Problem von Anonym - 26 Jahre

Komplexe

ich möchte erst beschreiben,wie mein Leben in groben Zügen bisher verlaufen ist,denn es gibt niemanden,dem ich bisher alles erzählt habe:
es fängt damit an,daß ich vom Windelalter bis zum 9.Lebensjahr ca. 3x im Jahr für 2Wochen zu meiner Oma(väterlicherseits) in die Ferien geschickt wurde.Sie war "Zeugin Jehovas"und wir mußten natürlich täglich in der Bibel lesen,wurden von Tür zu Tür geschickt und mußten die ganz braven Kinder spielen(mein älterer Bruder+ich).Für die Zeit,die wir wieder zu haus bei Mama waren(Vater verließ uns,als ich ca.3-4 J. war)hatten wir Verbot,mit "weltlichen Menschen"(also unserem gesammten Umfeld)Kontakt zu haben,geschweige denn zu reden.Natürlich haben wir uns nie daran gehalten,denn damals war ich noch sehr Kontaktfreudig.Schnell habe ich gelernt,in den Ferien bei ihr sozusagen einfach einen "Schalter" im Kopf zu drücken,der mich sofort wieder in das brave Mädchen verwandelte,daß sie so gerne sehen wollte(ich hatte sehr großen Respekt oder eher Angst vor ihr,auch meiner Mutter traute ich mich nicht,davon zu erzählen)Es war sozusagen ein Doppelleben,was ich in so jungen Jahren führte.
Ich hatte sehr früh sexuelle Interessen,bereits bevor ich 9 J. war.
Nachts,wenn Oma schlief,fingen mein Bruder+ich irgendwann an,uns miteinander sexuell zu befriedigen.es war mehr sich dabei zuzugucken,ganz wenig anfassen,aber trotzdem haben wir uns angefasst und das ist mir bis heute peinlich.Wenn wir bei Mama waren,taten mein Bruder+ich,als wär das nie passiert,wir hatten kein Interesse,das zu haus zu wiederholen,geschweige denn,das überhaupt zu erwähnen.Sobald wir wieder bei Oma waren,ging's wieder los(wir waren dort wirklich total andere Menschen).Bis heute haben mein Bruder+ich nie darüber geredet auch nicht miteinander.
Das ist schonmal der erste Abschnitt meines Lebens,den ich für äußerst unnormal halte!
Das nächste ist: Ich hatte so gut wie keinen Kontakt zu meinem Vater,seit er weg war(er wohnte allerdings im Nachbarhaus),bis ich ca 12 Jahre alt war,da wollte mein Vater mit meinem Bruder+mir in Urlaub(mein Bruder war 1Jahr zuvor mit ihm allein im Urlaub+wollte aus Gründen,die mir bis heute nicht bekannt sind nicht nochmal mit ihm los)also hätte ich allein mit ihm in Urlaub müssen.Meine Mutter wollte das nicht,sie wollte,daß die Tochter eines bekannten(11 J. alt) mitkommt,sie wollte mich nicht allein mit ihm fahren lassen(vor ein paar Jahren erzählte sie mir warum:Sie hatte irgendwie ein ungutes Gefühl.)Ich war wie schon erwähnt, sehr frühreif,hatte in dem Alter schon fast ausgewachsene Brüste und Scharmbehaarung.Wie sich im Urlaub herausstellte,war mein Vater echt scharf auf mich.Hat mich ständig am Po gepackt(er fand's super witzig)hat mir auf die Brüste gestarrt.Er hat mich nicht richtig mißbraucht(ich glaube,bei der Wut,die ich in mir hatte,hätte ich ihm auch sonstwas angetan,wenn er's versucht hätte)
Nach dem Urlaub wollte ich nie wieder was mit ihm zu tun haben.Alles was er in mir zurückgelassen hat,ist der Gedanke:Sogar mein Vater liebt mich nicht,er will mich nur poppen!(was ich über die meisten Männer denke)
Das nächste:
ich muß so 13Jahre alt gewesen sein.ich verbrachte meine ganze Freizeit auf einem Reiterhof,trainierte Rennpferde für einen ca.43 jährigen Mann.Wir tranken am Wochenende gerne Alkohol alle zusammen(ca.30 Leute waren wir)auf einer Feier saß der Mann die ganze Zeit neben mir und schenkte Schnaps nach,immer wieder.Ich war so betrunken,daß ich nur noch spucken mußte,ich kann mich nur bruchteilhaft daran erinnern.Es sind nur kleine Szenen,die ich im Kopf habe.Er rief nacht meine Mutter an:Es gehe mir gut,aber ich müßte dort mit vielen anderen übernachten.
es schliefen auch viele dort.Nachts wachte ich immer wieder kurz auf und merkte,daß er nackt neben mir lag und mich heftigst befummelte(natürlich war ich noch Jungfrau)wenn ich kurz zu mir kam,war ich wie versteinert.Ich konnte weder was sagen,noch mich bewegen.Es war zwischendurch sehr schmerzhaft.Am nächsten Morgen war meine Unterhose blutverschmiert,also gehe ich davon aus,daß er mich wohl entjungfert hat.
Niemals habe ich mit jmd darüber gesprochen,weil ich immer Angst hatte,man könnte mir bestätigen,was ich selbst dachte:Ich bin selbst schuld daran,denn ich hätte ja schreien,aufspringen oder irgendwas dergleichen tun können(wirklich,ich war wie versteinert)
Danach bin ich noch oft mit dem Mann alleine im Auto zu Rennen gefahren,er versuchte oft mich darauf anzusprechen und mich anzumachen,ich tat immer so,als wüßte ich von gar nichts,was er mir auch glaubte.Ich hatte Angst es würde ihn wieder heiß machen und das hätte es bestimmt auch.
Bis heute denke ich fast täglich daran,es ist immerhin 13Jahre her.
Ich stelle mir oft vor,wie es wäre,ihm heute zu begegnen.Ich würde ihm die Eier zerschlagen und ihn vor all seinen Freunden demütigen!
Ich weiß allerdings nicht,ob mir das helfen würde.

Ich vermute,daß all der Scheiß,der in meinem Leben passiert ist,mich zu dem gemacht hat,was ich heute bin.
Ich bin oft sehr gefühlskalt,habe Angst,Menschen zu zeigen,wie ich wirklich bin,weil ich Angst vor Ablehnung habe.
Ich mag viele der Menschen um mich rum so unheimlich gerne,aber oft kann ich das einfach nicht zeigen.Ich merke,wie eine Mauer um mich rumgebaut ist.Ich isoliere mich oft.Ich kann mir oft gar nicht vorstellen,daß man mich so mögen kann,wie ich bin.
Ich habe einen supersüßen Freund,den ich über alles liebe und ich weiß,er liebt mich auch(auch er kennt nicht meine ganze Geschichte+ich denke das ist auch besser so)Mein voriger Freund kannte nur kleine Andeutungen und bekam natürlich meine Komplexe mit,was er im Streit oft gegen mich verwenden konnte,was ich nicht noch einmal erleben will!
Was mein jetziger Freund davon mitbekommt ist,daß ich,wenn wir uns mit Freunden treffen wollen immer so aufgeregt vorher bin,daß es mir super schlecht geht( Kreislauf dreht durch,mir ist so schlecht,daß ich nix essen kann,ich habe Durchfall+Schweißausbrüche).
Alle sind nett zu mir,wenn wir erstmal dort sind,geht's mir besser und ich bin froh,daß ich mitgekommen bin.Doch oft überkommt mich irgendwann dann wieder so ein komisches Gefühl,daß ich mich deplaziert fühle und am liebsten ganz allein im Erdboden versinken würde.Dieses unerwartet auftretende Gefühl ist glaub ich auch das,was mir bevor wir überhaupt losfahren schon so eine Angst macht.
Ich möchte nicht,daß meine Probleme auch noch meinen Freund belasten oder noch schlimmer,ihn irgendwann verscheuchen.
Ich träume davon,ein ganz normaler Mensch zu sein,der unbeschwert durchs Leben geht,ohne sich ständig Gedanken machen zu müssen,ob er von seiner Umwelt akzeptiert wird und ständig Probleme zu sehen,wo keine sind(die auch nie jmd nachvollziehen kann).
Ich möchte mich einfach nur mit Freunden treffen können,ihnen zeigen können,wie gern ich sie habe und ich hoffe irgendwann bin ich an dem Punkt.

Ich habe oft daran gedacht,mir professionelle Hilfe zu holen,habe mich aber noch nie getraut den nächsten Schritt zu machen.
Ich würde mich sehr über eure Meinung dazu freuen.

Anwort von Sabine

Hallo!

Es tut mir leid, was Du erlebt hast. Ich kann mir denken, dass es Dir im Kopf herumschwirrt und Dich nicht loslässt. Soetwas lässt einen auch nicht los und man kann sowas auch nicht vergessen. Man kann lernen damit zu leben, aber man kann es nicht vergessen.
Du hast geschrieben, dass Du mit Deinem Freund bisher noch nicht über diese Dinge gesprochen hast, wie hier bei uns. Ich überlege gerade, ob es nicht vielleicht das Beste für Dich wäre, wenn Du es tu würdest. Es gibt bestimmt und mit Sicherheit reichlich Situationen, wo es immer wieder in Dir hochkommt und er sich nicht erklären kann, wieso es so ist. Wenn Du Deinen Freund aber liebst und er Dich doch auch, denn finde ich, hat er auch das Recht dieses von Dir zu erfahren. Ob Du es im Endeffekt machst, das bleibt Dir überlassen. Ich kann Dir nur aus eigenen Erfahrungen sagen, dass die Menschen besser mit einem umgehen können, wenn sie auch verstehen, was in einem vorgeht und warum man so reagiert.
Fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen ist gar nicht so schwierig und Du solltest gar nicht so sehr davor zurückschrecken. Viele Menschen sind dankbar für die psychologische Hilfe, wenn sie sie bekommen können. Du könntest den Weg über den Hausarzt wählen oder direkt bei einem Psychologen anrufen und mal nach einem Besprechungstermin fragen. Beide haben absolute Schweigepflicht und es bleibt bei ihnen. Niemand wird davon erfahren.
Ich hatte den Anschein, aufgrund Deiner langen Mail, dass es Dir richtig gut tat, es Dir einmal von der Seele zu schreiben. Und glaube mir, ich kann es nachvollziehen.
Den Hass, den Du auf den Menschen,der Dir das damals angetan hast, kann ich nachvollziehen, doch Selbstjustiz ist nicht angebracht. Du hast mit Sicherheit keine Schuld an dem, was passiert ist. Er hat es getan ohne Deine Einwilligung. Auch wenn Du nicht aufgesprungen bist und weggelaufen, trifft Dich mit Sicherheit keine Schuld. Oft ist der Körper so geschockt von dem, was passiert, dass man gar nicht reagieren kann. Zumal auch noch Alkohol mit ihm Spiel war. Er, dieser Mann, der hätte Dich nicht anfassen dürfe. Er hat widerrechtlich gehandelt und nicht tu. Darüber solltest Du Dir im klaren sein. Klar, kann man sagen, wenn, wenn wenn, aber Du bist mit Sicherheit nicht Schuld an dem was passiert ist.
Ich möchte Dir, wie gesagt, raten mit jemandem zu sprechen. Deinem Freund, fachlicher Hilfe oder einer Freundin. Wie auch immer, aber bitte versuche es nicht alleine mit Dir auszumachen. Es kommen nur tausende von Fragen und Unruhe in Dir auf, die Dich nur noch mehr verunsichern können.
Den ersten Schritt, den hast Du doch schon getan. Du hast es uns geschrieben und wir sind doch im Grunde fremd, aber wir sind für Dich da und wir hören Dir zu und ich denke, genau das ist es, was Du brauchst um wieder zu Dir zu finden und das zu werden, was Du so gerne sein möchtest.

Lieben Gruß.