Problem von Alex - 21 Jahre

Angst vor einer neuen Beziehung

Hallo,

gerade habe ich über google zu euch gefunden. Es handelt sich bei mir um kein schwerwiegendes Problem in dem Sinn (ich hoffe, dass ich das soweit vermitteln kann), sondern einfach um eine Krise mit mir selbst und natürlich (leider ist es ja meistens so) um ein Problem, dass sich auf meine momentane Beziehung auswirkt. Ich bin nur leider kein Mensch, der mit jedem Problem zu Freunden geht, egal wie klein oder groß.

Ich hoffe, ich schreibe nicht zuviel, wenn ich eine kurze Vorgeschichte schildere. Derzeit bin ich 21 Jahre jung - ein eigentlich tolles Alter.. Vor 4 Jahren bin ich einem Urlaubsflirt (ich dachte anfangs, es wäre einer) zum Opfer gefallen. Es war sexueller Missbrauch - ich dachte immer, es wäre so einfach sich dagegen zu schützen und doch war ich zu leichtgläubig (mitzugehn), zu naiv (nicht zu merken was los ist) und zu ängstlich und verschlossen (was zu sagen). Nun ist es passiert und obwohl ich anfangs dachte, dass ich - als eigentlich psychisch sehr stabiler Mensch - damit locker fertig werde, merke ich nun, dass dem doch nicht so ist bzw dass es doch schwerwiegendere Auswirkungen hat, als ich dachte.
Ich hatte in der Zeit bis jetzt keine Probleme damit, Männer sexuell an mich heranzulassen (und ich stelle mir oft die Frage, warum), aber sobald ich merke, dass ich anfange Gefühle zuzulassen, blocke ich ab und vergraule die Männer. Seit knapp 2 Monaten habe ich nun einen Freund. Ich will nicht sagen, dass er meine große Liebe ist, aber ich merke doch, dass es was ernstes werden könnte. Ich habe gleich vom ersten Moment alles auf eine Karte gesetzt und ihm davon erzählt. Warum? Ich wollte, dass er von sich aus sagt, dass ihm das eine Stufe zu hoch ist und er mich so nicht will. Ich musste leider die Erfahrung machen, dass viele junge Männer in annähernd meinem Alter solchen Situationen nicht gewachsen sind. Nun ist er allerdings 33, hat auch schon eine Tiefs hinter sich und sich nicht abschrecken lassen. Und nun merke ich, dass ich mit dieser Art des Zuhörens und der Art, wie er für mich da ist, richtig überfordert bin.

Ich habe zwei Menschen von meinem sexuellen Missbrauch erzählt und beide konnten nicht mehr tun, als es zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe wirklich nie erwartet, dass alle für mich da sind und mir so helfen können, wie es ein Psychater könnte. Allerdings reagiert mein derzeitiger Freund eben ganz anders. Er schafft es in einem Gespräch - mit 5 Worten oder einer Frage - das Geschehen binnen Sekunden aus meinem Unterbewusstsein in mein Bewusstsein zu holen und hilft mir wirklich. Ich weiß nicht, ob es ihm bewusst ist, ich denke aber schon.

Ich kann es gar nicht in eine Frage fassen, was ich von euch hören will. Ich habe einfach Angst, dass ich vor lauter Zuneigung und Sorge die er um mich hat einfach die Panik kriege und davonlaufe. Und dieses Gefühl beschleicht mich leider in letzter Zeit sehr häufig. Laufe ich vor Nähe davon oder ist es rein die Angst, verletzt zu werden?
Vielleicht will ich auch keine Antwort, vielleicht wollte ich es einfach nur mal schreiben, loswerden, Luft raus lassen. Es tut gut, hier kann ich es mir eingestehn.
Ich weiß, was ich tun sollte. Mir fachliche Beratung suchen und mir helfen lassen. Nur weiß ich, dass kein Psychater dieser Welt das ganze aus mir rausbekommen würde, wenn ich es nicht selber will. Euch "vertraue" ich meine Sorgen an, erwartungslos aber erleichtert es mir von der Seele geschrieben zu haben aber traurig, dass ich nicht fähig bin, mit Freunden zu reden, weil ich Angst habe, dass ich in meiner Erwartung des Verständnisses enttäuscht werde.

Die einzige Frage, die mir auf der Zunge brennt - warum seelisch und nicht körperlich? Warum lasse ich sexuelles zu aber keine Gefühle? Ich kenne keine Missbrauchsopfer, ich habe nur viel darüber gelesen. Und in den Berichten war immer von körperlicher Beklemmung in Zusammenhang mit psychischen Problemen die Rede aber kaum von ausschließlich gefühlsmäßgen Beklemmungen. Nur wie vermittelt man so ein Gefühl, dass es jemand anderer (sei es ein guter Freund oder der eigene Partner) versteht? Wie vermittle ich meinem Freund, dass ich unendlich erleichtert bin, dass ich ihn habe und gleichzeitg zuviel Angst, mich auf ihn ernsthaft einzulassen, weil ich Angst habe, dass er mir mit dem Wissen, das ich ihm anvertraut habe, irgendwann wehtut? Oder mir einfach so wehtut?

Ich sehe, es sind doch mehr Fragen, wahrscheinlich könnten es noch 20 mehr sein.. Aber mir geht es nicht um Fragen und Antworten, oder um "sollte" oder "hätte". Mir geht es darum, all das jemandem zu erzählen oder schreiben, der sich eventuell damit befasst und vielleicht nur 2 oder 3 beruhigende Worte für mich hat..

Ich weiß, ihr seid dafür da, euch tagtäglich mit den Sorgen junger und älterer Menschen zu befassen, ihr macht das freiwillig und gewissenhaft, aber es ist nicht selbstverständlich.. Deshalb danke ich euch (wer auch immer von euch gerade mein Problem zu lesen bekommt) fürs Zuhören und sei es nur in Form von lesen.

Alex

Anwort von Sylvia

Grüß dich Alex,

es tut mir wirklich sehr leid, dass du so etwas schlimmes erleben musstest. Sowas kann auch starke Menschen aus der Bahn werfen. Und leider ist es so, dass fast kein Opfer alleine aus der Situation wieder raus kommt und diese vollständig verarbeitet. Ich würde Dir wirklich raten mal eine fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Natürlich ist es nicht einfach über solche Dinge zu reden, aber es wird Dir helfen. Niemand setzt sich bei einem Therapeuten hin und plaudert munter drauf los, das wäre mir damals als ich einen besuchen musste, auch sehr schwer gefallen. Man baut langsam Vertrauen auf, in den Gesprächen.

Ich kann nur vermuten, woher Deine Angst kommt aber ich könnte mir vorstellen, dass du Angst davor hast, dass dieser Mann all das aus Dir heraus holen könnte, worüber du nicht sprechen und denken willst. Bisher hast du bei den wenigen Versuchen, die du unternommen hast, immer nur die Erfahrung gemacht, dass dein Gegenüber nicht wirklich weiß, was er sagen soll. Jetzt ist es anders. Da sitzt jemand, der Dir wirklich zuhört und Dir helfen will. Vielleicht warst du darauf einfach nicht vorbereitet.

Abschließend würde ich Dir raten ihm zum einen zu erklären, was los ist, was du denkst und fühlst, wenn es um dieses Thema geht und vor allem wovor du Angst hast. Wenn es nicht in einem Gespräch geht, dann vielleicht in einem Brief. Und zum anderen: bitte denke nochmal über eine Therapie nach.

Ich wünsch Dir alles Gute auf deinem Weg.
Sylvia