Problem von Anonym - 24 Jahre

Egoismus

Hallo,

seit einem ? Jahr bin ich in einer sehr wechselhaften Beziehung zu einem gleichaltrigen Mann (wir beide werden diesen Sommer 25 Jahre alt und sind demnach vom Sternzeichen Löwe, welchen Einfluss das auch immer tatsächlich auf unsere Beziehung haben mag.)

Ich hole zur Zeit mein Abi im zweiten Bildungsweg nach, habe vorher aber auch eine Ausbildung erfolgreich absolviert. Mein Freund hat das Abitur abgebrochen, weil er mit den Lehrern nicht zurecht kam und die es, laut seiner Aussage, auf ihn abgesehen hätten und ihn nicht bestehen lassen wollten. Eine Ausbildung hat er abgebrochen, weil er zu große Konflikte mit dem Chef hatte. Beim Bund nahm er damals seine Wunschausbildung nicht an, wegen einer Beziehungskrise mit seiner festen Freundin. Er hat also keine Berufsausbildung und schlägt sich mit Jobs durchs Leben, an die er unrealistisch hohe Erwartungen stellt. Eine neue Ausbildung anzufangen ist ihm nach eigener Aussage zu mühselig.

Bisher haben stets die Frauen ihn verlassen. Für ihn richtige Gründe dafür weiß er keine. In Streitsituationen mit mir brüllen wir uns regelmäßig an und es fließen viele Tränen dabei. Fast immer (jedes Mal, wenn wir bei mir zu Hause streiten) will er jede Zelte abbrechen, die Beziehung beenden und ohne den Konflikt auch nur ansatzweise gelöst zu haben gehen. Jeder Streit artete bisher immer dazu aus, dass er anfing an der Beziehung zu zweifeln bzw. wollte von mir wissen, ob ich daran zweifle oder ob es überhaupt noch Sinn mache diese Beziehung aufrecht zu erhalten. Bestraft fühlte ich mich von ihm jedes Mal durch Liebesentzug, kalte Unnahbarkeit und Verschlossenheit.

Haben wir uns beide wieder etwas beruhigt lenkt er in der ?softeren? Auseinandersetzung meistens ein und sieht in unserer Beziehung doch eine Zukunft. Fast jeder Streit nimmt nach dem Höhepunkt eine Wende in seine Richtung. Das heißt, dass er anfängt über sich und seine Sorgen zu reden, sich aber kaum noch auf das eigentliche Thema bezieht. Möchte ich mit ihm über Dinge sprechen die mich belasten, wertet er diese schnell herab, indem er seine Sorgen hervorhebt. Konkreten Problemlösungsversuchen geht er dabei oft aus dem Weg, in dem er mich versucht zu beruhigen mit: ?Das wird schon wieder?, ?Das kriegen wir/du schon hin.?, etc. Oder er erzählt mir von sich. (Meine Probleme kriege ich trotz seiner "Beruhigungen" doch allein gelöst. Er bietet sich im Nachhinein auch nicht nochmal als Hilfe an.)
Er lenkt Gespräche, Diskussionen oder den eigentlichen Streit in seine Bahnen und formt es sich so, dass wir letztendlich über ihn reden. Er ?überschüttet? mich mit sich und ist meiner Person gegenüber unsensibel. Er rückt sich selbst in den Vordergrund und ist sehr mitteilsam was seine eigene Person betrifft. Auch typisch für ihn: er kritisiert schnell und sehr selbstbewusst andere Menschen, Freunde etc. kann selbst aber sehr schlecht mit Kritik gegen sich umgehen.
Ein Beispiel zum verdeutlichen einer allgemeinen Situation: Wir gehen z. B. in einen Buchladen, um zu stöbern. Sobald er gefunden hat, was er sucht oder nicht mehr stöbern will, möchte er mit mir den Laden verlassen ungeachtet dessen, ob ich gefunden habe was ich suchte oder nicht. Gebe ich ihm nicht sofort nach wird er ungeduldig und übellaunig oder ihm schmerzen plötzlich die Füße oder er hat die ?Nase voll?und ihm ist alles zu viel. So verhält es sich in jeder Lokalitätä mit ihm.

In meinem Kolleg hatte ich letzten Donnerstag meine erste Theateraufführung. Sie war das Ergebnis vieler harter und guter Probentage des Kurses Darstellendes Spiel. In diesem Stück habe ich eine relativ große Rolle gespielt. Für mich alles sehr wichtig und von großer Bedeutung. Ich habe meinem Freund in der Probenzeit von diesem Stück, meiner Rolle und von Fortschritten erzählt. Ich sagte ihm auch, dass ich mich freuen würde, wenn er zur Aufführung käme. Er versprach zu kommen. Meine Familie machte alles möglich um pünktlich vor Ort zu sein und das gesamte Stück sehen zu können. Mein Freund hat es nicht geschafft rechtzeitig zu Beginn da zu sein und kam 20 Minuten zu spät. Dabei hat er einen kürzeren Anfahrtsweg als meine Familie und keine berufliche Verpflichtung, die ein pünktliches Erscheinen unmöglich gemacht hätten. Durch sein zuspät kommen verpasste er meinen Hauptauftritt. Auf mich wirkt das sehr desinteressiert an den Dingen die mir wichtig sind. Seine für ihn wichtigen Hobbies und Interessen respektieru und akzeptiere ich doch auch vollkommen und ich schenke ihm dafür meine Aufmerksamkeit. Erwarte ich dann im Gegenzug von ihm etwa zu viel?

In einem Satz: Ich finde das Verhalten meines Freundes sehr egoistisch.

Allerdings verläuft unsere Beziehung ja auch gut, sonst wäre ich ja nicht mit ihm zusammen. Wir kuscheln viel und können uns über neutrale Themen locker und gut unterhalten. Wir unternehmen viel zusammen oder machen uns schöne gemütliche Abende zu Hause. Er kocht für mich, schenkt mir ab und an Rosen oder überrascht mich mit anderen kleinen Aufmerksamkeiten. Im Bett läuft es bestens und er geht auf mich ein. Unsere Beziehung hat bisher bereits so ziemlich alle Höhen und Tiefen im zweisamen Miteinander erlebt. So schön und intensiv unsere Beziehung sein kann, trifft es leider auch im umgekehrten Falle zu.

Von Schuld will ich mich gar nicht frei sprechen. Auch ich trage meinen Teil dazu bei, dass es so zwischen uns läuft. Vermutlich bin ich zu nachsichtig und verständnisvoll und lenke deswegen schnell ein. Vielleicht gebe ich ihm das Gefühl, dass ich schon irgendwie alles verstehe und akzeptiere, was ihn betrifft. Mir ist Harmonie sehr wichtig. Um diese zu wahren, gehe ich schnell viele Kompromisse ein. Ich ?haue selten mit der Faust auf den Tisch? und setze ihm wahrscheinlich zu selten konkrete Grenzen im Umgang mit mir. Vielleicht äußere ich auch nicht deutlich genug was mir nicht gefällt?

Aber wie kann ich da jetzt, wo es mir so stark auffällt und mich stört, etwas ändern? Er ist ein gebranntmarktes Kind, hatte kaum eine Kindheit und erlebte diese mit vielen Aufs und Abs. Von seiner Familie hat er kaum einen wirklichen Halt, nur wenig emotionale Zuwendung und kaum positive Bestätigung für seine Fähigkeiten und Fertigkeiten erfahren. Er wurde oft für die Zwecke und Belange anderer missbraucht und ausgenutzt. Kann das Grund für seine Selbstüberschätzung in beruflichen Ansprüchen und Konfrontationsangst gegenüber Konflikten sein? Was kann ich tun, damit er auch auf meine Bedürfnisse Rücksicht und sich selbst mal zurück nimmt? Oder sind wir vielleicht doch zu verschieden und es kann gar nicht funktionieren? Erwarte ich zu viel von ihm / von mir? Wie kann ich ihm klar machen, dass er vor Konflikten oder Anstrengungen nicht ständig davon laufen, sondern auch mal etwas konkret anpacken soll?

Ich hoffe, ihr konntet meine Sorge erfassen und könnt mir einen Rat geben, der mich einer möglichen Problemlösung wenigstens etwas näher bringen kann. Oder betrachte ich die Situation aus einem zu verworrenen Blickwinkel, dabei wäre alles ganz einfach?

Ach, ich weiß es nicht...

Für jede Hilfe von euch bin ich sehr dankbar.

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Ich denke, Du hast die Wahl:
- Du nimmst ihn, zusammen mit seiner Art mit Konflikten umzugehen bzw. nicht mit ihnen umzugehen an
- Du erkennst für Dich, dass Du einen anderen Menschen brauchst, der den Dingen nicht so aus dem Weg geht und seiner Partnerin mehr Aufmerksamkeit schenkt
- Du nimmst den Kampf auf und versuchst, ihn in diesen Dingen zu ändern. Ob das funktionieren kann oder wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Wenn nicht, greifen wohl wieder die ersten beiden Punkte

Manchmal frage ich mich ja, ob ich von meinen Freunden immer sehr viel erwartet habe - oder ob andere sehr viel ruhig ertragen können. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beiden. Ich habe auch jahrelang Theater gespielt - und ich hätte es sehr persönlich genommen, wenn mein derzeitiger Freund nicht zur Premiere erschienen wäre; oder eben so verspätet. Ich hätte und habe immer erwartet, dass auch ihm es wichtig ist. In meiner Beziehung hätte es einen Krach nach sich gezogen.

Aber zurück zum Kampf um die Veränderung: Sie kann nur dann passieren, wenn er es auch will. Das ist die Grundvoraussetzung. Erzähle ihm, wie es Dir geht, welche Gedanken durch Deinen Kopf schwirren, welche Punkte es sind, die Dir nicht behagen. Du fühlst zu wenig Aufmerksamkeit, wenn es um 'Deine Dinge' geht; möchtest mehr davon, möchtest auch eine starke Schulter und jemanden, der für Dich und Deine Sorgen da ist. Möchte er dieser jemand sein?

Vielleicht sieht er bis jetzt in Dir die starke Hälfte in der Beziehung, die das nicht braucht? Empfindet er Dich als stärker als er; seine Probleme als größer, tiefer, wichtiger? Dann setzt die Sorgen als erstes auf eine Stufe: Jeder hat seine Wichtigkeiten.

Wenn er vom Thema abkommt, plötzlich über sich erzählt, dann hole ihn zurück: Du, wir waren gerade bei mir / Können wir darüber später reden, ich hatte gerade begonnen, dir von *** zu erzählen. So in der Art. Du weißt, was Du erwartest - halte es selbst konsequent ein. Dein eigenes Verhalten in diesen Situationen kannst Du steuern versuchen, dass er gedanklich auch bei Dir bleibt.

Wenn Problem von ihm ignoriert werden, er den Dingen eher aus dem Weg geht als eine Lösung zu suchen - dann lasse ihn nicht. Das Thema bleibt, bis er sich darauf einlässt.

All das solltest ihr vorweg besprechen. Wie gesagt, erzähle ihm, was Dir aufgefallen ist, wo Du Veränderungen suchst. Wenn er dazu bereit ist, dann schlagt diesen Weg ein. Sage ihm, wie Du zukünftig in diesen Situation reagieren wirst, damit er ein Gefühl dafür bekommt. Ich denke nicht, das er aus Boshaftigkeit so handelt, sondern viel mehr, weil er es mit dem inneren Auge nicht so erfassen kann. Und genau dabei hilft, ihn in der Situation darauf aufmerksam zu machen.

Ein mühselige Beziehungsarbeit - ob Du sie leisten möchtest, wirst Du selbst entscheiden müssen.

Alles Gute!
Dana