. Er ist für sein Leben verantwortlich und er hat Mist gebaut und er sollte zusehen, wie er da wieder rauskommt. Nein, kein Mitleid. Aber ich verstehe ein wenig, was Du damit sagen willst. Nur helfen solltest Du ihm bitte nie. Der Gedanke ist ok, aber bitte nie umsetzen. Du hast wahrscheinlich ein stark ausgeprägtes Helfersyndrom. Das ist keine Beleidigung. Du wärst wahrscheinlich eine super liebe Mutti. So stelle ich mir das vor.

Ja, der Gedanke, dass er es wieder jemanden antun könnte, ist erschreckend. Menschen, die sowas tun, die haben eine Hemmschwelle übertreten und wenn keine Strafe auf das folgt, was sie getan haben, dann werden sie es vielleicht wieder tun. Sie denken sich dann vielleicht "hat sich beim ersten Mal auch keiner beschwert". Dieser Gedanke ist erschreckend und ein Grund mehr, es unbedingt zur Anzeige zu bringen. Damit werden auch andere Frauen geschützt. Die Ex-Frau meines Ex-Freundes hatte es nicht zur Anzeige gebracht. Somit konnte es nie einer erfahren.Er wurde nie dafür bestraft und folglich war ich zweites Opfer. Wenn ich heute darüber nachdenke. Schrecklich. Dein Gedankengang war ganz genau richtig. Ja, so kann es passieren. Dafür kann man niemanden verantwortlich machen, denn der eigentliche Fehler liegt beim Täter und nicht beim Opfer. Trotzdem wäre es besser, wenn man reagiert, damit sowas nie wieder passiern kann. Wenn er aus dem Gefängnis kommt, dann wird er sich hüten die nächste Tat zu planen, da er dann genau weiß, dass er dann Wiederholungstäter wäre und erneut für viel längere Zeit sich die Welt von der anderen Seite ansehen muß. Ich denke mal, dass Häftlinge in der Anstalt betreut werden und auch behandelt, wenn sie, wie hier der Fall, mit Drogen zu tun haben oder einer Sucht auch unterliegen. Psychologische Betreuung ist auch gegeben, soweit ich weiß. Oftmals - manchmal kommen sie geheilt zurück.

Was Deine Fragen zu den Drogen angeht und die Vernehmung, die dann erfolgen würde, kann ich Dir leider keine Auskunft geben. Das sind rechtliche Fragen, die ein Anwalt mit Dir besprechen sollte. Du kannst übrigens auch eine Anzeige bei einem Anwalt abgeben. So hast Du die Wahl, wenn Du nicht zur Polizei gehen möchtest. Er reicht dann die Anzeige für Dich bei der Staatsanwaltschaft ein. Jedoch wirst Du auch mit ihm oder ihr alles besprechen müssen oder bei einer Anhörung. Du hast Recht. Die Aussage wird teilweise detailliert sein.

Im Endeffekt bleibt es Deine Entscheidung, wie Du vorgehst und was Du unternimmst. Ich denke mal, dass Du Deinen richtigen Weg finden wirst um Frieden und Ruhe zu finden. Man kann Dich nicht zwingen und man kann Dir auch nichts vorwerfen. So eine Aktion ist nicht leicht und es sollte gut überlegt sein. Der erste Schritt ist sowieso immer der schwierigste und deswegen würde ich Dir doch eher dazu raten, dass Du vorab ein Beratungsgespräch bei einem Anwalt ausmachst. Er kann Dir unbeantwortet Fragen benatworten. Ihm kannst Du alles erzählen und anvertrauen. Er hat Schweigepflicht und wird nichts unternehmen ohne Deine Zustimmung.

Ich wünschte, ich könnte Dir mehr helfen, aber leider sind auch mir hier die Hände gebunden. Ich verstehe sehr gut, was in Dir vorgeht. Es tut weh und es belastet. Du hast jedoch auch gelernt gut damit umzugehen und teils zu leben. Eine Restangst bleibt immer. Die kann einem niemand nehmen.

Das wir uns darüber unterhalten haben, war schon wieder ein Stück weiter und ich kann mir auch vorstellen, dass es Dir wieder ein wenig geholfen hat. Ich hoffe es zumindest.

Lieben Gruss
und denke nicht soviel nach. Du hast schon soviel erreicht.