Problem von Anna - 18 Jahre

Meine Familie ist zerbrochen

hallo!

ich habe das gefühl, dass mir meine probleme im moment über den kopf wachsen... ich fang mal vorne an.
also meine eltern haben sich getrennt, als ich 6 jahre alt war. mein vater hat sich aus dem staub gemacht, u.a. weil ich einen schwerbehinderten bruder habe und er ihn nicht als seinen sohn anerkannt hat.
ich bin bei meiner mutter aufgewachsen, zusammen mit meiner 3 jahre älteren schwester und wir waren auch oft bei meiner oma, weil meine mutter berufstätig ist und sich auch um meinen bruder kümmern musste.
mein vater hat versucht, nach 5 jahren kontaktlosigkeit, wieder eine beziehung zu mir und meiner schwester aufzubauen (mein bruder existiert für ihn nicht) und ich verstehe mich mittlerweile wieder ganz gut mit ihm (hat aber auch lange gedauert).
jetzt aber kommt mein problem: meine schwester und ich reden seit 2 monaten kein wort mehr miteinander, weil sie es glaube ich nicht aushält, dass ich mich wieder gut mit meinem vater verstehe und sie nicht (er hat aber versucht, kontakt zu ihr aufzubauen und sie hat ihn abgewiesen). Sie ist gewalttätig (es gab noch keine gravierenden vorfälle, aber in manchen situationen habe ich wirklich angst vor ihr, weil sie vollkommen außer kontrolle gerät). ich finde es unfair von ihr, dass sie mich verachtet, nur, weil ich meinen vater mag! sie wirft mir vor, ich würde nur nett zu ihm sein, weil er mit materialistisch gesehen, alle wünsche erfüllt, aber das ist nicht wahr, ich will viel lieber einen richtigen vater, als ständig geld oder so, aber das sieht sie gar nicht!
ich glaube auch, dass meine schwester eine therapie braucht, weil sie nicht über den verlust des vaters hinweg ist, aber ich kann darüber nicht mit ihr reden, weil sie mich dafür hasst, dass ich meinen vater liebe...
meine mutter hat seit kurzem einen neuen freund und will mir immer von ihm erzählen (wir haben uns eigentlich immer sehr gut verstanden). ich möchte aber eigentlich gar nichts von ihm wissen (das ist glaube ich egoistisch von mir) und wenn ich versuche, ihr das zu erklären, sagt sie, dass sie enttäuscht von mir ist, weil ich ihr den freund nicht gönne. dabei stimmt das gar nicht - ich gönn ihr den freund, aber ich will nichts mit ihm zu tun haben! das ist doch in ordnung, oder? obwohl er eigentlich ganz nett ist, kann ich ihn nicht leiden, nur, weil er der neue freund meiner mutter ist... aber das kann meiner mutter doch egal sein, ob ich ihn mag oder nicht... sie ist nur so verändert, seit sie ihn kennt... wenn er mal nicht anruft, dann ist sie gleich deprimiert und schlecht gelaunt (und jammert mich voll), 5 minuten später ruft er an und sie ist total glücklich... das ist doch keine liebe, oder? für mich sieh das aus, wie eine traurige abhängigkeit. der neue freund meiner mutter hat auch noch krebs und ich habe angst davor, dass sie komplett depressiv wird, wenn er sterben sollte (die krankheit ist schon relativ weit fortgeschritten)
mein bruder ist jetzt in einem behindertenheim und ich glaube nicht, das es ihm da so gut geht, aber meine mutter hat sich einfach nicht mehr um ihn kümmern können. jetzt, wo er weg ist, fährt sie ganz oft in den urlaub und genießt die neue freiheit (das ist ja auch in ordnung), aber ich hasse das heim, in dem mein bruder ist...es kommt mir so vor, als ob wir ihn dahin abgeschoben hätten... es ist so, als ob meine mutter sich von einer last getrennt hätte, aber diese last ist doch mein bruder! sie ist glücklich, dass er im heim ist, aber mir tut er leid!
ich verstehe mich nicht mehr gut mit ihr und bin schon genervt, wenn ich sie nur sehen, obwohl sie gar nichts spezielles tut!dann mecker ich sie an und sie ist sauer und wirft mir vor, in letzter zeit launisch zu sein (da hat sie ja auch recht...)
außerdem glaubt sie, ich würe zu wenig essen und zu viel trinken, was mich mittlerweile wirklich nervt., ich bin dünn und mache viel sport - ok, das machen viele!ich esse zwar nicht übermäßig viel, aber genug aber ständig will sie mich kontrollieren oder wenn ich keinen hunger habe, dann guckt sie mich ganz genau an... dabei kann sie mir doch zutrauen, dass ich in der lage bin, richtig zu essen, oder? und ich trinke zwar nicht wenig, aber auch nicht so viel, wie andere, die ich kenne!
es ist irgendwie alles blöde im moment: meine mutter hat jetzt jemanden gefunden, mit dem sie immer weggeht, meine schwester redet nicht mit mir, mein bruder ist im heim und mein vater wohnt wo anders. ich hab das gefühl, dass meine familie komplett kaputt ist und ich alleine übrig geblieben bin.
meine freundinnen sind wirklich sehr lieb, aber sie können mich nicht verstehen, weil ihre eltern nicht getrennt sind und ich rede mit ihnen nicht über meine probleme... ich will sie nicht belasten und sie würden bestimmt total überfordert sein. ich würde sie quasi mit runterziehen und das will ich nicht.

ich hätte nur gerne eine objektive meinung von jemand außenstehenden, wie er das sieht. wie kann ich mich meinem vater/ meiner schwester gegenüber verhalten? ich will beide lieben, aber das ist schier unmöglich...

ist es in ordnung, wenn ich mich nicht für den neuen freund meiner mutter interessiere? hat jemand von euch vielleicht ein ähnliches problem?

vielen dank im voraus - auch wenn ich keine antwort bekomme, hilft es mir schon sehr, einfach mal alles aufzuschreiben!

liebe grüße,

anna

Anwort von Sylvia

Grüß dich Anna,

das ist ja wirklich keine leichte Situation gerade für dich. Und ich muss ehrlich sagen, ich kann jede Seite irgendwie verstehen.

Zunächst mal zu deiner Mutter: Ich finde nicht, dass es eine traurige Abhängigkeit ist, sondern sie fiebert einfach dem Moment entgegen, in dem er sich meldet. Hast du dem Mann denn schon eine richtige Chance gegeben? Du sollst ihn ja nicht lieben oder Freundschaft mit ihm schließen, aber allein der Aspekt, dass er deine Mutter glücklich macht, sollte eigentlich Grund genug sein, ihm wenigstens eine Chance zu geben. Du musst mal versuchen, das Ganze aus der Sicht deiner Mutter zu sehen. Ihr Leben scheint bisher auch nicht gerade rosig gewesen zu sein. Das Glück hat sie sich jetzt auch mal verdient. Ich kann schon nachvollziehen, dass er Dir nicht passt, aber meinst du nicht das du dich wenigstens arrangieren kannst?

Wegen deiner Schwester: Ich denke, sie möchte vielleicht doch in ihrem Unterbewußten, eine Beziehung zu eurem Vater. Aber vielleicht kann sie einfach nicht, traut sich nicht, aus Angst wieder enttäuscht zu werden. Jeder Mensch ist verschieden. Meinst du, du kannst mit ihr reden und versuchen ihr zu zeigen, dass du sie verstehst, ihr auch erklären, dass du nicht aus materiellen Gründen mit deinem Vater Kontakt hast. Das sie keinen Kontakt möchte, war ihre Entscheidung. Dafür kann sie dich nicht verantwortlich machen, aber evtl. hilft ihr zu wissen, dass sie verstanden wird.

Dein Bruder: Ich finde es schwer, Dir das Richtige zu sagen. Denn wie oben schon gesagt, ich kann beides verstehen und auch da möchte ich dich bitten, alles mal aus Sicht deiner Mutter zu sehen. Ich weiß nicht wie schwerwiegend seine Behinderung ist. Aber es gibt leider Menschen, die kann man nicht zu Hause pflegen. Und irgendwann ist die Kraft eines jeden Menschen auch erschöpft und aufgebraucht. Ich denke nicht, dass die Entscheidung deiner Mutter leicht gefallen ist. Aber vielleicht ging es einfach nicht mehr anders. Rede mit ihr darüber. Du hast ja auch ein Recht, die genauen Umstände zu erfahren, es ist ja dein Bruder. Du kannst auch ruhig mal sagen, dass du dir Gedanken wegen dem Heim machst in dem er ist.

Ich kann mir denken, dass deine Freunde vielleicht nicht wissen, was sie Dir raten sollen. Aber manchmal geht es auch gar nicht darum. Manchmal hilft es auch wirklich sich einfach mal irgendwo auszureden. Dafür sind Freunde auch da.

Liebe Grüße
Sylvia