Problem von Anonym - 22 Jahre

Eltern richten sich zu Grunde

Seit zehn Jahren geht es mit der Ehe meiner Eltern den Berg runter. Es sind viele Dinge vorgefallen, die ich nicht alle schreiben kann...Ich weiß nicht wo ich anfangen soll...Die Ehe meiner Eltern hat eigentlich nur noch Bestand, weil meine Mutter eine sehr leidensfähige Person ist. Vor ca. fünf Jahren erkrankte sie dann an Depressionen, auf Grund der Situation zuhause. Mein Vater ist Alkoholiker, arbeitslos, steht allerdings in der Öffentlichkeit. Niemand ahnt etwas. Seit Jahren führen die beiden ein zermürbendes Versteckspiel. Auf Veranstaltungen spielen sie das Ehepaar, während sie das eigentlich schon lange nicht mehr sind. Mein Vater ist auch psychisch krank. Es mag am Alkoholkonsum liegen, aber er ist cholerisch, ungepflegt und hat allen Realitätsbezug und den Sinn für das Normale verloren. Er kommt kaum noch nach "hause", schläft meistens in seinem "Büro", einer gemieteten 1-Zimmer-Wohnung in einer anderen Stadt. Wenn er doch mal nach hause kommt verbreitet er Unfrieden und tyrannisiert den Rest der Familie, will alles bestimmen und wenn es nicht nach seiner Pfeife läuft, rastet er aus.
Gestern ist es wieder mal eskaliert und ich habe wieder mal mit meiner verzweifelten Mutter gesprochen, sie solle sich endlich trennen. Denn so kann es nicht weitergehen. Irgendwann werden sie beide noch durchdrehen. Das meine ich ernst. Ich habe ihr gesagt, dass er sich nicht ändern wird. Man muss wissen, dass er früher anders war. Ein gutmütiger, humorvoller Mensch und zärtlicher Ehemann. Bis zu dem Zeitpunkt, wo er Probleme im Job bekam, wieder anfing zu rauchen und zu trinken. Das war vor ca. 10 Jahren. Es waren natürlich viele Faktoren, die zu dem heutigen Zustand führten. Meine Mutter gibt sich die Schuld und kann ihn nicht loslassen. Dazu kommt, dass sie Angst hat, dass er total unter die Räder kommt. Bis jetzt hatte er noch einen gewissen Halt, doch wenn er nun auch noch Mama und seine "Heimat", die er früher über alles liebte, verliert, weiß man nicht, was er sich antut, wenn er keinen Ausweg mehr sieht. Er ist (war) ein sehr stolzer Mensch, der Niederlagen nur schlecht einstecken konnte. Und momentan ist er unberechenbar. Ich habe schon so viele Gespräche mit ihm geführt, versucht zu vermitteln, zu schlichten, zu helfen. Dabei bin ich selbst auch krank geworden und an einer Depression erkrankt, die ich zum Glück hinter mir habe. Ich weiß nun, dass man das Leben anderer Menschen nicht ändern kann. Man kann nur das tun, was man selbst möchte. Aber meine Mama kann das nicht. Sie fühlt sich für ihn verantwortlich und ist bereit ihr Leben zu opfern. Das macht mich so unendlich unglücklich, da ich für meine Mutter mir alles Glück dieser Welt wünsche. Für meinen Vater natürlich auch. Er ist immerhin mein Vater und ich liebe ihn, egal, was er uns schon alles angetan hat. Doch ich weiß, er will und kann sich nicht ändern. Mama hofft immernoch, dass alles wieder so wird, wie es einmal war. Der Traum einer glücklichen Familie, die wir einmal waren. Sie schafft einfach den Absprung nicht. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll...ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet und ihr erklärt, was sie eigentlich im tiefsten Inneren auch weiß, doch sie will es nicht wahrhaben, dass der Mann, den sie geliebt hat schon lange tot ist. Jetzt existiert da nur noch so ein Monster. Das Schlimmste ist für meine Mutter auch: Was werden die Anderen über uns denken? Wir stehen doch in der Öffentlichkeit. Ich habe ihr so oft gesagt, dass es nicht wichtig ist, was das Dorf über uns denkt. Doch es ist ihr so unangenehm. Zudem weiß sie nicht, wie es dann finanziell weitergehen soll. Sie verdient nicht genug, um die laufenden Kosten fürs Eigenheim zu bezahlen. Meine Oma mütterlicherseits, die auch noch im Haus lebt, kann zwar zur Zeit noch Geld beisteuern, aber irgendwann wird sie auch nicht mehr da sein. Und dann ist meine Mama ganz allein in einem riesigen Haus. Und sie hat solche Angst vor dem Alleinsein, wobei sie eigenltich ja schon seit Jahren allein ist. Es ist eine so verfahrene Situation. Es scheint alles so auswegslos. Manchmal stelle ich mir vor, mein Vater bekommt eine Festanstellung, verdient wieder genug Geld, ist erfüllt und glücklich, macht eine Entzugstherapie, hört auf zu rauchen, wird wieder der Alte, lacht viel, genießt die Harmonie zuhause, Mama ist nicht mehr depressiv, hat wieder Spaß am Leben, die beiden unternehmen wieder was zusammen, nähern sich wieder an, können wieder normal miteinander reden, werden glücklich bis ans Ende dieser Tage. Wie naiv. Es wird nie wieder so werden. Wir können uns auf den Kopf stellen. Es wird nie wieder so werden. Aber meine Mama tut mir so leid, weil sie das immer noch hofft. Und ich kann ihr nicht helfen, wenn sie nicht bereit ist den Schritt zu gehen und ihn vor die Tür zu setzen. Das Traurige ist auch, dass sie außer mir kaum jemanden hat zum Reden. Sie möchte ihren Freundinnen nichts über die Situation erzählen, da sie Papa gegenüber so loyal ist. Sie möchte ihn nicht schlecht machen. Was soll ich nur tun? Ich weiß, dass ich im Prinzip nichts tuen kann. Ich kann beraten und zur Seite stehen, den letzten entscheidenden Schritt muss sie machen. Ich habe auch Angst um meinen Vater. Es wird ein Unglück passieren. Es ist alles so furchtbar. Ich weiß, dass ich eigentlich alt genug bin. Trotzdem geht es einem sehr nahe, wenn mitansehen muss, wie sich seiner Eltern zu Grunde richten. Jeder auf seine Art.

Anwort von Sylvia

Grüß dich,

leider hast du Recht, man kann sie nicht zwingen etwas an ihrem Leben zu ändern. Mehr als mit ihr reden und ihr Hilfe anbieten kann man bald nicht machen. Es ist leider ihre Entscheidung, das muss man so akzeptieren, auch wenn das unendlich schwer fällt.

Liebe Grüße
Sylvia