Problem von Anonym - 20 Jahre

Identitätsproblem im Job

Hallo ihr,

schön, dass es euch gibt und erstmal vielen Dank an Andrea für die Antwort auf meine Frage zum Thema Streitschlichter. ein Feedback von mir habt ihr letztens auch reingestellt, kann mich also nicht beschweren. Hatte auch noch ein berufliches Problem geschickt, was nicht beantwortet wurde, wofür ich volles Verständnis hab. Leider hat sich dieses Problem nicht in Luft aufgelöst (wär auch merkwürdig), soll heißen ich bin da noch dran und komm nicht weiter, und es frisst einfach total an mir.

Ich versuche es diesmal klarer zu formulieren. Also: kurz gesagt bin ich in meinem jetzigen Job unzufrieden. Sitze in einem Supermarkt an der Kasse, und obwohl mir klar ist, dass das nicht für immer ist (es ist nicht mein Beruf, sondern eine Übergangslösung), komme ich mit diesem Job nicht zurecht. Es liegt nicht daran, dass ich ihn nicht kann oder keinen Spaß dran habe ( ein Übergangsjob muss keinen Spaß machen), sondern sozusagen an der Rolle, die ich da spiele. Hört sich lächerlich an, weiß ich. Es ist halt ne weibliche Rolle. Ich bin zurückhaltend, höflich und freundlich, die nette junge Frau an der Kasse halt. Ich spiele diese Rolle ziemlich gut. Und hasse mich dafür.
Ich muss dazu sagen, dass ich mich auf diesen Job nicht direkt beworben habe, sondern eher per Zufall darangeraten bin. Hatte mich auf eine Ausschreibung für Lieferservice beworben und bekam stattdessen diesen Job angeboten. Mit der Anmerkung, die Lieferanten seien meistens Männer, man müsse teilweise Kisten schleppen und ich sei zu zierlich. Bitte? Ich bin 1,67m, wiege 61kg und bin überdurchschnittlich fit und trainiert. Aber ich hab mich nicht getraut, zu widersprechen. Wollte einfach nur Arbeit sicher haben, um mich auf mein Abi konzentrieren zu können, und es war mir erstmal egal, was. Jetzt ist mir klar geworden, dass es eben nicht egal ist. Ich kriege dieses Jahr weder Studienplatz noch Lehrstelle und möchte damit auch warten, bis ich bestimmte Dinge aufgearbeitet und mein Leben im Griff habe; also muss ich länger überbrücken als zunächst angenommen. Mein Vertrag läuft aber erstmal nur noch einen Monat und dann muss ich die weichen neu stellen. Könnte wahrscheinlich weitermachen, aber mir ist klar, dass ich das nicht will. Diese Rolle schadet meinem Selbstwertgefühl (an dem ich ohnehin zu arbeiten hab) und in mir sträubt sich alles dagegen, mich davon abhängig zu machen - was ich aber vorhabe, da ich vorhabe, schnellstmöglich zuhause auszuziehen.

Klar, ich muss mich jetzt einfach nur auf einen anderen Job bewerben, Aushilfen werden immer mal gesucht, aber es hat mich schon Überwindung gekostet, mich für diesen Lieferwagenjob zu bewerben, und das Ergebnis hat mich eingeschüchtert. Ich möchte "Männerarbeit" machen, bekomme sie aber nicht, weil sie mir nicht zugetraut wird, und habe auch nicht den Mut, dann gegenanzureden - wenn ich nachher vielleicht doch was nicht schaffe, mach ich mich lächerlich. Habe wahnsinnige Angst, genau das zu bestätigen, was ich widerlegen will (ist mir schon passiert: Führerschein und Matheprüfung).

Kann auch über das Problem mit niemandem richtig reden: zum einen ist es ein Luxusproblem, sollte froh sein, dass ich Abitur und Arbeitsplatz überhaupt habe, und zum anderen kann ich nicht mit Männern drüber reden, weil meine Gedanken männerfeindlich sind und ich Angst hab, nicht ernstgenommen zu werden, und mit Frauen kann ich nicht reden, weil meine Gedanken auch frauenfeindlich sind und weil ich Angst hab, nicht verstanden zu werden.

Naja, ich hoffe, ihr könnt mit dem Wirrwarr etwas anfangen, und es wäre mir wirklich wichtig, dazu ne Stellungnahme zu hören, weil ich mich damit total alleine fühle und nicht weiterkomme.

liebe Grüße...

Dana Anwort von Dana

Grüße Dich!

Ich denke schon, dass Du darüber sprechen kannst und solltest, denn es beschäftigt und belastet Dich. Du musst keine männer- oder frauenfeindlichen Sprüche machen, sondern erzählen, wie es Dir geht, was Du Dir wünschst, was Du willst und erwartest.

Du fühlst Dich in dieser Rolle nicht wohl - also solltest Du Dir etwas suchen, was eher Deinem Ich entspricht. Bei dieser Bewerbung hat man Dir die Arbeit nicht zugetraut - das muss nicht zwangsläufig bei jedem anderen Arbeitgeber auch so sein. Du musst auch nicht kämpferisch dagegen angehen, sondern nur sagen: Ja, ich traue mir das zu.

Alles Gute!
Dana